Anträge zur Änderung der Geschäftsordnung des Bundestages überwiesen
Der Bundestag hat am Mittwoch, 3. Juli 2024, erstmals über einen Antrag der Koalitionsfraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP zur Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (20/12088) beraten. Zum Thema lag den Abgeordneten auch ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion mit dem Titel „Demokratie stärken – Für eine echte Parlamentsreform im Deutschen Bundestag“ (20/12087) vor. Im Anschluss an die Aussprache überwies das Parlament beide Anträge zur weiteren Beratung an den federführenden Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung.
Antrag der Koalitionsfraktionen
Die Fraktionen verweisen darauf, dass die letzte umfassende Reform der Geschäftsordnung aus dem Jahr 1980 stammt und die damals eingeführten Regelungen der parlamentarischen Praxis nicht mehr entsprächen. Ziel der jetzigen Reform sei es, das Parlament als „Ort der Debatte und Gesetzgebung“ zu stärken, Verfahrensregeln zu präzisieren und das parlamentarische Ordnungsrecht „maßvoll“ zu erweitern. Vor allem sollen auch Ausschussvorsitzende künftig bei einer Störung durch Ausschussmitglieder Maßnahmen ergreifen können, um die parlamentarische Ordnung und die „Würde des Deutschen Bundestages“ zu wahren.
Die Fraktionen schlagen unter anderem vor, zwischen der Wahl des Präsidenten oder der Präsidentin und der Wahl der Vizepräsidenten und Vizepräsidentinnen zu differenzieren. Das Wahlvorschlagsrecht bei der Präsidentenwahl soll ausschließlich Fraktionen zustehen, beschränkt auf jeweils einen Bewerber oder eine Bewerberin in einem Wahlgang. Eine Stichwahl zwischen Bewerbern einer Fraktion wäre damit ausgeschlossen. Sofern auch im zweiten Wahlgang Bewerber erfolglos sind, solle es im dritten Wahlgang bei mehreren Kandidaten eine Stichwahl der beiden Besten geben. Im dritten Wahlgang reiche bei nur einem Wahlvorschlag die relative Mehrheit aus. Ein vierter Wahlgang solle nur nach Vereinbarung im Ältestenrat möglich sein. Andernfalls wäre das Wahlverfahren gescheitert und ein neues Wahlverfahren mit neuen Kandidaten erforderlich.
Wahl der Vizepräsidenten
Bei der Wahl der Vizepräsidenten wollen die Fraktionen normieren, dass das Amt von der freien und geheimen Wahl durch den Bundestag abhängt und dieser Grundsatz dem sogenannten Grundmandat, wonach jede Fraktion durch mindestens einen Vizepräsidenten im Präsidium vertreten sein soll, vorgeht. Für ein Amt solle immer nur eine Fraktion vorschlagsberechtigt sein. Kann in der konstituierenden Sitzung des Parlaments ein Amt nicht besetzt werden, solle die Aufsetzung weiterer Wahlgänge erst nach drei Wochen verlangt werden können, wenn es kein Einvernehmen über eine vorzeitige Aufsetzung gibt.
Ein im ersten Wahlgang erfolgloser Kandidat könnte somit nicht mehr für einen zweiten Wahlgang vorgeschlagen werden, wenn zwischenzeitlich ein erster Wahlgang mit einem anderen Kandidaten erfolglos war. Eingeführt werden soll ein Quorum von einem Viertel der Abgeordneten für ein viertes Wahlverfahren, damit nur „Wahlverfahren mit gewissen Erfolgsaussichten“ durchgeführt werden.
Gruppen und Ordnungsmaßnahmen
Geplant ist zudem, eine eigene Norm für „Gruppen“ von Abgeordneten einzuführen, die keinen Fraktionsstatus erlangen. Es soll verdeutlicht werden, dass der Bundestag „entsprechend der bisherigen Praxis“ über die Rechte entscheiden muss, die den Gruppen im Einzelnen gewährt werden.
