Petitionen

Eingaben zur elektro­nischen Patientenakte und zum Elterngeld

Vorgesehene Änderungen bei der elektronischen Patientenakte (ePA) und die geplante neue Einkommensgrenze beim Elterngeld waren am Montag, 9. Oktober 2023, Thema einer öffentlichen Sitzung des Petitionsausschusses. Der Ausschuss befasste sich zunächst mit der Forderung, dass die elektronische Patientenakte weiterhin nur mit ausdrücklichem Einverständnis der Betroffenen angelegt werden darf. Im Anschluss diskutierte das Gremium über eine Petition, in der die Beibehaltung der Einkommensgrenze nach Paragraf 1 Absatz 8 des Bundeselterngeldgesetzes gefordert wird. Sie liegt derzeit bei 300.000 Euro, soll aber zum 1. Januar 2024 auf 150.000 Euro abgesenkt werden. Im Anschluss

Elektronische Patientenakte nur bei Zustimmung

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hält an der geplanten Umstellung von einer Zustimmungslösung (Opt-in) zu einer Widerspruchslösung (Opt-out) bei der elektronischen Patientenakte (ePA) fest. Während die ePA aktuell dann geführt wird, wenn die Patienten dem explizit zustimmen, soll sie künftig geführt werden, wenn nicht widersprochen wird. Währendder Sitzung des Petitionsausschusses verwies der Parlamentarische Staatssekretär im BMG, Edgar Franke (SPD), auf die Vorteile hin, die eine Opt-out-Lösung seiner Ansicht nach hat. So könnten Ärzte ihre medizinischen Entscheidungen auf einer besseren Datengrundlage treffen. Auch könnten unnötige und belastende Mehrfachuntersuchungen vermieden werden. Zudem könnten so unerwünschte Wechselwirkungen durch Arzneimittel frühzeitig erkannt werden. Alles in allem bleibe Ärzten künftig mehr Zeit für die Betreuung ihrer Patienten, sagte Franke.

Ganz anders sieht das die Allgemeinmedizinerin Simone Connearn, die sich mit einer Petition an den Bundestag gewandt hatte, in der eine solche Widerspruchslösung abgelehnt wird. Wenn Ärztinnen und Ärzte verpflichtet werden, die Akte mit medizinischen Daten zu füllen, werde damit die Schweigepflicht abgeschafft, heißt es in ihrer öffentlichen Eingabe (ID 150309), die 58.188-mal innerhalb von vier Wochen mitgezeichnet wurde. Krankheitsdaten gehörten aber zu den intimsten Informationen über jeden Menschen. „Private Gedanken und persönliche Informationen, die im vertrauensvollen Arztgespräch geäußert werden, gehören nicht in einen zentralen Speicher“, schreibt Connearn. Zentrale Datenspeicher seien niemals sicher. Deswegen dürfe es keine zentrale Speicherung der Krankheitsdaten von 80 Millionen Bundesbürgern in einer elektronischen Patientenakte ohne ausdrückliche Einwilligung der Betroffenen geben.

Vor dem Ausschuss beklagte die Petentin einen Verstoß gegen die informationelle Selbstbestimmung. Die zentrale Speicherung der Daten bedeute eine gefährliche Machtkonzentration und sei niemals sicher. Weder Patienten noch Ärzte dürften daher zur ePA gezwungen werden. Einem Einwand aus dem Kreis der Abgeordneten, dass die ePA auch künftig freiwillig sein werde, weil die Patienten widersprechen könnten, begegnete der die Petentin begleitende Psychotherapeut Andreas Meißner mit der Aussage, dass die von der Opt-out-Lösung „überrumpelten Patienten“ zumeist nicht aktiv widersprechen würden, weil die meisten davon gar nichts mitbekämen. „Das wissen Sie so gut wie ich“, sagte Meißner. Die Ärzteschaft wolle die Digitalisierung, betonte er. „Wir wollen sichere digitale Verbindungen, um Befunde schnell zu übermitteln.“ Ärzte und Patienten dürften jedoch nicht zu Datenlieferanten umfunktioniert werden.

Widerspruchsrechte und Sicherheit der Daten

Die Versicherten würden vorab „transparent und verständlich“ über die ePA und auch über ihre Widerspruchsrechte informiert und aufgeklärt, sagte eine Vertreterin des BMG. Es werde eine Frist geben, die gewährleisten solle, dass die Versicherten genug Zeit bekommen, die Nutzung der ePA zu überdenken, um schließlich eine selbstbestimmte und fundierte Entscheidung über die Nutzung treffen zu können. Die vorgesehenen Widerspruchsregelungen seien einfach und könnten von den Patienten barrierefrei wahrgenommen werden. Weder seien dafür besondere technische Kenntnisse nötig noch die Nutzung einer ePA-App, hieß es.

Was die Sicherheit der Daten angeht, so verwies das BMG auf die verschlüsselte Übertragung. Potenzielle Angreifer hätten keinen Zugriff auf die sensiblen Gesundheitsdaten, sagte die Ministeriumsvertreterin. Der Zugriff auf die Daten werde auch nur den an der konkreten Behandlung beteiligten Leistungserbringer ermöglicht. Zudem werde jeder Zugriff auf die ePA protokolliert.

Dass die für Forschungszwecke verwendeten Daten pseudonymisiert werden sollen, überzeugte die Petentin nicht. Pseudonymisiert sei eben nicht anonymisiert. Wenn Daten ohne Namen aber mit Postleitzahl und Geburtsdatum weitergegeben werden, seien sie sehr wohl zurück verfolgbar. Connearn blieb am Ende der Sitzung bei ihrer Einschätzung, dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gebrochen werde. Weder bringe die ePA dem Patienten einen Mehrwert, noch seien die darin enthalten Daten, die zu Abrechnungszecken erhoben würden, für die Forschung nutzbar.

