Erleichterungen bei Spätaussiedler-Bewerbungen begrüßt
Berlin: (hib/FLA) Weniger restriktive Verfahren bei Spätaussiedler-Bewerbungen fanden die Unterstützung von Experten bei einer Anhörung des Ausschusses für Inneres und Heimat. Es ging um den Gesetzentwurf der Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes (20/8537).
Ein zentraler Punkt war das „Gegenbekenntnis“: Wenn Spätaussiedler bei den Behörden des Landes, aus dem sie aussiedeln wollen, mit einer anderen als der deutschen Nationalität in den Personaldokumenten eingetragen sind.
Bernd Fabritius (Präsident des Bundes der Vertriebenen) sprach vom „sogenannten Gegenbekenntnis“. Er gab zu bedenken, dass das Bekenntnis zum deutschen Volkstum insbesondere in der Russischen Föderation unter den derzeitigen politischen Rahmenbedingungen nicht erwartet werden dürfe. Es bestehe hier die ernsthafte Gefahr, dass ein solcher Schritt zu Repressionen führen werde. Zum Nachweis eines aktuellen Bekenntnisses sollten zertifizierte deutsche Sprachkenntnisse ausreichen.
Nils Friedrichs (Sachverständigenrat für Integration und Migration) wertete geplante Erleichterungen bei der Bewertung einer früheren Eintragung einer nichtdeutschen Nationalität als positiv. Er verwies ebenfalls auf Repressionen bereits in der Sowjetunion. Zudem habe sich die Diskriminierung auf den Gebrauch der deutschen Sprache erstreckt - ein Nachteil für Spätaussiedler-Bewerber aus Russland beispielsweise gegenüber denen aus Rumänien oder Polen.
Thomas Herzog, lange Zeit im Innenministerium mit der Thematik befasst, begrüßte die Einfügung eines neuen Paragrafen zur Schaffung einer Rechtsgrundlage für die Aufbewahrung der bei den Vertriebenenbehörden befindlichen Spätaussiedler-Daten. Die Bedeutung der erhobenen Daten für Status und Aufenthalt der Spätaussiedler und ihrer Angehörigen berühre deren schutzwürdiges Interesse.
Elisabeth Kunze (Ukrainehilfe Lobetal - Cura hominum) befürwortete, dass die Rückbesinnung auf die Zugehörigkeit zum deutschen Volk erleichtert werden soll. Sie verwies auf schwerwiegende Nachteile für Bürger deutscher Nationalität schon in der Sowjetunion. Wenn unter solchen Bedingungen jemand seinem Kind die russische Nationalität in die Geburtsurkunde habe schreiben lassen oder sich selbst für die russische Nationalität entschieden habe, würde sie das eher als Überlebensstrategie werten, nicht als Bekenntnis zum russischen Volk.
Olga Martens (Sprach- und Partnerschaftsinitiative Gelnhausen) äußerte sich als Betroffene, die vor Kurzem nach Deutschland eingereist sei. Sie meinte, zurzeit finde eine Veränderung des politischen Umfelds in Russland statt. Die Lebensrealitäten für Angehörige der deutschen Minderheit verschlechterten sich zusehends. Jede Initiative zur Ausreise solle in Kürze als extremistisch eingestuft werden.
Thomas Puhe (Fachanwalt für Migrationsrecht und Sozialrecht) hob hervor, bei der Einschätzung der Sprachkenntnisse müsse berücksichtigt werden, dass die Goethe-Institute in Russland und der Ukraine kaum oder gar nicht mehr präsent seien. Den geplanten Gesetzesänderungen bescheinigte er, zu mehr Einzelfallgerechtigkeit zu führen.
Frank Schleicher (Fachanwalt für Sozialrecht) befand, in der juristischen Praxis bedeute die Gesetzesänderung einen erheblichen verfahrensrechtlichen Vorteil für den Spätaussiedlerbewerber. Bundesverwaltungsamt oder Gerichte dürften dann nicht mehr prüfen, ob der Bewerber bei der Erstausstellung der behördlichen Urkunden wollte, dass eine andere als die deutsche Nationalität eingetragen wurde oder ob die Eintragung der russischen Nationalität zwangsweise erfolgte.
Johann Thießen (Landsmannschaft der Deutschen aus Russland) berichtete von zahlreichen Hilferufen von Landsleuten aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion, die einen Ablehnungsbescheid zu ihrem Aufnahmeantrag als Spätaussiedler erhalten hätten. Der häufigste Ablehnungsgrund sei eben das „Gegenbekenntnis“. Die Eintragung der russischen Nationalität sei meist eigenmächtig durch sowjetische Beamte erfolgt. Dass dieses Problem nun an die Lebenswirklichkeit angepasst werden solle, sei zu begrüßen.