Gegenseitiger Spracherwerb wichtig für die deutsch-französische Freundschaft
Der gegenseitige Spracherwerb ist für die weitere Entwicklung der deutsch-französischen Freundschaft von herausragender Bedeutung. Das stellen die Ministerpräsidentin des Saarlandes und zugleich Bevollmächtigte der Bundesrepublik Deutschland für die deutsch-französischen Bildungs- und Kulturbeziehungen, Anke Rehlinger (SPD), sowie der französische Minister für Bildung und Jugend, Gabriel Attal, am Montag, 4. Dezember 2023, während der zehnten Sitzung der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung (DFPV) in Bonn heraus. Bei der Befragung durch die Mitglieder der DFPV verwiesen Rehlinger und Attal auf die im Jahr 2022 verabschiedete „Strategien zur Förderung der Partnersprache“. Aus dem, was zu Papier gebracht wurde, müsse nun auch etwas gemacht werden, „was in der Realität stattfindet“, sagte Rehlinger.
Immer weniger Schüler lernen die andere Sprache
Die Anzahl der Schülerinnen und Schüler, die die jeweils andere Sprache lernen, sei sowohl in Deutschland als auch in Frankreich rückläufig, bestätigten die Bevollmächtigte Deutschlands für die deutsch-französischen Bildungs- und Kulturbeziehungen sowie der französische Bildungsminister. Rehlinger wies auf die „sehr heterogene Realität“ in Deutschland hin. So werde etwa in Mecklenburg-Vorpommern nur von zehn Prozent der Schülerinnen und Schüler Französisch als Fremdsprache gelernt. Im Saarland hingegen liege der Wert bei 50 Prozent. Dass, so Rehlinger, habe sicherlich auch mit der geografischen Lage zu tun. Gleichwohl müsse sich jeder in seinem Bundesland darum bemühen, „dass wir zumindest den Rückgang stoppen und künftig auch ein Mehr hinbekommen“.
Wichtig sei ihr, zu ergründen, was junge Menschen dazu bewegt oder davon abhält, die Sprache des Nachbarn zu lernen. Dann wisse man, welche Reize es zu setzen gilt. Das Erlangen von neuen persönlichen und beruflichen Perspektiven ist ihrer Auffassung nach ein Punkt, „den wir noch stärker und zielgerichteter ansteuern könnten“.
Deutsch-französische Schulpartnerschaften
In der besagten Strategie heißt es unter anderem: „Um Austausch und Mobilität in der deutsch-französischen Kooperation im Schulbereich zu fördern, ist es wünschenswert, dass möglichst viele deutsche Schulen eine Partnerschaft mit einer französischen Schule eingehen.“ Dem stimmte Rehlinger zu. Nach Corona habe das System gelitten, sagte sie. „Das sollten wir unbedingt wieder mit etwas mehr Leben erfüllen.“
Die Saarländische Ministerpräsidentin rief auch dazu auf, die einzelnen Schulformen in den Blick zu nehmen. „Wir sind noch einigermaßen gut in den Gymnasien, aber nicht in den anderen Schulformen und erst recht nicht in den Berufsschulen“, machte sie deutlich.
Attal: In Frankreich fehlt es an Deutschlehrern
Bildungsminister Attal sieht seine Aufgabe auch darin, das Interesse an doppelten Abschlüssen in den Schulen Frankreichs zu steigern, wie etwas das deutsch-französische Abitur (AbiBac). Sprachkenntnisse seien ein sehr wichtiges Instrument, um das gegenseitige Verständnis zu stärken. „Wir brauchen Begegnungsmöglichkeiten zwischen unseren Ländern, um die Kultur und die Sprache zu lernen“, sagte er. Das sei die allerhöchste Priorität, aber auch die größte Herausforderung im deutsch-französischen Verhältnis.
