Sachverständige: Suffizienz als zentrales Nachhaltigkeitsprinzip anerkennen
Zeit:
Mittwoch, 10. April 2024,
17.20 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal E 700
Suffizienz muss als ein zentrales Nachhaltigkeitsprinzip im Verbund mit Konsistenz, Permanenz und Effizienz anerkannt werden. Das forderten die zu einem öffentlichen Fachgespräch des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung am Mittwoch, 10. April 2024, geladenen Sachverständigen. Das Ökumenische Netzwerk Klimagerechtigkeit fordere in einem Positionspapier, die Umsetzung von Suffizienz, ihre Chancen und Risiken, intensiv in einer Enquete-Kommission des Bundestages zu erörtern, sagte Jörg Göpfert von der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt.
Politische Rahmenbedingungen gefordert
Astrid Hake, Koordinatorin beim Ökumenischen Netzwerk Klimagerechtigkeit, kritisierte, dass Suffizienz, die vom Sachverständigenrat für Umweltfragen als „Strategie des Genug“ bezeichnet werde, als drittes zentrales Nachhaltigkeitsprinzip kaum Beachtung finde. Obgleich die ökologischen Krisen „weltweit mit besorgniserregender Geschwindigkeit voranschreiten“, wie Hake sagte. Suffizienz, so machte Hake unter Bezugnahme auf eine Definition des Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt und Energie deutlich, sei eine Strategie zur Reduktion von Konsum- und Produktionsniveaus durch die Veränderung von sozialen Praktiken, „mit dem Ziel, die planetaren Grenzen einzuhalten und allen Menschen die Befriedigung ihrer Bedürfnisse zu ermöglichen“.
Vor allem das Konsumverhalten und Unternehmenspraktiken seien Treiber der Klima- und Ressourcenkrise. Es seien also politische Rahmenbedingungen erforderlich, um den absoluten Energie- und Ressourcenverbrauch zu verringern und damit Klimakrise und Artensterben zu stoppen, betonte Hake. Die Nachhaltigkeitsziele ließen sich nicht allein durch technologische Innovationen erreichen. Der Weltklimarat habe daher Suffizienz als entscheidende Strategie zur Erreichung der Klimaziele anerkannt.
Um eine Suffizienzstrategie mit überprüfbaren Zielen für die Reduktion des Energie- und Ressourcenverbrauchs als Bestandteil der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie zu entwickeln, rief Jörg Göpfert dazu auf, einen siebten Transformationsbereich einzuführen, „der diesem Thema explizit gewidmet ist“. Ziel sei eine Rahmensetzung, damit der Rohstoff- und Energieverbrauch in Deutschland insgesamt verringert werde. Wichtig sei auch eine Abstimmung mit den anderen Transformationsbereichen. Außerdem sollte laut Göpfert der Suffizienzeffekt in die Nachhaltigkeitsprüfung von Gesetzen einbezogen werden.
Kritik an umweltschädlichen Subventionen
Teil einer Suffizienzpolitik müsse die Abschaffung umweltschädlicher Subventionen sein, verlangte Carina Zell-Ziegler vom Öko-Institut. Damit könne eine Preistransparenz für die ökologischen Schäden geschaffen werden, die mit dem Konsum einhergehen.
Viele CO2-Emmissionen entstünden durch den Konsum von Luxusgütern, sagte Zell-Ziegler. „Man könnte beispielsweise Zweit- oder Drittwohnungen viel stärker besteuern und eine Vielfliegerabgabe einführen“, schlug sie vor. Eine „Anti-Suffizienz Maßnahme“ sei hingegen der Mengenrabatt bei einer höheren Stromabnahme.
„Bei jungen Menschen gelebte Alltagsrealität“
Bei jungen Menschen, so sagte Isabel Rutkowski vom Bund der katholischen Jugend, sei Suffizienz „gelebte Alltagsrealität“. Viele würden mit dem Fahrrad fahren und den ÖPNV nutzen, anstatt sich ein eigenes Auto zu kaufen. Auf vegetarische und vegane Ernährung werde umgestellt, „weil uns sowohl Tierwohl als auch das Klima wichtig sind“.
Es müssten nun die politischen Weichen dafür gestellt werden, dass ein solches Verhalten noch attraktiver werde und auch für diejenigen möglich ist, „die nicht in Reichtum geboren wurden“, sagte Rutkowski. (hau/10.04.2024)