Im Hinblick auf Ordnungsmaßnahmen des sitzungsleitenden Präsidenten soll der Zeitraum für mögliche Ordnungsrufe erweitert werden. Ordnungsmaßnahmen sollen in der Sitzung erfolgen müssen. Einzelfälle, die eine nachträgliche Maßnahme rechtfertigten, könnten etwa entstehen, wenn dem Präsidenten Verstöße entgangen sind oder ein Sachverhalt zwar bekannt wurde, zur abschließenden Bewertung oder der Festlegung der Rechtsfolge jedoch noch Beratungsbedarf besteht. Einführen wollen die Fraktionen auch einen Automatismus, wonach beim dritten Ordnungsruf innerhalb von drei Sitzungswochen ein Ordnungsgeld festgesetzt wird, sofern der Abgeordnete nicht bereits des Sitzungssaals verwiesen worden ist.
Beratung von Petitionen im Plenum
Der Antrag sieht außerdem vor, dass der Petitionsausschuss künftig empfehlen kann, die Beratung einer Petition auf die Tagesordnung des Plenums zu setzen, wenn diese mehr als 100.000 Unterzeichner hat und im Ausschuss bereits eine Anhörung stattfand.
Antrag der Unionsfraktion
Die Unionsfraktion will mit ihrem Antrag (20/12087) das Parlament zum „Ort lebendiger und attraktiver Debatten“ machen. Sie will den Geschäftsordnungsausschuss beauftragen, Empfehlungen für die Änderung der Geschäftsordnung zu unterbreiten.
Im Einzelnen wird vorgeschlagen, die Tagesordnung zu entlasten, weil die Behandlung zu vieler, „oftmals rein technischer Vorlagen“ die Konzentration auf das Wesentliche verhindere. Die abschließende Beratung dieser „technischen Vorlagen“ will die Fraktion den Ausschüssen vorbehalten. Wichtige Debatten müssten so platziert werden, dass sie von möglichst vielen Personen live verfolgt werden können. Zudem müsse die Barrierefreiheit durch den verstärkten Einsatz von Gebärdendolmetschern verbessert werden. In der Aktuellen Stunde will die Fraktion eine Nachfrage oder Zusatzbemerkung zu Reaktionen auf Zwischenbemerkungen und -fragen zulassen.
Ordnungsmaßnahmen und Abstimmungsverfahren
Bei Abgeordneten, die wiederholt die Ordnung oder die Würde des Hauses verletzen, reichen die bestehenden Sanktionsmöglichkeiten aus Sicht der Unionsfraktion nicht aus. Dafür müsse ein Automatismus eingeführt werden. Bei wiederholten Ordnungsrufen gegen denselben Abgeordneten innerhalb eines bestimmten Zeitraums müsse das Präsidium zwingend ein angemessenes Ordnungsgeld verhängen.
Die Fraktion tritt ferner für ein verständlicheres Abstimmungsverfahren ein. Für Außenstehende sei nicht nachvollziehbar, weshalb Beschlussempfehlungen zu Anträgen und Gesetzentwürfen unterschiedlich abgestimmt werden. Auch sollten Gesetzentwürfe des Bundesrates künftig zeitnah an die zuständigen Bundestagsausschüsse überwiesen werden. Vorgeschlagen wird auch, dass die zuständigen Ausschüsse künftig den Erfolg der Gesetzgebung kontrollieren und die Gesetzesfolgen einer „Nachbetrachtung“ unterziehen.
Anhörungen und Regierungsbefragung
Des Weiteren treten die Unionsabgeordneten für eine bessere Kontrolle der Regierung durch Stärkung der Oppositionsrechte ein. So sollten Anhörungen, die von einer Ausschussminderheit verlangt werden, innerhalb von fünf Sitzungswochen stattfinden müssen. Einer „immer stärkeren Auslagerung von politischen Entscheidungen“ in informelle Gremien und Expertenkommission sowie auf die internationale Ebene will die Fraktion entgegenwirken.
Die Bundesregierung müsse für ihre Politik wieder stärker im Bundestag Rechenschaft ablegen. Der Bundeskanzler solle künftig in jedem Quartal sich der Regierungsbefragung im Parlament stellen statt bisher nur dreimal jährlich. Auch sollte die Regierungsbefragung zwei Stunden statt nur 90 Minuten dauern, heißt es in dem Antrag. (vom/03.07.2024)