Ausschuss stimmt für das Bürgergeld
Berlin: (hib/CHE) Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat am Mittwochvormittag dem Gesetzentwurf (20/3873) der Bundesregierung für die Einführung eines Bürgergeldes zugestimmt. Nach vielen Diskussionen und Kritik insbesondere von der Unionsfraktion wurde der Entwurf durch die Koalitionsfraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP in einigen Punkten verändert. Zugestimmt haben schließlich die Koalitionsfraktionen, während die Unionsfraktion und die AfD-Fraktion dagegen stimmten und sich Die Linke enthielt. Zahlreiche weitere Anträge von Linken und AfD zu diesem Themenkomplex (20/3943; 20/3901; 20/4053 und 20/4055), in denen unter anderem eine Neuberechnung der Regelsätze (Linke) und die Einführung von Bürgerarbeit (AfD) gefordert wurden, fanden keine Mehrheit im Ausschuss. Die Union hatte eine gesonderte Abstimmung zur Frage der Regelsatzerhöhung verlangt, dem sich die übrigen Fraktionen anschlossen.
Mit ihrem Bürgergeld-Gesetz, nach Koalitionsaussagen die größte sozialpolitische Reform seit vielen Jahren, möchte die Ampel-Regierung von SPD. Grünen und FDP „Hartz IV hinter sich lassen“. Geplant sind unter anderem eine „Kooperation auf Augenhöhe“ zwischen Arbeitssuchenden und Jobcenter-Mitarbeitern, die Einführung einer zweijährigen Karenzzeit, in der das Vermögen und die Angemessenheit der Wohnung nicht überprüft werden, die Stärkung von Weiterbildung durch finanzielle Anreize. Außerdem soll der Soziale Arbeitsmarkt verstetigt und Sanktionen deutlich abgemildert werden. Die monatlichen Regelleistungen werden um einen Inflationsausgleich deutlich angehoben. Abgeschafft werden soll auch der „Vermittlungsvorrang in Arbeit“. Stattdessen sollen Geringqualifizierte auf dem Weg zu einer abgeschlossenen Berufsausbildung unterstützt werden, um ihnen den Zugang zum Fachkräftearbeitsmarkt zu öffnen. Eine umfassende Betreuung soll jenen Leistungsberechtigten helfen, „die aufgrund vielfältiger individueller Probleme besondere Schwierigkeiten haben, Arbeit aufzunehmen“.
Geändert wurden unter anderem Regelungen zur Erstattung der Heizkosten während der Karenzzeit von zwei Jahren zu Beginn des Bürgergeldbezugs: Diese werden nun nicht mehr in tatsächlicher, sondern nur in angemessener Höhe anerkannt. Künftig sollen Leistungsberechtigte nicht mehr nur über eine einfache Erklärung bestätigen, dass ihr Vermögen die Grenzwerte für das Schonvermögen nicht überschreitet, es ist eine Selbstauskunft nötig. Das begleitende Coaching für langzeitarbeitslose Menschen nach Start einer Arbeitsaufnahme wird auf neun Monate erweitert und auf junge Menschen, die eine Ausbildung beginnen, ausgeweitet. Die Hinzuverdienstregeln für Schüler und Studierende werden angepasst: Bis zu drei Monate nach Schulabschluss sollen die großzügigeren Regeln für Minijob-Verdienste nun gelten, außerdem werden die Freibeträge dynamisiert. Von den Änderungen beim Vermittlungsvorrang sollen nicht nur berufsbezogene Weiterbildungen, sondern berufliche Weiterbildungen allgemein betroffen sein. Die Koalitionsfraktionen hatten über den Änderungsantrag hinaus in zahlreichen Protokollerklärungen Formulierungen für Nachbesserungen bei Durchführungsfragen an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales formuliert.
In der Debatte betonte die Union, dass sie an ihrer Kritik hinsichtlich der Erleichterungen während der Karenzzeit zu Schonvermögen und Mitwirkungspflichten festhalte. Die Koalition hebele das Prinzip des Forderns aus und verbessere das Fördern nicht, denn ohne zusätzliche Mittel für die Jobcenter werde die Koalition die ambitionierten Ziele des Gesetzes nicht umsetzen können. Auch Die Linke verwies auf die Einsparungen bei den Mitteln für Eingliederungsleistungen und fragte, wie sich angesichts dessen das Weiterbildungsversprechen der Ampel-Koalition umsetzen lassen solle. Das Bürgergeld schütze wie Hartz IV nicht vor Armut, kritisierte die Fraktion. Die AfD-Fraktion nannte das Bürgergeld eine „historische Fehlleistung“, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Deutschlands nachhaltig schädige. Die Regierung hebele damit das gesellschaftliche Grundprinzip des Gebens und Nehmens aus.
Die Koalitionsfraktionen verteidigten das Bürgergeld und warfen insbesondere der Unionsfraktion vor, in den vergangenen Wochen Unwahrheiten über das Gesetz verbreitet zu haben. Weder lohne sich Arbeit künftig nicht mehr noch handele es sich um ein bedingungsloses Grundeinkommen. Die Regelungen zum Schonvermögen während der Karenzzeit seien schlicht eine Frage des Respekts vor der Lebensleistung, und auch die Mitwirkungspflichten blieben bestehen. Es gehe nicht um eine „neue Lässigkeit“, sondern um eine nachhaltige Integration in den Arbeitsmarkt, hieß es aus den Fraktionen.