Anhörung zu Vorlagen für Wahlrechtsreform
Berlin: (hib/STO) Um zwei Gesetzentwürfe und vier Anträge für eine Wahlrechtsreform geht es am Montag, 6. Februar 2023, in einer Sachverständigenanhörung des Ausschusses für Inneres und Heimat. Zu der öffentlichen Veranstaltung, die um 12 Uhr im Paul-Löbe-Haus (Raum 2.600) beginnt, werden neun Sachverständige erwartet. Interessierte Zuhörer werden gebeten, sich mit Namen und Geburtsdatum beim Ausschuss anzumelden (innenausschuss@bundestag.de).
Die Koalitionsfraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP wollen mit ihrem Gesetzentwurf zur Änderung des Bundeswahlgesetzes (20/5370) die Zahl der Bundestagsmandate künftig sicher auf die Regelgröße von 598 begrenzen. Dazu sehen sie einen Verzicht auf die bisherige Zuteilung sogenannter Überhang- und Ausgleichsmandate vor. Dies könnte dazu führen, dass künftig nicht alle Direktkandidaten, die in ihrem Wahlkreis die meisten Erststimmen erhalten, in das Parlament einziehen.
Überhangmandate sind bisher angefallen, wenn eine Partei über die Erststimme mehr Direktmandate in den Wahlkreisen gewonnen hat, als ihrem Listenergebnis entsprach. Um das mit der Zweitstimme bestimmte Kräfteverhältnis der Parteien im Parlament wiederherzustellen, wurden diese Überhänge mit zusätzlichen Ausgleichsmandaten kompensiert. In der Folge stieg die Zahl der Abgeordneten über die gesetzliche Regelzahl hinaus auf derzeit 736 an.
Dem Gesetzentwurf zufolge soll es wie bisher 299 Wahlkreise und zwei Stimmen geben. Dabei wird mit der als „Hauptstimme“ bezeichneten bisherigen Zweitstimme, mit der die Wähler für eine Parteiliste votieren können, über die proportionale Verteilung der Mandate an die Parteien entschieden. Mit der nunmehr „Wahlkreisstimme“ genannten bisherigen Erststimme können wie bisher in den Wahlkreisen Direktkandidaten gewählt werden.
Ihnen wird ein Mandat laut Vorlage jedoch nur zugeteilt, wenn dies durch das Hauptstimmenergebnis gedeckt ist. Stellt eine Partei in einem Bundesland mehr Wahlkreissieger, als ihrem Hauptstimmenergebnis entspricht, sollen - in der Reihenfolge ihrer Ergebnisse bei den Wahlkreisstimmen - entsprechend weniger von ihnen bei der Mandatszuteilung berücksichtigt werden. „Die erfolgreiche Kandidatur im Wahlkreis setzt also künftig neben der relativen Mehrheit eine Deckung durch Hauptstimmen voraus“, führen die Koalitionsfraktionen dazu aus.
Auch die AfD-Fraktion macht sich für eine Reduzierung der Mitgliederzahl des Bundestages „auf regelmäßig nur noch 598 Abgeordnete“ stark und zielt mit ihrem Gesetzentwurf (20/5360) ebenfalls darauf ab, die Entstehung sogenannter Überhangmandate zu vermeiden. Dazu sollen laut Entwurf mit der Erststimme künftig nicht mehr unmittelbar Bundestagsabgeordnete, sondern „qualifiziere Wahlkreiskandidaten“ gewählt werden.
Erringen solche Bewerber einer Partei mehr Mandate, als deren Landesliste nach dem Zweitstimmenergebnis zustehen würden, soll eine Rangfolge ihrer Direktkandidaten nach ihrem prozentualen Stimmergebnis aufgestellt werden. „Danach werden den qualifizierten Wahlkreiskandidaten Mandate bis zur Erreichung der Sitzzahl zugeteilt, die der betreffenden Partei nach dem Zweitstimmenergebnis zustehen“, heißt es in der Vorlage weiter. Die Mandatszuteilung erfolge „in der Reihenfolge der absteigenden prozentualen Stimmergebnisse, beginnend mit dem höchsten prozentualen Stimmergebnis“.
Darüber hinaus soll nach dem Willen der Fraktion die Möglichkeit geschaffen werden, die Zweitstimme künftig in bis zu drei „Bewerberstimmen“ aufzuteilen und dadurch die von den Parteien vorgegebene Reihenfolge der Landeslisten zu verändern.
Die CDU/CSU-Fraktion dringt auf eine Wahlrechtsreform auf der Grundlage des personalisierten Verhältniswahlrechts, mit der die Zahl der Bundestagsmitglieder „in Richtung einer Regelgröße von 590 Abgeordneten reduziert“ wird. In ihrem Antrag (20/5353) schlägt die Fraktion vor, die Zahl der Wahlkreise auf 270 zu reduzieren und die Regelgröße für Listenmandate auf 320 anzuheben. Zugleich plädiert sie für eine Erhöhung der Zahl unausgeglichener Überhangmandate von derzeit drei „auf die vom Bundesverfassungsgericht zugelassene Anzahl“ von 15. Überhangmandate einer Partei in einem Bundesland sollen nach ihrem Willen „wie bisher mit Listenmandaten der gleichen Partei in anderen Bundesländern verrechnet“ werden.
Zudem spricht sich die Unionsfraktion in ihrem Antrag für eine „Anhebung der Grundmandatsklausel“ aus. Danach sollen bei Verteilung der Sitze auf die Landeslisten nur Parteien berücksichtigt werden, die mindestens fünf Prozent der gültigen Zweitstimmen erhalten oder in mindestens fünf statt bisher drei Wahlkreisen einen Sitz errungen haben.
Die Fraktion Die Linke dringt in drei Anträgen darauf, das Mindestalter für das aktive Wahlrecht bei Bundestagswahlen von 18 auf 16 Jahren abzusenken (20/5358), ein Ausländerwahlrecht auf Bundesebene ab einem fünfjährigen legalen Aufenthalt in der Bundesrepublik einzuführen (20/5356) und zur Stärkung des Frauenanteils im Bundestag im Parteiengesetz festzuschreiben, dass Frauen und Männer bei der Aufstellung der Landeslisten gleichermaßen berücksichtigt werden (20/5357).