Attal räumte ein, dass die Entwicklung des Deutschunterrichts in Frankreich nicht gut sei, „und zwar schon seit mehreren Jahren“. Man müsse von einer besorgniserregenden Situation sprechen, zu der auch Corona beigetragen habe. Seit drei Jahren sei ein erheblicher Rückgang bei den Schülern an den weiterbildenden Schulen, die Deutsch lernen, festzustellen. Von 15,7 Prozent sei der Anteil auf 13,5 Prozent gesunken. Dem Minister zufolge ist das pädagogische Instrumentarium nicht zufriedenstellend. Es fehle sowohl an Sprachlehrern als auch an Sprachassistenten. Frei werdende Stellen könnten mangels Bewerber nicht nachbesetzt werden. Auf der anderen Seite fehle es aber auch an Schülerinnen und Schülern, die sich für die deutsche Sprache interessieren.
Ähnlich wie in Deutschland gibt es auch in Frankreich regional große Unterschiede beim Deutschlernen. Zwar gebe es ein Angebot an 75 Prozent aller Schulen. Im Süden Frankreichs sei das Angebot aber deutlich dünner. Sein Ziel sei es, die Zahl der Deutschlernenden bis 2030 um zehn Prozent zu steigern, sagte der Minister.
Rehlinger: Blick auf Thüringen lohnt sich
Wesentlicher Umsetzungsort für Änderung in Deutschland ist laut Ministerpräsidentin Rehlinger die Kultusministerkonferenz (KMK). Dort müssten Handlungsempfehlungen erarbeitet werden, „die dann ein stückweit eine bindende Wirkung für die Länder entwickeln können“. Das Ganze sei aber ein sehr partizipativer Prozess, bei dem die Kultusminister mitgenommen werden müssten.
Rehlinger ging nochmals auf die unterschiedlichen Zahlen in den Ländern, auch den an Frankreich angrenzenden, ein. So liege der Wert im Saarland bei den erwähnten 50 Prozent. In Baden-Württemberg würden 25 Prozent und in Rheinland-Pfalz 26 Prozent der Schülerinnen und Schüler Französisch lernen. Bemerkenswert für die ostdeutschen Länder sei Thüringen, wo der Wert bei 18,4 Prozent liege. Es sei daher lohnend, zu schauen, „was dort anders gemacht wird“, befand die Bevollmächtigte der Bundesrepublik Deutschland für die deutsch-französischen Bildungs- und Kulturbeziehungen.
Ihrer Ansicht nach müssen alle Wege intensiver werden, um den Menschen den Spracherwerb schmackhaft zu machen. Zwar müsse auch nochmals die historische Herleitung bemüht werden. Es dürfe aber kein reines bildungsbürgerliches Projekt bleiben. Daher sei es auch „nicht schändlich“, einen gewissen Nützlichkeitsgedanken hineinzubringen. Zu fragen, was hilft es mir bei meiner persönlichen und beruflichen Entwicklung, sei nicht falsch, sagte sie.
Gedenken an Opfer der Terrorattacke von Paris
Zu Beginn der Sitzung hatten die Präsidentinnen des Deutschen Bundestages, Bärbel Bas, und der Assemblée nationale, Yaël Braun-Pivet, den Angehörigen und Verletzten der Terrorattacke von Paris am vergangenen Wochenende gedacht. Bas sprach zudem mit Blick auf den Überfall der Hamas auf Israel von einer Zäsur, „die von uns allen eine klare Positionierung verlangt“. Deutschland habe eine historische Verantwortung gegenüber Israel. Der Staat habe das Recht, sich zu verteidigen. Bei ihren Gesprächen in Israel sei ihr gesagt worden, man verteidige Israel aber auch Deutschland vor dem islamistischen Terror. „Ich bin mir sicher, das Israel alles tut, um zivile Opfer soweit wie irgend möglich, zu vermeiden“, sagte Bas. Die Hamas hingegen missbrauche in Gaza die eigene Bevölkerung als menschliche Schutzschilde.
Für die Bundestagspräsidentin ist es ein „Gebot der Menschlichkeit, das Leid aller Seiten zu sehen“. Die humanitäre Lage in Gaza erfülle sie mit großer Sorge. „Es braucht eine Perspektive für die palästinensische Bevölkerung“, sagte sie. Dabei sei die internationale Gemeinschaft gefordert. Auch Frankreich und Deutschland müssten sich dabei eng abstimmen. (hau/04.12.2023)