Abschließende Beratungen ohne Aussprache
Ohne Aussprache hat der Bundestag am Donnerstag, 13. Juni 2024, über eine Reihe von Vorlagen entschieden:
Einsprüche gegen die Wiederholungswahl in Berlin: Der Bundestag hat die sechste Beschlussempfehlung des Wahlprüfungsausschusses zu Einsprüchen angenommen, die die ordnungsgemäße Zusammensetzung des 20. Deutschen Bundestages betreffen, sowie zu Einsprüchen gegen die teilweise Wiederholungswahl zum 20. Deutschen Bundestag am 11. Februar 2024 in Berlin (20/11300). Der Wahlprüfungsausschuss hatte empfohlen, neun Einsprüche wegen Unzulässigkeit beziehungsweise wegen Unbegründetheit zurückzuweisen.
„Square Kilometre Array“-Observatorium: Auf Grundlage einer Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (20/11212) hat der Bundestag einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Übereinkommen vom 12. März 2019 zur Gründung des „Square Kilometre Array“-Observatoriums (20/10248) einstimmig angenommen. Deutschland will Vollmitglied werden beim „Square Kilometre Array“-Observatorium. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zielt darauf ab, den Beitritt zu ratifizieren. Nach Inbetriebnahme werde das „Square Kilometre Array“-Observatorium das weltweit größte und empfindlichste Radioteleskop sein, schreibt die Regierung. Die Gründungsmitglieder hätten am 12. März 2019 in Rom das Übereinkommen zur Gründung des „Square Kilometre Array“-Observatoriums unterzeichnet. Der Hauptsitz der internationalen Organisation ist in Großbritannien. Vollmitglieder sind gegenwärtig Australien, China, Italien, die Niederlande, Portugal, die Schweiz, Südafrika, Spanien und Großbritannien. Deutschland hat als künftige Vertragspartei zurzeit neben Frankreich, Indien, Kanada und Schweden einen Beobachterstatus. Die Bundesrepublik ist wissenschaftlich über die Max-Planck-Gesellschaft sowie im Rahmen der Projektförderung durch verschiedene deutsche Hochschulgruppen dort vertreten. Der Beitritt sei beantragt worden, so die Regierung, um als stimmberechtigtes Vollmitglied in den Gremien des „Square Kilometre Array“–Observatoriums abstimmen zu können sowie um die Position der deutschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vor Ort zu stärken. Das Projekt wird in Südafrika (Mittefrequenz) und Australien (Niederfrequenz) gebaut und soll 2028 in Betrieb genommen werden.
Übersterblichkeit: Gegen das Votum der Antragsteller hat das Parlament einen Antrag der AfD-Fraktion mit dem Titel „Übersterblichkeit untersuchen – Ursachen aufklären“ (20/7463) auf Grundlage einer Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses (20/11726) abgelehnt. Die Abgeordneten forderten, die zuständigen Bundesoberbehörden anzuweisen, die statistischen Berechnungen zur Übersterblichkeit seit 2020 unter Berücksichtigung der Lebenserwartung und Altersstruktur der Bevölkerung zu überprüfen. Auch sollten Regelungen geschaffen werden, nach denen bei Todesfällen, die in einem ursächlichen oder zeitlichen Zusammenhang mit einer Covid-19-Diagnose oder einer Covid-19-Impfung stehen, Obduktionen durchzuführen sind, um zur Ursachenforschung festgestellter Übersterblichkeiten herangezogen zu werden.
Infektionsschutzgesetz: Auch einen Antrag der AfD-Fraktion mit dem Titel „Umsetzung des § 13 Absatz 5 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes“ (20/10733) wies das Parlament auf Grundlage einer Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses (20/11726) mit den Stimmen aller übrigen Fraktionen zurück. Die AfD forderte darin eine vollständige Umsetzung der im Infektionsschutzgesetz (IfSG) dargelegten Informations- und Auswertungspflichten von Daten. Die Übertragung von Informationen gemäß Paragraf 13 Absatz 5 IfSG und die Analyse der Daten durch das Robert-Koch-Institut (RKI) und das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) spielten eine entscheidende Rolle in Bezug auf die Überwachung der Impfungen und Nebenwirkungen der Covid-19-Impfstoffe. Ziel sei die bessere Beurteilung von Impfkomplikationen. Ferner solle mit den Daten untersucht werden, ob gesundheitliche Schädigungen oder Erkrankungen bei geimpften Personen in einem zeitlichen Zusammenhang mit Impfungen häufiger vorkommen als bei ungeimpften Personen. Der Aufbau der Infrastruktur für den Datentransfer an das PEI sei aber noch nicht abgeschlossen. Daher könnten die Daten nicht übermittelt werden. Die Abgeordneten forderten in dem Antrag, bei RKI und PEI die technischen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass eine vollständige Umsetzung des geltenden Rechts nach Paragraf 13 Absatz 5 des IfSG gewährleistet wird.
Einsetzung einer Corona-Enquete: Darüber hinaus lehnte der Bundestag auf Grundlage einer Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses (20/11726) einen weiteren Antrag der AfD-Fraktion mit dem Titel „Einsetzung einer Enquete-Kommission 'Coronavirus – Fehleranalyse und Entwicklung besserer Handlungsansätze für künftige Pandemien'“ (20/11137) gegen das Votum der Antragsteller ab. Durch Änderungen im Infektionsschutzgesetz (IfSG) seien dem Staat weitgehende Handlungsmöglichkeiten eingeräumt worden, schreibt die Fraktion, viele Maßnahmen seien während der Pandemie von Bürgern und Experten als unverhältnismäßig kritisiert worden. Daher sollte nach Meinung der Fraktion eine Enquete-Kommission zu verschiedenen Themenbereichen mögliche Konfliktpotenziale bei künftigen Pandemien analysieren, um in der Zukunft angemessen reagieren zu können. Die Kommission solle insbesondere die Bestimmungen des IfSG im Verhältnis zu den Grundrechten prüfen. Nötig sei auch eine Aufarbeitung der Rolle relevanter Akteure.
