Olaf Scholz: Deutschland hat nur einen Platz, den Platz an der Seite Israels
Fünf Tage nach dem Angriff der islamistischen Hamas auf Israel hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in einer Regierungserklärung am Donnerstag, 12. Oktober 2023, dem Land seine volle Unterstützung zugesichert. „Israel hat das völkerrechtlich verbriefte Recht, sich und seine Bürgerinnen und Bürger gegen den barbarischen Angriff zu verteidigen“, betonte Scholz zu Beginn seiner Rede, in deren Anschluss der Bundestag über die Lage in Israel sowie über Konsequenzen für die deutsche Nahostpolitik debattierte.
Sicherheit müsse wiederhergestellt werden. Es gebe „in diesem Moment nur einen Platz für Deutschland, den Platz an der Seite Israels“, so der Kanzler. Die Sicherheit des Landes bezeichnete er dabei erneut als deutsche Staatsraison. Die deutsche Geschichte und die aus dem Holocaust erwachsene Verantwortung mache es zur „immerwährenden Aufgabe, für die Existenz und die Sicherheit des Staates Israel einzustehen“.
Einstimmiges Votum für Entschließungsantrag
Scholz begrüßte in diesem Zusammenhang einen gemeinsamen Entschließungsantrag (20/8736) der Koalitionsfraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP sowie der CDU/CSU-Fraktion, den der Bundestag später einstimmig annahm. Darin sprechen sich die Abgeordneten ebenfalls unter anderem dafür aus, Israel die „volle Solidarität und jedwede Unterstützung zu gewähren“. Er sei auch dankbar, dass der Bundestag unmittelbar auf den Hamas-Terror reagiert und fünf Fraktionen des Hauses in einer gemeinsamen Erklärung bereits am Sonntag ihre Solidarität bekundet hätten. Das seien „wichtige und notwendige Zeichen“.
Scholz bot der israelischen Regierung auch praktische Hilfe an: Er habe Premierminister Benjamin Netanyahu gebeten, die Bundesregierung über jeglichen Unterstützungsbedarf zu informieren, erklärte der Kanzler. Das gelte für die Versorgung Verwunderter wie auch für „andere Unterstützungsbitten“. Diese werde man unverzüglich prüfen und gewähren.
Scholz: Flächenbrand in der Region verhindern
Der Kanzler äußerte auch die Sorge, dass die jüngste Eskalation zu einem „Flächenbrand“ in der ganzen Region führen könnte. Deutschland nutze daher gemeinsam mit seinen Partnern „alle Kanäle“, um das zu verhindern. Mitverantwortlich für die Lage machte er den Iran. Es gebe zwar keine „handfesten Belege“, dass die islamistische Republik den Angriff der Hamas konkret und operativ unterstützt habe, doch ohne iranische Unterstützung sei die Hamas zu solchen Angriffen nicht in der Lage gewesen, zeigte sich Scholz überzeugt. Er rief alle Akteure in der Region auf, von „weiteren feindseligen Akten“ abzusehen. „Es wäre ein unverzeihlicher Fehler Israel anzugreifen.“
Als Konsequenz aus den jüngsten Terrorattacken der Hamas kündigte der Bundeskanzler zudem an, ein Betätigungsverbot für die Organisation in Deutschland zu erlassen. Auch das palästinensische Netzwerk Samidoum, das die Terrorattacken auf Israel öffentlich in Berlin bejubelt hatte, soll nach Aussage des Kanzlers verboten werden: Hass und Hetze nehme man nicht tatenlos hin.
Union: Demonstrationsverbote durchsetzen
Auch Rednerinnen und Redner der Fraktionen im Bundestag verurteilten den Angriff auf Israel scharf und forderten Konsequenzen: So verlangte Unionsfraktionsvorsitzender Friedrich Merz ein entschiedenes Vorgehen gegen Antisemitismus. „Wir müssen den Kampf gegen Antisemitismus noch entschlossener fortsetzen“, sagte Merz. Demonstrationsverbote gelte es konsequent durchzusetzen, Organisationen, die die Hamas unterstützten, in Deutschland zu verbieten. Darüber hinaus gehörten die Iran-Politik sowie alle Zahlungen an palästinensische Gebiete und Organisationen auf den Prüfstand, forderte Merz.
Maßstab müsse sein: „Wer Israel vernichten will oder den Holocaust verharmlost, der darf kein deutsches Steuergeld bekommen.“ Es dürfe in Deutschland keine „rechtsfreien Räume“ geben, in denen Hass auf Israel gepflegt werde, so Merz. Er drängte darauf, das Islamische Zentrum in Hamburg zu schließen.
