Versorgung von Frühgeborenen mit niedrigem Geburtsgewicht
Berlin: (hib/HAU) Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) steht hinter der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) wonach bei der Versorgung von Neugeborenen mit einem Geburtsgewicht von unter 1.250 Gramm 25 Kinder, statt bislang 14 Kinder, an einem Standort pro Jahr betreut werden müssen, damit die Krankenhäuser diese Leistungen erbringen dürfen. Das wurde während einer öffentlichen Sitzung des Petitionsausschusses am Montagnachmittag deutlich. „In den Einrichtungen mit mehr Erfahrung im Umgang mit Extrem-Frühchen reduziert sich die Sterbewahrscheinlichkeit der Kinder signifikant“, sagte BMG-Staatssekretär Edgar Franke (SPD).
Für eine Rückkehr zur ursprünglichen Fallzahl von 14 Kindern pro Jahr spricht sich indes Renate Krajewski, Vorsitzende der Mitarbeitervertretung am Dietrich-Bonhoeffer-Klinikum (DBK) in Neubrandenburg (Mecklenburg-Vorpommern) aus. Ihre der Sitzung zugrunde liegende öffentliche Petition konnte in der Mitzeichnungsfrist neben 56.682 Online-Unterstützungen auch noch 54.193 „analoge Unterschriften“ verbuchen.
Die Frühchen-Station in Neubrandenburg ist der Eingabe zufolge vom Verlust des Status Perinatalzentrum Level 1 betroffen, weil die Zahl der dort frühgeborenen Kinder nur bei 16 bis 20 in den vergangenen Jahren lag. Klinik-Vertreterin Krajewski fordert daher in ihrer Petition, die vom G-BA beschlossene Mindestfallzahl von 25 Fällen pro Jahr zu streichen und durch „angemessenere Maßnahmen zur Qualitätssicherung“ zu ersetzen.
Da in Neubrandenburg diese Anzahl nicht erreicht werde, „gibt es zwischen Rostock und Berlin keine Anlaufstelle mehr für Frühgeburten unter 1.250 Gramm, obwohl wir seit vielen Jahren in nachweislich guter Qualität arbeiten“, sagte sie vor den Abgeordneten. Der die Petentin begleitende Chef der Neubrandenburger Kinderklinik, Sven Armbrust, hielt eine Mindestzahl von 14 Kinder pro Jahr ebenfalls für ausreichend. „Die Sterblichkeit bei den Frühchen ist in den letzten Jahren von 5,1 Prozent auf 4,6 Prozent gesunken“, sagte er. So schlecht könne also die Versorgung trotz einiger kleinerer Zentren nicht gewesen sein.
Krajewski und Armbrust wiesen auf die sich durch längere Fahrwege zu den künftigen Zentren ergebenden Probleme hin. Frühgeburtlichkeit betreffe schließlich die gesamte Familie, sagte der Klinik-Chef. Wenn Mutter und Kind mehrere Monate auf der Station liegen müssten, sei es umso problematischer für den Rest der Familie, je weiter das Krankenhaus vom Wohnort weg gelegen ist. Das gelte insbesondere für den ländlichen Raum.
Krajewski kritisierte außerdem, dass als Notfälle in ihrem Krankenhaus zur Welt gekommene Extrem-Frühchen nach der Geburt verlegt werden müssten. Die Risiken der Verlegung solcher extrem sensibler Kinder seien bei der Entscheidung des G-BA nicht berücksichtigt worden.
Karin Maag, unparteiisches Mitglied im G-BA, sah das anders. Der Gewinn an Sicherheit für die extrem frühgeborenen Säuglinge sei in Einrichtungen, wo es eine höhere Fallzahl gebe und man daher mehr Erfahrungen damit habe, so groß, dass dies durch längere Fahrzeiten und Fragen der Mutter-Kind-Bindung nicht aufgewogen werden könne, sagte sie. Das Sterberisiko bei Frühchen sei schließlich extrem hoch.
Umstritten blieb während der Sitzung unter anderem die Frage, ob es sich bei den Frühgeburten um planbare Behandlungen oder Notfälle handelt. Maag und Franke sprachen davon, dass 90 Prozent der Frühgeburten planbar seien. Der Leiter der Neubrandenburger Kinderklinik hielt dem entgegen, dass zwei Drittel der Geburten Notfälle seien. Dies habe eine Rückfrage seinerseits unter Kollegen bestätigt. „Es ist eine planbare Leistung“, sagte hingegen BMG-Staatssekretär Franke. Der Geburt eines Säuglings unter 1.250 Gramm Geburtsgewicht ginge regelmäßig eine erhebliche Entscheidungsphase voraus, „weil die drohende Frühgeburt in aller Regel Folge einer Erkrankung der werdenden Mutter in der Schwangerschaft ist“. Die Entscheidung des G-BA sei „wohlbegründet“ und Ergebnis eines ordnungsgemäßen Verfahrens, urteilte Franke.