Vorschlag für ein Kinderzukunftsprogramm beraten
Kindergrundsicherung versus Kinderzukunftsgeld: Dahinter verbergen sich zwei unterschiedliche Konzepte, mit denen zum einen die Ampel-Koalition (Grundsicherung) und zum anderen die Unionsfraktion des Bundestages (Zukunftsgeld) die Chancen von Kindern in diesem Land verbessern wollen. Auf der Tagesordnung des Bundestages am Donnerstag, 21. September 2023, stand zwar nur der entsprechende Antrag (20/8399) von CDU/CSU für ein 10-Punkte-Kinderzukunftsprogramm. Aber da dies unschwer als Gegenkonzept zur von der Bundesregierung auf den Weg gebrachten Kindergrundsicherung zu verstehen ist, ging es in der Debatte doch sehr stark auch um deren Pro und Kontra. Die Regierungsfraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP lehnten dabei das Unionskonzept als zu kurz gedacht ab, um Kinderarmut zu bekämpfen und damit Kinderchancen zu erhöhen. Für die Union wiederum bedeutet die Kindergrundsicherung der Ampel vor allem ein Gießkannenprinzip, teuer und ungeeignet für mehr Chancengerechtigkeit.
Antrag der Union
Die Unionsfraktion fordert in ihrem Antrag konkret ein umfassendes Maßnahmenpaket, um die Chancen von Kindern und deren Lebensbedingungen zu verbessern. Sie schreibt darin: „Kinder sollen unabhängig vom Geldbeutel und Bildungshintergrund ihrer Eltern oder der Zuwanderungsgeschichte ihrer Familie gerechte Chancen in unserer Gesellschaft erhalten. Wir setzen uns dafür ein, ihnen ein Umfeld zu schaffen, indem sie die Möglichkeit haben, ihr volles Potenzial zu entfalten – in erster Linie durch ein gut funktionierendes, ineinandergreifendes Bildungs- und Betreuungssystem.“
Die Union verweist weiter auf alarmierende Ergebnisse aktueller Bildungsstudien, die immer noch einen deutlichen Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungsweg belegten. Außerdem hätten aktuelle Preisentwicklungen dazu beigetragen, Erfolge bei der Armutsbekämpfung wieder zunichte zu machen. Die Bundesregierung habe darauf bisher keine adäquaten Antworten gefunden, so der Vorwurf der Abgeordneten.
Kindergeld und Kinderzukunftsgeld
Sie fordern deshalb unter anderem eine Stärkung der Frühen Hilfen, damit Familien frühzeitig Zugang zum Hilfesystem und passgenaue Unterstützung lokaler Anbieter erhalten. Die Zahl von Familien steige, die Unterstützung benötigten, so die Union. Außerdem verlangt die Fraktion die Einführung einer bundesweit einheitlichen Diagnostik des Entwicklungsstands von Kindern, die Einführung einer verpflichtenden Vorschulförderung bei Förderbedarf und eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Kita und Grundschule.
Als Reaktion auf die von der Ampel-Regierung beschlossene Kindergrundsicherung macht sich auch die Unionsfraktion für eine andere finanzielle Unterstützung von Familien durch Kindergeld und Kinderzukunftsgeld stark: „Der Begriff des Kindergeldes und seine Ausgestaltung als Familienleistung sollen erhalten und die Leistung fortlaufend bedarfsgerecht angepasst werden. Die familienpolitischen Leistungen, die Kinder vor einer Armutsgefährdung schützen, sollen dagegen zu einem 'Kinderzukunftsgeld' gebündelt werden. Zum Kinderzukunftsgeld gehören der Kinderzuschlag und Leistungen für Bildung und Teilhabe nach dem Sozialgesetzbuch II (Teilhabebetrag). Für Kinder, deren Familie Bürgergeld bezieht, sind Regelsatz und der Teilhabebetrag ebenfalls zusammenzuführen.“
CDU/CSU: Für zielgerichtete Leistungen
Silvia Breher (CDU/CSU) kritisierte die Kindergrundsicherung scharf. Diese sei keine Antwort auf Kinderarmut, sondern bedeute vor allem 500 Millionen Euro teure neue Verwaltungsaufgaben für die Bundesagentur für Arbeit und die Behörden der Länder. Dies auf den Weg zu bringen und gleichzeitig im Haushalt überall dort zu kürzen, wo es für Kinder wichtig wäre, sei „grundlegend falsch“.
