Filiz Polat unterstützt Suzan Fayad aus Ägypten und das Nadeem-Zentrum
Als „sehr dramatisch“ bezeichnet die Bundestagsabgeordnete Filiz Polat (Bündnis 90/Die Grünen) die Menschenrechtssituation in Ägypten. Infolge der Machtergreifung durch Präsident Abdel Fatah al-Sisi 2014 habe sich die Lage in dem Land „extrem zugespitzt“. Nicht nur, dass in Ägypten bekanntermaßen tausende Oppositionelle aus politischen Gründen in Haft seien und Journalisten und Nichtregierungsorganisationen in ihrer Arbeit behindert und bedroht würden.
Sogar Mediziner, Ärztinnen und Ärzte, die sich selbst nicht politisch betätigten, aber anderen Hilfe leisteten, seien Repressalien ausgesetzt, so Polat. Der Umgang der Behörden mit dem „El Nadeem Center For Management and Rehabilitation of victims of violence“, das sich um Opfer staatlicher Gewalt und Folter in Ägypten kümmert, stehe exemplarisch für die schlechte Menschenrechtslage in Ägypten. Mit einer Patenschaft im Programm „Parlamentarier schützen Parlamentarier“ des Deutschen Bundestages will Polat Dr. Suzan Fayad, einer der Mitbegründerinnen des Nadeem-Zentrums, den Rücken stärken.
Nadeem-Zentrum: gelobt und bedroht
Eine Ärztin, die ihrem hippokratischen Eid nachkomme und mit ihren Kolleginnen und Kollegen bereits seit Jahrzehnten Folteropfern und traumatisierten Menschen helfe, sei Fayad. Zu diesem Zweck habe sie in den 1990er Jahren das medizinische Versorgungszentrum in Kairo aufgebaut. Die Spezialklinik suche im Land ihresgleichen und leiste einen wesentlichen Beitrag bei der Versorgung von Haft- und Folteropfern, deren juristischer Unterstützung sowie bei der Dokumentation von Verbrechen. Amnestie International Deutschland hat dem Nadeem-Zentrum 2018 den Menschenrechtspreis verliehen.
Die ägyptischen Behörden versuchten immer wieder, mit konstruierten Vorwürfen das Zentrum an seiner Arbeit zu hindern, seine Existenzberechtigung infrage zu stellen, dessen Betriebserlaubnis anzufechten, erzählt die Grünen-Abgeordnete. 2016 wurden die Konten der Organisation vorübergehend eingefroren, 2017 und erneut 2020 das Zentrum vorübergehend geschlossen. Den Betreiberinnen wurde vorgeworfen, ihre Praxis-Lizenz missbraucht zu haben, da sie Folteropfer nicht nur behandelt, sondern deren Verletzungen auch veröffentlicht hätten.
Polat: Absurde Vorwürfe gegen Mediziner
Die ägyptische Führung kreide dem Nadeem-Zentrum und dessen Mitarbeiterinnen an, Regierungskritikern Unterstützung zu leisten. Dass dort Menschen geholfen werde, die dem Weltbild der Regierung widersprochen, die sich kritisch geäußert oder sich Grundrechtsbeschränkungen widersetzt hätten, mache das Hospital für die Regierung zu einer unerwünschten Einrichtung.
Im medizinischen Kontext, wo Menschen Heilung angeboten werde, erscheinen diese politischen Beschuldigungen von Regierung und Behörden besonders absurd, meint Polat. Für das Zentrum seien sie, ebenso wie die zeitweilige Schließung, eine existenzielle Bedrohung. Früher seien Mitarbeiterinnen außerdem noch aufs Land hinaus gefahren, um Opfer individuell zu betreuen. Das sei ihnen mittlerweile untersagt. Gründerin Fayad unterliege zudem einer Ausreisesperre.
Aufmerksamkeit des Parlaments-Programms
Polat, parlamentarische Geschäftsführerin der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, die in ihrer Fraktion zuständig ist für Migrations- und Flüchtlingspolitik mit dem Schwerpunkt auch auf der Versorgung von traumatisierten Geflüchteten, Folter- und Traumaopfern, und die selber einer Medizinerfamilie entstammt, fühlt sich der Ärztin Fayad deshalb verbunden und hält ihre Arbeit und Organisation für unterstützenswert.
Zu Beginn der neuen Wahlperiode habe sie diese Patenschaft von ihrer Parteifreundin, der ehemaligen Bundestagsabgeordneten Margarete Bause, übernommen. Fayad und sie hätten sich bereits ausgetauscht, berichtet Polat. In einem Schreiben habe die Ägypterin sie gebeten, sie und das Zentrum im Rahmen einer Patenschaft weiter zu begleiten und gleichzeitig zum Ausdruck gebracht, dass die Repressionen, die sie und ihre Kolleginnen erlitten, noch viele andere Menschen in Ägypten beträfen.