EU-Praktikumsrichtlinie: Der Bundestag lehnte einen Antrag der AfD-Fraktion (20/11628) zu dem Vorschlag für eine EU-Richtlinie zur Verbesserung und Durchsetzung der Arbeitsbedingungen von Praktikanten und zur Bekämpfung von Scheinpraktika („Praktikumsrichtlinie“, Ratsdokument 8148 / 24) ab. Beantragt wurde eine begründete Stellungnahme des Bundestages im Hinblick auf die Prüfung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit nach dem Vertrag von Lissabon. Dazu hatte der Ausschuss für Arbeit und Soziales eine Beschlussempfehlung (20/11801) vorgelegt. Im Einzelnen wurde der Bundestag im Antrag aufgefordert, eine Entschließung anzunehmen, mit der er die Verletzung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit in Bezug auf diese Richtlinie rügt. Ein möglicher zukünftiger Qualitätsrahmen für Praktika darf nach Ansicht der AfD nicht dazu führen, dass für die Unternehmen unverhältnismäßige bürokratische Hürden entstehen. Gegen die Vorlage votierten alle übrigen Fraktionen
Petitionen: Das Parlament nahm darüber hinaus 17 Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses zu Petitionen an, die beim Bundestag eingegangen und vom Petitionsausschuss beraten worden waren. Es handelte sich um die Sammelübersichten 586 bis 602 (20/11686, 20/11687, 20/11688, 20/11689, 20/11690. 20/11691, 20/11692, 20/11693, 20/11694, 20/11695, 20/11696, 20/11697, 20/11698, 20/11699, 20/11700, 20/11701, 20/11702).
Regelbedarfsberechnung ohne „verdeckte Arme“ gefordert
Darunter befand sich auch eine Petition mit der Forderung, „verdeckte Arme“ bei der Berechnung der Regelbedarfe zur Sicherung des Lebensunterhalts auszuschließen. Als „verdeckte Arme“ würden Haushalte bezeichnet, die keine Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) oder nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) erhielten, „obwohl sie Anspruch darauf hätten“, heißt es in der öffentlichen Petition (ID 77302). Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe in einem Urteil im Jahr 2010 darauf hingewiesen, dass die Berücksichtigung „verdeckter Armer“ die Regelbedarfsberechnung verfälschen würde.
Der Gesetzgeber sei laut BVerfG bei der Auswertung künftiger Einkommens- und Verbrauchsstichproben (EVS) dazu verpflichtet, darauf zu achten, dass „verdeckte Arme“ aus der Referenzgruppe ausscheiden. Bei der Ermittlung der Regelbedarfe auf Basis der EVS würde die Gruppe jedoch „nach wie vor nicht aus den Referenzhaushalten ausgeschlossen“. Um „verdeckte Arme“ bei der Berechnung auszuschließen, könnte aus Sicht des Petenten ein Verfahren gewählt werden „wie in der strengen Variante des wissenschaftlichen Gutachtens des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB)“. Die Berechnung des Anteils der „verdeckten Armen“ sei zwar sicherlich mit Fehlern behaftet, räumt er ein. Jedoch werde bei der derzeitigen Berechnung der Regelbedarfe davon ausgegangen, dass diese Haushalte nicht existierten. Dies sei mit Sicherheit falsch.
Material für das Arbeits- und Sozialministerium
Die in der Sitzung des Petitionsausschusses am 5. Juni verabschiedete Beschlussempfehlung an den Bundestag sieht nun vor, die Petition dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales „als Material“ zu überweisen, „soweit es um die Berechnungsgrundlage von Regelbedarfen geht“ sowie das Petitionsverfahren „im Übrigen abzuschließen“.
Den Verfahrensgrundsätzen des Petitionsausschusses zufolge bedeutet dies, dass die Bundesregierung die Petition – mit der erwähnten Einschränkung – „in die Vorbereitung von Gesetzentwürfen, Verordnungen oder anderen Initiativen oder Untersuchungen einbeziehen soll“.
Modellrechnungen des IAB „ausgesprochen ungenau“
In der Begründung zu seiner Beschlussempfehlung verweist der Petitionsausschuss auf eine durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales beim IAB in Auftrag gegebene Simulationsrechnung, die die „verdeckt Armen“ auf Basis der EVS identifizieren sollte. Die durchgeführten Modellrechnungen hätten sich aber aufgrund der notwendigen Setzungen von Annahmen und Modifikationen als ausgesprochen ungenau erwiesen, heißt es.
Die simulierten „verdeckten Armen“ hätten außerdem ein kaum anderes Konsumniveau als die übrigen Haushalte der Referenzgruppen. „Entgegen der Befürchtung des BVerfG verzerren diese Haushalte den regelbedarfsrelevanten Konsum daher nicht“, schreibt der Petitionsausschuss. Soweit es um die Berechnungsgrundlage von Regelbedarfen geht, halten die Abgeordneten die Petition gleichwohl für geeignet, um in die weiteren Überlegungen und Diskussionen einbezogen zu werden. (hau/vom/13.06.2024)