Halbierung der Einkommensgrenze beim Elterngeld umstritten
Berlin: (hib/HAU) Die seitens des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) geplante Halbierung der Einkommensgrenze beim Elterngeld ist laut Familien-Staatssekretär Sven Lehmann (Bündnis 90/Die Grünen) das Ergebnis der Sparanordnung des Finanzministeriums an den Familienetat. Bei den Kürzungen habe man zwischen sehr vielen schlechten Varianten auswählen müssen, sagte Lehmann während einer öffentlichen Sitzung des Petitionsausschusses am Montag. „Die von uns vorgeschlagene Variante lässt das Elterngeld für rund 96 Prozent aller Elterngeldbeziehenden komplett unangetastet“, so der Staatssekretär. Vier Prozent der Elterngeldbeziehenden, nämlich jene mit einem „sehr, sehr hohen Einkommen“ von mehr als 150.000 Euro im Jahr, würde den Planungen zufolge keinen Anspruch mehr auf Elterngeld haben. „Das ist ein schmerzlicher Einschnitt“, räumte Lehmann ein.
Für die Beibehaltung der Einkommensgrenze nach Paragraf 1 Absatz 8 des Bundeselterngeldgesetzes, die derzeit bei 300.000 Euro liegt, zum 1. Januar 2024 aber auf 150.000 Euro abgesenkt werden soll, hatte sich Verena Pausder in einer öffentlichen Petition (ID 153198) ausgesprochen. Betroffen seien nicht die, die von ihrem Vermögen leben können, sondern viele Young Professionals und Akademiker. „Die meisten Haushalte, die diese Einkommensklasse erreicht haben und mit der Familienplanung beginnen, sind relativ jung“, heißt es in der Eingabe. Daher habe es für sie wenig Spielraum gegeben, Geld für eine Kürzung, „die mehr oder weniger aus dem Nichts kommt“, beiseitezulegen.
Die Petentin, selbst Unternehmerin und Gründerin, geht davon aus, dass in den meisten Fällen die Frauen auf ihren Beruf verzichten würden, falls sich ein Paar keine externe Kinderbetreuung leisten kann oder findet, „da Frauen immer noch stärker vom Gender Pay Gap betroffen sind“. Dadurch entstehe eine Abhängigkeit von ihrem Partner. „Dem Ziel der Koalition, für ,gleichberechtigte Familien' läuft die Streichung also komplett entgegen“, heißt es in der Petition, die innerhalb der Vier-Wochen-Frist 53.980-mal mitgezeichnet wurde.
Die werdenden Eltern hätten sich auf das Elterngeld verlassen, sagte Pausder während der Ausschusssitzung. Ihnen werde jetzt mit lediglich sechs Monaten Vorlauf gesagt: „Sorry, aber ihr seid zu reich.“ Weil sich der Berechnungszeitraum des Elterngeldes nur über die vergangenen zwölf Monate erstrecke, treffe es jene Paare besonders, die gerade erst über diese Einkommensschwelle gesprungen seien und noch keine Rücklagen hätten bilden können. So gehe das Vertrauen in den Staat verloren, befand die Petentin.
Die Aussage, dass nur vier Prozent der Bezugsberechtigten, also 60.000 Paare betroffen seien, wollte Pausder so nicht stehen lassen. Das marginalisiere diese Gruppe unnötig. Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln habe von 435.000 Paaren gesprochen, sagte sie. Angesichts von Inflation und steigenden Löhnen gebe es immer mehr Menschen, die über diese Schwelle gehen würden. Diese Gruppe glaube an das Aufstiegsversprechen und zahle den Spitzensteuersatz. „Das ist die einzige Stelle, an der sie sich auf den Staat verlassen.“ Daher müsse es auch innerhalb des Familienhaushalts bessere Sparvorschläge geben.
Aus Sicht von Staatssekretär Lehmann ist das geforderte Einsparvolumen anderweitig aber nicht zu erreichen. 90 Prozent des Familienetats seien in den drei gesetzlichen Leistungen Elterngeld, Unterhaltsvorschuss und Kinderzuschlag gebunden. Die Entscheidung, beim Unterhaltsvorschuss nicht zu kürzen, sei gefallen, weil dies Alleinerziehende träfe, die in überdurchschnittlichem Maße von Armut bedroht seien. Der Kinderzuschlag sei wiederum eine Leistung, die verhindern solle, dass Familien mit kleinen Einkommen in den Sozialleistungsbezug fallen. Bei diesen „sehr wichtigen sozialpolitischen Leistungen“ habe man sich entschieden, nicht einzusparen, erläuterte er.
Beim Elterngeld hätte wiederum eine Neuaufteilung der Partnermonate das angeordnete Einsparvolumen nicht erbracht. Daher habe sich das Ministerium für diesen Weg entschieden.
Der Regierungsvertreter ging auch auf die kritisierte Stichtagsregelung zum 1. Januar 2024 ein. Dieser Stichtag sei nötig, um aus Sicht des Ministeriums die Einsparvorgaben zu erreichen. Eine Frist zu setzen, sei vom Bundesverfassungsgericht auch ausdrücklich als legitim erachtet worden. Ob eine solche Stichtagsregelung politisch gewollt ist oder nicht, müsse aber das Parlament entscheiden, sagte Lehmann.