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„Soldat zu sein, ist kein normaler Beruf, man steht dafür mit seinem Leben ein“ – Interview, 27.02.2021

Tageszeitungen liegen aufgefächert auf einer schwarzen Unterlage.

(© Presse- und Informationsamt der Bundesregierung)

Interview mit der Wehrbeauftragten im Magazin „Die Bundeswehr“ des Deutschen BundeswehrVerbandes vom 27. Februar 2021

„Soldat zu sein, ist kein normaler Beruf, man steht dafür mit seinem Leben ein“

Die Bundeswehr wird immer älter, mehr als drei Jahre sind Mannschaften, Unteroffiziere und Offiziere älter als zu den Zeiten vor Aussetzung der Wehrpflicht. Das ist ein Ergebnis des Jahresberichts 2020 der Wehrbeauftragten. Was kann die Truppe tun, um mehr junge Menschen für den Dienst in der Bundeswehr zu begeistern?

Die Bundeswehr muss deutlich besser werden bei der Personalgewinnung. Wir brauchen mehr jüngere Leute, vor allem auch mehr Frauen in der Bundeswehr. Ein Beispiel sind IT-Expertinnen und- Experten. Das sind angesichts der Bedrohungen durch Cyberangriffe gefragte Fachkräfte. Wir brauchen sie in der Bundeswehr. Gutes Personal ist das A und O. Deshalb müsste sich die Bundeswehr noch mehr als bisher als attraktiver Arbeitgeber präsentieren. In der Pandemie zeigt sich, wie wertvoll ein krisensicherer Arbeitsplatz ist.

Sie beklagen in Ihrem Bericht, dass sich noch zu wenige Frauen für den Arbeitgeber Bundeswehr entscheiden. Die Quote ist in anderen Ländern, bei anderen Armeen, als Beispiele können die USA oder Schweden dienen, besser. Wie kann man Frauen für den Dienst begeistern?

Wir haben einen großen Nachholbedarf. Das ergibt sich aus der Tatsache, dass wir erst seit 20 Jahren Frauen in allen Bereichen der Bundeswehr haben. Ich bin nicht damit zufrieden, dass wir bei den Frauen in der Truppe nur einen Anteil von 12,5 Prozent haben. Der muss noch deutlich aufwachsen. Ich denke, dass die Bundeswehr deutlich besser werden muss bei der Vereinbarkeit von Familie und Dienst. Das gilt im Übrigen nicht nur für Frauen in Uniform. Die Bundeswehr muss auch noch besser werden beim Anteil der Frauen in Führungspositionen. Das hat immer eine Sogwirkung, denn dann interessieren sich auch mehr Frauen für den Dienst. Es gibt noch eine ganze Menge zu tun. Darüber bin ich im Austausch mit den Inspekteuren und Kommandeuren. Ich will dafür sensibilisieren, dass hochqualifizierte Frauen in der Bundeswehr  gesehen und gefördert werden. Dafür müssen Vorgesetzte einen wachen Blick haben. Ich weiß auch, dass es für Frauen in der Bundeswehr entscheidend ist, ihren männlichen Kameraden gegenüber gleich gestellt zu sein, das Gleiche leisten zu können und zu wollen. Die Voraussetzung ist, dass sie dieselben Chancen und Möglichkeiten haben.

Wir haben eben darüber gesprochen, dass Fachleute fehlen, etliche tausend Dienstposten für Unteroffiziere, Feldwebel und Offiziere sind nicht besetzt, ist der Ruf des Arbeitgebers Bundeswehr nicht gut genug?

Der Ruf ist jetzt gerade exzellent, die Bundeswehr zeigt aktuell, was sie kann. Der Grundbetrieb läuft trotz Pandemie gut und gleichzeitig zeigen die Soldatinnen und Soldaten im Pandemieeinsatz von Flensburg bis ins Allgäu, was die Truppe alles kann. Wir erleben unglaublich viele positive Reaktionen. Soldatin oder Soldat zu sein, das ist trotz allem immer noch kein normaler Beruf oder Job. Sie stehen im äußersten Fall mit ihrem Leben ein - für unsere Freiheit und unsere Demokratie. Deshalb müssen alle mit Verantwortung die  Rahmenbedingungen für Soldatinnen und Soldaten verbessern. Sie müssen bestens ausgestattet und gut ausgebildet sein. Und sie müssen nachhaltig vom Parlament sowie der gesamten Gesellschaft unterstützt werden. Dafür setzt sich ja auch der BundeswehrVerband engagiert ein.

Trotz aller Wertschätzung für den Pandemieeinsatz, wie sind die Grenzen?

