Experten warnen vor Überregulierung bei Medizinprodukten
Berlin: (hib/PK) Fachleute aus der Gesundheitswirtschaft warnen vor einer Überregulierung der Medizinproduktebranche. Die Unternehmen der Medizintechnologie seien mit der aufwendigen Neuzertifizierung ihrer Produkte in der EU unter Druck geraten, erklärten die Experten in einer Anhörung des Gesundheitsausschusses über einen Antrag der Unionsfraktion (20/9735) zu dem Thema. Die Sachverständigen äußerten sich in der Anhörung am Mittwoch und in schriftlichen Stellungnahmen.
Die Unionsfraktion fordert eine nachhaltige Stärkung der Gesundheitswirtschaft. Seit Jahren bereite sich die Branche auf die EU-Verordnung 2017/745 Medical Device Regulation (MDR) vor. Die Kosten der Umsetzung würden auf sieben bis zehn Milliarden Euro geschätzt. Eines der Hauptprobleme seien die Kapazitätsengpässe bei den sogenannten Benannten Stellen, die im Rahmen des Konformitätsbewertungsverfahrens zwingend einzubinden seien.
Der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) erklärte, die schleppende Implementierung der MDR berge ein hohes Risiko, dass bewährte Bestandsprodukte für die Versorgung verloren gingen. Der Verband forderte eine Verringerung des bürokratischen Aufwands, mehr Effizienz, beschleunigte Verfahren für Innovationen sowie Spezialverfahren für selten angewandte Produkte (Orphan Devices). Eine Sprecherin des Verbandes beklagte in der Anhörung, es gebe zu viele Akteure und Verantwortlichkeiten, zu viel Redundanz. Sie forderte eine Weiterentwicklung der MDR, um strukturelle Probleme zu lösen.
Die Einzelsachverständige Nicola Osypka betonte in der Anhörung, Innovationen würden von Mittelständlern entwickelt. Sie warnte vor den Folgen einer Überregulierung in der Medizintechnik. Es sei schon viel kaputt gegangen, viele Produkte seien nicht mehr verfügbar.
Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) wies darauf hin, dass die MDR dem Ziel diene, die Patientensicherheit zu verbessern. Was die Medizinprodukte betreffe, sei aktuell kein systemisch bedingter Versorgungsengpass feststellbar. Das gegenwärtige Hauptproblem sei der „Zertifizierungstau“ von Bestandsmedizinprodukten, der während der Corona-Pandemie begonnen habe. Es seien inzwischen Lösungen gefunden worden, um den Zertifizierungsstau abzubauen und den Unternehmen mehr Zeit für die Umstellung zu geben.
Ein Vertreter des TÜV Süd bestätigte in der Anhörung, dass mit der Verlängerung der Fristen in der MDR die Engpass-Problematik nicht mehr gegeben sei. Die Benannten Stellen könnten alle Anträge in der Frist bis 2027/2028 bearbeiten.
Das Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS) benannte als „ordnungspolitische Leitplanke“ für Medizinprodukte „maximale Patientensicherheit und nicht Gewinnmaximierung“. Die Reduktion der Qualitätssicherung könne nicht die geeignete Antwort auf Wettbewerbsprobleme innerhalb des nationalen und internationalen Gesundheitsmarktes sein.