Öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist reformbedürftig
Berlin: (hib/AW) Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist reformbedürftig. Zumindest auf diesen Minimalkonsens konnten sich Sachverständige und Abgeordnete am Mittwoch in einem öffentlichen Fachgespräch des Kulturausschusses einigen. Wie weit die Reformen gehen sollen und wie die Finanzierung gesichert werden sollen, darüber gingen die Meinungen allerdings auseinander. Während sich SPD, CDU/CSU, Grüne, FDP und Linke prinzipiell für den Erhalt eines gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunks aussprachen, forderte die AfD erneut, die Medienordnung in Deutschland insgesamt und die Rolle der Öffentlich-Rechtlichen auf den Prüfstand zu stellen.
Matthias von Fintel von Dienstleistungsgewerkschaft verdi monierte, dass die aktuelle Debatte über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk „auf dem Rücken der Beschäftigten“ ausgetragen werde. Diese stünden sowohl im beruflichen wie auch privaten Umfeld immer stärker unter einen Rechtfertigungsdruck. Dies sei um so beklagenswerter, da es gerade investigative Journalisten in den Sendeanstalten selbst gewesen seien, die maßgeblich zur Aufdeckung der Skandale wie etwa zuletzt beim RBB beigetragen hätten. Fintel kritisierte weiterhin, dass die Debatte über Auftrag und Strukturen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für Forderungen nach einer Senkung oder gar Abschaffung des Rundfunkbeitrags missbraucht werde. Dabei reiche der Rundfunkbeitrag schon jetzt nicht mehr aus, um ein qualitatives Programm gemäß des Auftrages zu produzieren. In der Folge würde Personal abgebaut und die Honorare von freien Mitarbeitern gekürzt.
Der Wirtschaftswissenschaftler Leonhard Dobusch von der Universität Innsbruck, er ist zudem Mitglied im ZDF-Verwaltungsrat, plädierte für eine Flexibilisierung des Auftrags der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk müsse mehr leisten als nur die Lücken zu füllen, die die privaten Medien hinterließen. Vor allem sprach er sich für ein verstärkt gemeinsames Agieren von ARD und ZDF im Bereich der Online-Medien aus. Eine gemeinsame Mediathek der beiden Sender, in der einfach nur alle Inhalte zusammengeführt werden, reiche nicht aus. Es müsse eine gemeinsame Plattform entwickelt werden, die auch für das Publikum und Drittanbieter aus Wissenschaft oder dem Kultursektor geöffnet werden sollte. Dies könne zu einer Demokratisierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und zu einer Erhöhung seiner Akzeptanz beim Publikum beitragen. Somit könnten die Öffentlich-Rechtlichen auch ihrem Auftrag, einen Beitrag zur Meinungsbildung zu leisten, besser gerecht werden.
Der Rechtswissenschaftler Hubertus Gersdorf von der Universität Leipzig warnte hingegen vor einer Flexibilisierung des Auftrages des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Der Staat könne den Sendern an dieser Stelle nicht freie Hand lassen. Gemäß der Urteile des Bundesverfassungsgerichtes sei der öffentlich-rechtliche Rundfunk gemäß seines Auftrages zu finanzieren. Eine Änderung beim Auftrag würde damit gleichzeitig Fragen der Finanzierung aufwerfen. Dies würde zu einem System der Selbstbedienung führen. Die Grundrechte der Beitragszahler seien aber zu schützen. Es müsse eine Kontrollinstanz eingeführt werden, um über die Belange der Öffentlich-Rechtlichen zu entscheiden. Diese Aufgabe könnten die Landesmedienanstalten übernehmen, führte Gersdorf aus. Er warnte zugleich davor, dass eine Flexibilisierung des Auftrages durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht führen könnten.
Als Vertreter der Bundesländer, in deren Kompetenz der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland liegt, sprachen sich die Bevollmächtigte des Landes Rheinland-Pfalz beim Bund und für Europa und Medien, Staatssekretärin Heike Raab, und der sächsische Staatsminister für Bundesangelegenheiten und Medien, Oliver Schenk, für das System eines gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus. Sie wiesen zudem den Vorwurf der Reformunwilligkeit zurück. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk unterliege ständigen Reformen, zuletzt durch den dritten Medienänderungsstaatsvertrag, sagte Raab. Dieser müsse allerdings noch von allen 16 Bundesländern ratifiziert werden. Raab und Schenk betonten übereinstimmend, dass die Sendeanstalten wieder verstärkt alle Menschen in ihrem Programm berücksichtigen müssen. Dies gelte vor allem für die Generation unter 30 Jahren.