FDP fordert klare Distanzierung seitens Islam-Verbände
Christian Dürr, Vorsitzender der FDP-Fraktion, kritisierte ebenfalls Sympathiebekundungen für die Hamas in Deutschland. Wer die Angriffe auf Israel bejuble, zeige damit, dass er die grundlegenden Werte der Bundesrepublik Deutschland ablehne. Von islamischen Verbänden verlangte der FDP-Politiker eine „klare Haltung und Distanzierung“.
Es sei außerdem nicht hinzunehmen, dass die Attacken der Hamas und die Verteidigung Israels durch seine Streitkräfte gleichgesetzt würden. Dürr betonte die Verantwortung für jüdisches Leben. Diese gelte für alle Menschen in Deutschland – auch für Einwanderer, stellte Dürr klar. Deutschland sei ein weltoffenes Land, aber wer nach Deutschland komme, um gegen Jüdinnen und Juden zu hetzen, sei nicht willkommen.
SPD: „Nie wieder“ hat kein Schlussdatum
Der Parteivorsitzende der SPD, Lars Klingbeil, und die Co-Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Katharina Dröge, mahnten eindringlich zu weiterer Unterstützung Israels: „Wir haben uns als Deutschland geschworen: Nie wieder, nie wieder schauen wir weg, nie wieder schweigen wir, wenn jüdisches Leben bedroht ist“, sagte Klingbeil.
Denen, die sagten, der Holocaust liege so lange zurück und es müsse „auch mal gut“ sein mit der Verantwortung, werde man entgegentreten und deutlich machen: „‚Nie wieder‘ hat kein Schlussdatum. ‚Nie wieder‘ ist eine Haltung“.
Grüne versprechen Schutz jüdischen Lebens
Dröge nannte den Schutz für jüdisches Leben eine Verpflichtung. Direkt an den anwesenden israelischen Botschafter Ron Prosor gewandt versprach sie, man werde alles tun, um jüdische Einrichtungen und Institutionen, aber auch das Leben auf deutschen Straßen für jüdische Menschen zu sichern. Um Frieden und Sicherheit für Israel zu schaffen, brauche es „alle Facetten der Diplomatie“, so Dröge weiter. Gespräche mit Israels Nachbarstaaten und auch Saudi-Arabien müssten fortgesetzt werden. Es gehe dabei auch um Schutz für Zivilisten und sichere Fluchtwege, mahnte Dröge und sprach sich dafür aus, weiterhin humanitäre Hilfe in den Palästinensergebieten zu leisten.
Härte dagegen brauche es gegen die „Feinde der Demokratie“ wie den Iran: Die europäischen Sanktionen seien wichtig, zu Recht werbe Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) auch dafür, die iranische Revolutionsgarde auf die Terrorliste der EU zu setzen.
Linke: Hamas unterdrückt auch in Gaza
Auf die Situation der Menschen in Gaza machte auch der Co-Vorsitzende der Linksfraktion, Dr. Dietmar Bartsch, aufmerksam: Man dürfe nicht vergessen, dass die Hamas nicht nur 1.200 jüdische Menschen ermordet habe, sondern auch die Menschen in Gaza unterdrücke. Die Mehrheit der Bevölkerung bestehe aus Älteren und Kindern, gab Bartsch zu bedenken. Sie würden nun von der Terrororganisation als „menschliche Schutzschilder“ missbraucht.
Es sei auch Verantwortung der Weltgemeinschaft, dass Zivilisten geschützt werden und Gaza verlassen könnten, betonte der Linken-Politiker. „Höchste Zeit“ sei es zudem für die Bundesregierung, ihre Iran-Politik zu überdenken. Technologie und Wissen dürften nicht weiter in das Land exportiert werden.
AfD: Zahlungen an Palästinenser sofort einstellen
„Lippenbekenntnisse“ warf der AfD-Abgeordnete Dr. Alexander Gauland der Bundesregierung vor: Solidaritätserklärungen würden weder den Israelis helfen, noch Eindruck auf die Terroristen und ihre Unterstützer machen. Wenn die Rede von der Sicherheit Israels als deutsche Staatsräson mehr als eine „Floskel“ sein solle, müsse Deutschland seine Zahlungen an Palästinenserorganisationen sofort und komplett einstellen.
„Man muss den Terror an seinem Lebensnerv treffen, am Geld“, sagte Gauland. Dass ein Teil der Waffen der islamistischen Hamas womöglich von deutschen Steuerzahlern bezahlt würden, bezeichnete er als „unglaublichen Skandal“. Bundesaußenministerin Baerbock bezichtigte er zudem der Naivität, wenn sie versichere, Geld fließe nur in humanitäre Projekte. Die Hamas kontrolliere Gaza, daher sei davon auszugehen, dass ein Teil der deutschen Hilfsgelder auch bei ihr ankomme. (sas/12.10.2023)