Unterstützung von Entwicklungsländern bei Klimaschäden
Berlin: (hib/VOM) Wie die von der Klimakrise am stärksten betroffenen Regionen dabei unterstützt werden können, klimabedingte Schäden und Verluste zu bewältigen, hat den Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung am Mittwoch in einer öffentlichen Anhörung beschäftigt. Im Mittelpunkt standen dabei die Bewertung des Instruments der Klimarisikoversicherungen und die Einrichtung eines multilateralen Finanzierungsinstruments („Loss and Damage Finance Facility“).
Sabine Minninger, Referentin für Klimapolitik bei „Brot für die Welt“, sagte, bisher hätten die Verursacher der Klimakrise die Kompensationsansprüche der ärmsten und am meisten vom Klimawandel betroffenen Länder erfolgreich „wegverhandeln“ können. Minninger unterstützte die Forderung nach einer Finanzfazilität, die mit zusätzlichen Mitteln neben der Klima- und der Entwicklungsfinanzierung aufgefüllt werden müsse. Klimaschäden seien viermal so teuer wie eine angemessene Anpassungsfinanzierung, die Ausgaben dafür würden die anderen Finanztöpfe „kannibalisieren“, sagte die Klimareferentin. Daher sei auch eine umfassende Entschuldung erforderlich.
Klimarisikoversicherungen sind aus Minningers Sicht ein Instrument, um auf Klimaschäden zu reagieren. Sie würden helfen, damit Staaten „schnell wieder auf die Beine kommen“. Sie funktionierten nicht bei allen Klimaschäden und seien auch keine Antwort auf die Klimagerechtigkeit, weil die Staaten, die den Klimawandel nicht verursacht haben, die Prämien selber bezahlen müssten. Fair wäre, so Minninger, wenn alle Verursacher der Klimakrise für die Schäden aufkommen müssten. Der Absicherungsbedarf schwanke zwischen 280 Milliarden und 500 Milliarden US-Dollar.
Im Weltklimaabkommen von Paris hätten sich die Industriestaaten 2015 verpflichtet, ab 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar für Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen fließen zu lassen, doch seien bis jetzt nur 83 Milliarden US-Dollar zusammengekommen: „Wir haben hier eine erhebliche Finanzierungslücke.“ Für Verluste und Schäden sei gar nichts vorgesehen gewesen, Frauen und Kinder seien ungenügend abgesichert. Zwei Drittel der bereitgestellten Klimafinanzierung seien Kredite, die wieder zurückgezahlt werden müssten. Die Industriestaaten sind Minninger zufolge die „Hauptblockierer“ bei der Verlust- und Schadensfinanzierung, weil sie Regressansprüche fürchteten und nicht zahlen wollten.
Für Astrid Zwick, Leiterin des Sekretariats InsuResilience bei der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), sind Klimaversicherungen ein Teil des Risikomanagements. Länder, die eine besonders hohe „Versicherungsdurchdringung“ hätten, kämen sehr viel schneller zum normalen Zustand zurück und könnten mit der Auszahlung sogar noch ihre Wirtschaft ankurbeln. Bei einkommensschwachen Ländern werde hingegen das gesamte Geld für die Katastrophenbearbeitung benötigt. Staaten, die solche Versicherungen abschließen, legten vorab Notfallpläne vor, in denen Prozesse und Verantwortlichkeiten und die Zahlungsempfänger genau definiert sind. Es gebe auch Lösungsansätze, die an soziale Sicherungssysteme gekoppelt sind, sodass besonders die arme und vulnerable Bevölkerungsgruppe profitieren könne.
Die Schäden hätten sich seit den 1990er Jahren vervierfacht, sagte Zwick. Mit weiteren Schäden durch den Klimawandel sei zu rechnen. Der von der Bundesregierung beim G7-Treffen im Sommer vorgeschlagene globale Schutzschirm gegen Klimarisiken ziele darauf ab, in den betroffenen Ländern mit den lokalen Verantwortlichen eine ganzheitliche Strategie zu entwickeln, um bedarfsgerecht und zielorientiert Lösungen zu priorisieren, die am effizientesten und effektivsten wirken können, sagte Zwick.
Tasneem Essop, geschäftsführende Direktorin des Climate Action Network, eines Dachverbandes von mehr 1.500 umweltpolitischen Nichtregierungsorganisationen aus mehr als 130 Ländern, nannte Bedingungen für die Finanzierung von klimabedingten Schäden und Verlusten. So müssten Dringlichkeit und Ausmaß der Finanzierung geklärt werden, sie müsse vorhersehbar sein und an Kriterien gebunden, um Gerechtigkeit sicherzustellen. Die am meisten von den Schäden Betroffenen seien die am wenigsten dafür Verantwortlichen. Auch müsse die Finanzierung in multilateralem Rahmen stattfinden. Skeptisch äußerte sie sich gegenüber dem globalen Schutzschirm der G7, der eine Geber-Initiative sei. Essop plädierte für eine Finanzierung dieser Initiative über den Weltklimarat UNFCCC, „damit das Ganze in eine multilaterale Institution fließen kann“. Versicherungsmechanismen hätten ihre Grenzen und die G7 hätten keine gute „Umsetzungbilanz“, sagte Essop. Sie appellierte an Deutschland, bei der bevorstehenden Weltklimakonferenz COP27 in Ägypten einer Einigung über eine Finanzierungsfazilität nicht im Wege zu stehen.
Auch Maxime Souvignet, Leiter des Analyseteams des „UN University Institute for Environment and Human Security“ in Bonn, drang auf eine baldige Lösung der Finanzierungsfrage. Für ihn eröffnet der globale Schutzschirm hingegen Lösungen, weil er auf bestehenden Strukturen aufbaue und die Finanzierung gut koordiniert werden könnte. Allerdings sollte er nicht „gebergetrieben“ sein. Die Finanzfazilität sollte innerhalb des UN-Systems, der globale Schutzschirm außerhalb dieses Systems funktionieren. Optimal wäre, wenn dem globalen Schutzschirm die Türen des UNFCCC offen stünden, so Souvignet.
Gina Cortés Valderrama, Gender & Climate Policy Manager bei Women Engage for a Common Future, plädierte für die Einhaltung des Verursacherprinzips und die Nutzung neuer und zusätzlicher Ressourcen bei der COP27. Es gehe nicht um humanitäre Hilfe oder Entwicklungshilfe, sondern um Wiedergutmachungen und Entschädigungen. „Wir brauchen eine feministische Perspektive, echte Innovation, wir müssen die Macht anders und neu verteilen“, sagte Cortés Valerrama. Vor allem den Ländern, die Fortschritte machen möchten, müssten Schulden erlassen werden.
Dem Physiker Peter Vögele zufolge haben Kohlendioxid und Verbrennung keinen Einfluss auf das Klima. Wesentliche Probleme der Entwicklungsländer seien „Bevölkerungsexplosion“ und damit verbunden Hunger, Krankheit, Bürgerkriege, ethnische Konflikte und Korruption. Motive für Entwicklungshilfe können aus seiner Sicht nur humanitäre Hilfe und wirtschaftliche Zusammenarbeit unter Berücksichtigung der eigenen nationalen Interessen sein.