Belange von Jungen und Männern in Gleichstellungspolitik
Berlin: (hib/LL) Eine stärkere Berücksichtigung der spezifischen Belange von Jungen, Männern und Vätern, der reflektierte Umgang mit tradierten Rollenbildern im Bildungssystem, die Eröffnung neuer Möglichkeiten in der Arbeitswelt: Das würde die Gesellschaft dem Ziel der Gleichstellung von Frauen und Männern insgesamt näher bringen, so die Sachverständigen im öffentlichen Fachgespräch des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend am Mittwochmittag mit Vertretern des Bundesforums Männer, der politischen Interessenvertretung für Jungen, Väter und Männer.
Eine Gleichstellungspolitik für beide Geschlechter formuliere seine Organisation, einem Dachverband, dem 38 unterschiedliche Organisationen angehören, von der Männerarbeit der großen Kirchen über den Deutschen Gewerkschaftsbund bis zum Schwulenverband, sagte Thomas Altgeld, Vorsitzender des Bundesforums Männer - Interessenverband für Jungen, Männer und Väter e.V.
Gut sei, dass der Koalitionsvertrag der Bundesregierung eine Passage zu einer gleichstellungsorientierten Jungen- und Männerpolitik enthalte. Schade hingegen, dass das einzige darunter fallende Projekt der Vaterschaftsfreistellung nach der Geburt politisch vertagt worden sei. Das würde nämlich Möglichkeiten einer anderen Arbeitsteilung zwischen Vätern und Müttern eröffnen und könnte zu einer stärkeren Beteiligung von Männern an der Sorgearbeit im häuslichen Umfeld führen.
Es diene der Geschlechtergerechtigkeit, wenn man für Männer in der Arbeitswelt neue rechtliche Rahmenbedingungen beispielsweise für Teilzeit schaffe und dazu klassische Rollenbilder überwinde. Viele Männer wünschten sich dies. Bereits in Kita und Schule brauche es ein geschlechterreflektiertes Arbeiten, eine Auseinandersetzung mit Bildern und Rollen von Männlichkeit. In die neue Bundesstiftung Gleichstellung bringe man diese Themen ein und sage: Denkt die Männer mit. Altgeld forderte die Abgeordneten auf, seiner Einrichtung, die auf der Basis von Projektmitteln arbeite, künftig eine institutionelle Förderung zu gewähren.
Es nütze allen bei dem Wandel hin zu größerer Geschlechtergerechtigkeit, wenn Jungen und Männer als Partner und Akteure in diesen Wandel direkt einbezogen würden, sagte Dag Schölper, Geschäftsführer des Bundesforums Männer - Interessenverband für Jungen, Männer und Väter e. V. Seine Organisation stehe für Solidarität mit Frauen und Mädchen, ja mit allen Geschlechtern. Zugleich gelte es aber, die Gruppe der Männer mit einer „gleichstellungsorientierten Männerpolitik“ strategisch in den Blick zu nehmen.
Die Arbeitgeber müssten dazu bewegt werden, stärker auf die Bedürfnisse von Männern bei ihrem Wunsch nach Teilzeit und beruflicher Flexibilität einzugehen und deren Erwerbsarbeitszeit zugunsten von mehr Familienarbeit reduzieren. Raum für Erziehungs- und Pflegezeiten müsste geschaffen werden. Viele Männer seien unzufrieden mit ihrer Arbeitssituation. Noch arbeiteten 87 Prozent der Väter Vollzeit. Aber 40 Prozent würden während der Vaterschaft ihre Arbeitszeit gerne reduzieren und 74 Prozent wünschten sich eine größere Flexibilität.
Lediglich eine kleine Minderheit stemme sich gegen einen Wandel tradierter Geschlechterrollen und wolle keinesfalls über das Erreichte hinausgehen. Mehr als ein Drittel jedoch befürworte eine offensive Gleichstellungspolitik und ein weiteres Drittel akzeptiere diese, verfolge sie aber mit wenig Interesse. Vor allem letztere gelte es noch zum Feld der Unterstützer für mehr wechselseitige Teilhabe und Parität hinzuzugewinnen.