Die Union habe ihren Antrag vorgelegt, weil „Bildung und soziale Infrastruktur, gekoppelt mit zielgerichteten finanziellen Leistungen die Schlüssel sind für bessere Chancen für unsere Kinder“.
SPD: Kinderrechte ins Grundgesetz
Anke Hennig (SPD) zeigte sich erfreut und verwundert, auf welche Weise sich die Union mit dem Antrag für Kinderrechte einsetze. Sie frage sich, ob sie versehentlich in einer Parallelwelt gelandet sei, in der die Union die treibende Kraft für soziale Gerechtigkeit und Kinderrechte ist.
Dass diese „plötzliche Fürsorge“ nicht so kurzlebig ist wie manche Wahlversprechen, könne die Union dadurch beweisen, dass sie zusammen mit der Ampel-Regierung endlich die Kinderrechte im Grundgesetz verankere, sagte Hennig.
AfD: Kritik an Migrationspolitik
Martin Reichardt (AfD) warf der Union vor, vergessen zu haben, dass sie in acht Bundesländern mitregiere und für vieles mitverantwortlich sei, das sie in ihrem Antrag anprangere. Aber nicht nur der Union, auch den Regierungsfraktionen warf er vor, sich für das „Kinderglück“ nicht wirklich zu interessieren, denn anders könne man es nicht verstehen, wenn gleichzeitig nichts gegen die „Massenmigration“ unternommen würde. Diese würde schließlich auch zu einer Überforderung der Bildungseinrichtungen führen, die hier vielfacht beklagt werde.
Bundesregierung: Es geht nicht um Geld oder Bildung. Es geht um beides.
Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen) gab zu, „neugierig“ auf den Antrag gewesen zu sein. Denn immerhin habe die Union nach 16 Jahren Regierungszeit einiges aufzuholen in punkto Kinderarmut. Aber schließlich habe sie die Vorlage dann doch enttäuscht, da sie nicht mehr sei als der zweite und dritte Aufguss einer Politik, die dafür gesorgt habe, dass heute jedes dritte Kind Angst um die finanzielle Lage der eigenen Familie hat.
„Es geht nicht um Geld oder Bildung“, wie es die Union suggeriere. „Wir brauchen beides. Und wir geben Kindern beides. Keine Bundesregierung hat so viel Geld für Kinder mobilisiert wie diese Bundesregierung“, betonte Paus.
Linke: Kindergrundsicherung müsste mehr kosten
In dieses Lob konnte Heidi Reichinnek (Die Linke) beim besten Willen nicht einstimmen. Die Kindergrundsicherung der Ampel mache alles nur noch komplizierter und helfe Kindern nicht aus der Armut. Dafür seien nämlich 20 Milliarden statt zwei Milliarden Euro nötig, das würden all jene Verbände und Experten fordern, die sich mit Kinderarmut auskennen.
Sie kritisierte eine Doppelmoral der Bundesregierung, warf aber auch der Union vor, zur Finanzierung ihres Maßnahmebündels zu schweigen: „Soll das jetzt alles ehrenamtlich laufen oder wie?“
FDP: Das meiste ist Sache der Länder
Gyde Jensen (FDP) betonte: „Wir alle wollen, dass jedes Kind seine Chance nutzen kann, ohne dass die eigene Herkunft den eigenen Träumen Grenzen setzt.“ Sie lobte den „Erkenntnisprozess“ der Union, der einen Applaus wert sei.
Dennoch sei der Antrag ein Luftschloss-Antrag, der nicht thematisiere, wie das Programm bezahlt werden solle. Außerdem adressierten die meisten Forderungen an die Länder und Kommunen. Dies könne die Union ja gerne mit ihren Länderkollegen besprechen.
Grüne: Wir haben alle Kinder im Blick
„Sie fordern uns auf, Dinge zu tun, die wir längst auf den Weg gebracht haben“, richtete sich Nina Stahr (Bündnis 90/Die Grünen) an die Union. Was aber der Union fehle, sei die zentrale Erkenntnis: „Es braucht beides. Ein gutes Bildungssystem und unterstützende Leistungen.“
Es gehe hier nicht um ein Entweder-Oder, wenn man Kinderarmut bekämpfen wolle. Das sei der große Unterschied zur Kindergrundsicherung: „Wir wollen eine Kindergrundsicherung für alle Kinder, während Sie die Kinder im Bürgergeld-Bezug außen vor lassen.“ (che/21.09.23)