„Menschenrechtslage in Ägypten auf einem Tiefpunkt“
Fayad arbeite in Ägypten in einem Umfeld voller Repressalien und Drohungen, wie sie in vielen Ländern herrschten. Doch gerade in Ägypten seien der Druck des Staates, Zensur und Überwachung, gepaart mit politischer Willkür, besonders groß. So rangiere das Land auf Rang drei der Länder, die Repressalien gegen Journalisten verhängten. 2019 waren dort 4.000 Menschen aus politischen Gründen inhaftiert. Menschenrechtsorganisationen und die internationale Presse berichten regelmäßig darüber.
Sieben Jahre nach Beginn der ägyptischen Revolution befinde sich die Menschenrechtslage in Ägypten auf einem Tiefpunkt, Gewalt und Willkür, in Polizeiwachen ebenso wie in Haftanstalten, seien an der Tagesordnung, so die Grünen-Politikerin. Die Regierung von Präsident Abdel Fattah al-Sisi gehe systematisch gegen politische Gegner vor. Polizei und Geheimdienste seien für schwere Verbrechen wie Folter, Verschwindenlassen und außergerichtliche Tötungen verantwortlich. Die Justiz mache sich zu deren Komplizen. Auch Menschenrechtsaktivisten gerieten verstärkt ins Visier der Behörden, erst vor kurzem sei ein Gesetz zur Einschränkung der Arbeit von zivilgesellschaftlichen Organisationen verabschiedet worden.
Es sei besonders perfide, Druck auch auf Menschen auszuüben, die anderen helfen wollten, findet Polat. Ihre Organisation, ihre Arbeit, sei Opfer der Anwendung des „Terrorparagrafen“ der ägyptischen Verfassung, habe ihr Fayad erklärt, der regelmäßig gegen unliebsame Nichtregierungsorganisationen in Stellung gebracht werde und Haftstrafen, Ausreise- und Kontosperren zur Folge habe.
Klug dosierte Unterstützung
Verglichen mit anderen Opfern staatlicher Gewalt, die bis zu Haft und Folter reiche, sei Suzan Fayad insgesamt in einer relativ privilegierten Situation. Bereits ein Besuch bei ihr berge allerdings bereits das Risiko, dass erhöhter Druck auf sie ausgeübt werde und sich ihre Lage und die ihrer Patientinnen und Patienten verschlechtere.
Nur auf ausdrücklichen Wunsch Fayads hin würde sie das tun, sagt Polat, wie sie überhaupt jede Hilfeleistung nur nach Absprache mit der Betroffenen selbst ergreifen werde, etwa, mit dem ägyptischen Botschafter zu sprechen. Von deutscher Seite stehe auch die Deutsche Botschaft in Kairo in Kontakt mit dem Nadeem-Zentrum und Suzan Fayad und könne aktuelle Informationen zu deren Lage liefern. Es geht Polat um eine klug dosierte Unterstützung.
Fayad helfen, Lage in Ägypten verbessern
Als Patin im PsP-Programm konzentriere sie sich vor allem auf die konkrete Hilfe für Suzan Fayad. Erreichen möchte Polat mit ihrem Engagement aber noch mehr. „Ich möchte damit auch Aufmerksamkeit schaffen und aufrecht erhalten für die Menschenrechtslage in Ägypten, am Bespiel dieser besonderen Einrichtung und der faszinierenden Persönlichkeit von Susan Fayad.“ Sie stellt ihr Engagement zudem in den größeren außenpolitischen Zusammenhang. „Das beste wäre, wenn die Willkür-Paragrafen im ägyptischen Recht fallen würden“, sagt die Parlamentarierin.
Viel hänge davon ab, wie Deutschland sich gegenüber Ägypten außenpolitisch aufstelle. Es gebe zwischen beiden Ländern politische Beziehungen in allen möglichen Bereichen. Da müsse die Bundesregierung Druck ausüben auf die ägyptische Regierung, die Menschenrechte zu achten, und dies bei allen Gesprächen und Verhandlungen immer wieder ansprechen. In den Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zu Ägypten müssten Deutschland und Europa ihre wertgeleitete Außenpolitik zum Ausdruck bringen.
Polat: Druck auf Kairo erhöhen
„Es ist unerlässlich, dass wir den Druck auf Regime wie das in Kairo wieder erhöhen, um die Menschenrechtslage zu verbessern. Das ist mein großer Appell. Wir müssen mit unserer Menschenrechtspolitik weiter darauf drängen, dass solche Repressionen, wie sie die mutigen Ärztinnen des Nadeem-Zentrums und ihre Patientinnen erfahren, der Vergangenheit angehören.“
Darüber hinaus liegt es Polat am Herzen, „dass wir in Deutschland sensibel sind für die Menschenrechtslage weltweit und die Repressalien, die Menschen auch anderswo erfahren. Und dass wir dann auch diejenigen unterstützen, die auf Hilfe von außen angewiesen sind“. Diese Haltung gelte es auch „in die Breite der Bevölkerung hierzulande hinein zu transportieren“, wie es überhaupt darum gehen müsse, „den Wert einer funktionierenden Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu vermitteln, die uns all unsere Grundrechte und individuellen Freiheiten überhaupt erst ermöglichen“. (ll/12.04.2023)