Halbierung der Einkommensgrenze beim Elterngeld umstritten 

Die seitens des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) geplante Halbierung der Einkommensgrenze beim Elterngeld ist laut Familien-Staatssekretär Sven Lehmann (Bündnis 90/Die Grünen) das Ergebnis der Sparanordnung des Finanzministeriums an den Familienetat. Bei den Kürzungen habe man zwischen sehr vielen schlechten Varianten auswählen müssen, sagte Lehmann im weiteren Verlauf der öffentlichen Sitzung des Petitionsausschusses. „Die von uns vorgeschlagene Variante lässt das Elterngeld für rund 96 Prozent aller Elterngeldbeziehenden komplett unangetastet“, so der Staatssekretär. Vier Prozent, nämlich jene mit einem „sehr, sehr hohen Einkommen“ von mehr als 150.000 Euro im Jahr, würde den Planungen zufolge keinen Anspruch mehr auf Elterngeld haben. „Das ist ein schmerzlicher Einschnitt“, räumte Lehmann ein. 

Für die Beibehaltung der Einkommensgrenze nach Paragraf 1 Absatz 8 des Bundeselterngeldgesetzes, die derzeit bei 300.000 Euro liegt, zum 1. Januar 2024 aber auf 150.000 Euro abgesenkt werden soll, hatte sich Verena Pausder in einer öffentlichen Petition (ID 153198) ausgesprochen. Betroffen seien nicht die, die von ihrem Vermögen leben können, sondern viele Young Professionals und Akademiker. „Die meisten Haushalte, die diese Einkommensklasse erreicht haben und mit der Familienplanung beginnen, sind relativ jung“, heißt es in der Eingabe. Daher habe es für sie wenig Spielraum gegeben, Geld für eine Kürzung, „die mehr oder weniger aus dem Nichts kommt“, beiseitezulegen. 

Die Petentin, selbst Unternehmerin und Gründerin, geht davon aus, dass in den meisten Fällen die Frauen auf ihren Beruf verzichten würden, falls sich ein Paar keine externe Kinderbetreuung leisten kann oder findet, „da Frauen immer noch stärker vom Gender Pay Gap betroffen sind“. Dadurch entstehe eine Abhängigkeit von ihrem Partner. „Dem Ziel der Koalition, für ,gleichberechtigte Familien' läuft die Streichung also komplett entgegen“, heißt es in der Petition, die innerhalb der Vier-Wochen-Frist 53.980-mal mitgezeichnet wurde. 

Petentin: So geht das Vertrauen in den Staat verloren

Die werdenden Eltern hätten sich auf das Elterngeld verlassen, sagte Pausder während der Ausschusssitzung. Ihnen werde jetzt mit lediglich sechs Monaten Vorlauf gesagt: „Sorry, aber ihr seid zu reich.“ Weil sich der Berechnungszeitraum des Elterngeldes nur über die vergangenen zwölf Monate erstrecke, treffe es jene Paare besonders, die gerade erst über diese Einkommensschwelle gesprungen seien und noch keine Rücklagen hätten bilden können. So gehe das Vertrauen in den Staat verloren, befand die Petentin. 

Die Aussage, dass nur vier Prozent der Bezugsberechtigten, also 60.000 Paare betroffen seien, wollte Pausder so nicht stehen lassen. Das marginalisiere diese Gruppe unnötig. Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln habe von 435.000 Paaren gesprochen, sagte sie. Angesichts von Inflation und steigenden Löhnen gebe es immer mehr Menschen, die über diese Schwelle gehen würden. Diese Gruppe glaube an das Aufstiegsversprechen und zahle den Spitzensteuersatz. „Das ist die einzige Stelle, an der sie sich auf den Staat verlassen.“ Daher müsse es auch innerhalb des Familienhaushalts bessere Sparvorschläge geben. 

Aus Sicht von Staatssekretär Lehmann ist das geforderte Einsparvolumen anderweitig aber nicht zu erreichen. 90 Prozent des Familienetats seien in den drei gesetzlichen Leistungen Elterngeld, Unterhaltsvorschuss und Kinderzuschlag gebunden. Die Entscheidung, beim Unterhaltsvorschuss nicht zu kürzen, sei gefallen, weil dies Alleinerziehende träfe, die in überdurchschnittlichem Maße von Armut bedroht seien. Der Kinderzuschlag sei wiederum eine Leistung, die verhindern solle, dass Familien mit kleinen Einkommen in den Sozialleistungsbezug fallen. Bei diesen „sehr wichtigen sozialpolitischen Leistungen“ habe man sich entschieden, nicht einzusparen, erläuterte er. 

Beim Elterngeld hätte wiederum eine Neuaufteilung der Partnermonate das angeordnete Einsparvolumen nicht erbracht. Daher habe sich das Ministerium für diesen Weg entschieden. Der Regierungsvertreter ging auch auf die kritisierte Stichtagsregelung zum 1. Januar 2024 ein. Dieser Stichtag sei nötig, um aus Sicht des Ministeriums die Einsparvorgaben zu erreichen. Eine Frist zu setzen, sei vom Bundesverfassungsgericht auch ausdrücklich als legitim erachtet worden. Ob eine solche Stichtagsregelung politisch gewollt ist oder nicht, müsse aber das Parlament entscheiden, sagte Lehmann. (hau/09.10.2023)