Die Bundeswehr hilft, wo sie gefragt wird, und macht das hervorragend. Ich will keine Grenze definieren, aber irgendwann muss die Amtshilfe auch enden. Ich habe erlebt, dass die Bundeswehr an vielen Stellen während dieser Pandemie unverzichtbar ist. Man mag sich gar nicht vorstellen, wie das wäre, wenn es die Bundeswehr in diesem Einsatz nicht gäbe. An vielen Stellen geht es in diesem Einsatz um mehr als Unterstützung, nicht selten halten die Soldatinnen und Soldaten den Betrieb am Laufen in Gesundheitsämtern und Impfzentren. Das kann so auf Dauer nicht bleiben. Deshalb muss man auch kritisch analysieren, ob wir im zivilen Sektor für solche Pandemien gut genug aufgestellt sind, ob wir richtig vorbereitet waren. Die Bundeswehr leistet sehr viel, aber sie muss das auch leisten, weil die zivilen Strukturen offensichtlich nicht gut genug aufgestellt waren.

Rechtsextremismus in der Truppe, das ist eine Schlagzeile, die dunkle Schatten auf die Bundeswehr wirft. Ist es angesichts von 229 Fällen im Jahr 2020 und gleichzeitig 180.000 Frauen und Männern in der Truppe gerecht, von einem Bundeswehr-Problem zu sprechen?

Rechtsextremismus ist ein Problem der gesamten Gesellschaft und entsprechend in der Bundeswehr. Die Fälle sind gestiegen,  es wird heute mehr gemeldet wird als früher, es wird aufmerksamer hingeschaut.  Das zeigt, dass beim Thema Rechtsextremismus weiter Handlungsbedarf besteht. Ich will das nicht kleinreden, jeder Fall ist einer zu viel, aber die absolute Mehrheit der Soldatinnen und Soldaten leistet jeden Tag engagiert und verantwortungsvoll ihren Dienst. Sie stehen fest auf dem Boden des Grundgesetzes. Daran gibt es keinen Zweifel.

Der Bundestag wird in Kürze über eine Verlängerung des Afghanistan-Mandates entscheiden müssen. Wie sicher sind unsere 1.500 Soldatinnen und Soldaten, die heute noch in Afghanistan sind, wenn die Taliban ihre Drohung wahr machen und die Angriffe wieder verstärken?

Es herrscht eine große Verunsicherung. Die Bundeswehr ist vorbereitet auf alle Szenarien. Wichtig ist, dass die Sicherheit unserer Soldatinnen und Soldaten gewährleistet ist. Die Frage nach der Verlängerung des Einsatzes oder nach einem Rückzug, kann immer nur gemeinsam mit den internationalen Partnern, den Verbündeten und vor allem mit den USA beantwortet werden. Klar ist, dass wir die Sicherheit für unsere Soldatinnen und Soldaten nur gemeinsam mit den internationalen Partnern ausreichend gewährleisten können. Das wird jetzt auch im Bundestag diskutiert werden, denn das Mandat läuft ja Ende März aus. Für ist mich auch wichtig, dass wir den Afghanistan-Einsatz kritisch bilanzieren, dass wir darüber sprechen, was wir erreichen wollten, was wir erreicht haben. Das ist wichtig künftige Auslandseinsätze.

Seit mehr als einem halben Jahr wird das Kommando Spezialkräfte kritisch betrachtet und reformiert, seit es Vorwürfe von Rechtsradikalismus in den Reihen des KSK gegeben hat. Wie weit ist man auf dem Weg, ist das Ziel schon erreicht?

Der Reformprozess ist noch nicht am Ziel, wir sind aber auf einem guten Weg. Wir sprechen beim KSK von 60 Einzelmaßnahmen, die umgesetzt werden müssen, um den Verband wieder zu stabilisieren. Es geht um Reformen und auch um Aufklärung von Ereignissen, die besorgniserregend waren. Damit meine ich nicht nur die aktuelle Debatte um die Munitions-Amnestie. Wir brauchen die Fähigkeiten des KSK, wir können froh sein, die Spezialkräfte zu haben. Es gab gute Gründe, die Einheit vor 25 Jahren aufzustellen. Aber das KSK braucht auch das Vertrauen der Öffentlichkeit und des Parlamentes, deshalb brauchen wir die Aufklärung aller Sachverhalte im KSK und absolute Transparenz. Dann kann das KSK sich gut für die Zukunft aufstellen.

65 Jahre Bundeswehr, 30 Jahre Armee der Einheit, die Parlamentsarmee hat inzwischen eine gute Tradition in unserem Land – wo sehen Sie die Bundeswehr in zehn Jahren?

65 Jahre Bundeswehr ist eine echte Erfolgsgeschichte. Ich hoffe in zehn Jahren sagen zu können, dass die Bundeswehr eine hochmotivierte Truppe ist, bestens ausgebildet, ausgestattet und jederzeit einsatzbereit. Eine Truppe, die ihren Dienst für Freiheit, Frieden, Demokratie und unsere Sicherheit leistet. Und dass sie viele Frauen und Männer hat, die diesen Dienst gerne für unser Land leisten.


Interview: Frank Jungbluth