Olaf Scholz: Unser Land braucht mehr Tempo
„Unser Land braucht mehr Tempo.“ Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hob in der Regierungsbefragung des Bundestages am Mittwoch, 29. März 2023, auf die Beschleunigung von Verfahren ab. Die Regierung habe sich vorgenommen, das Land zu modernisieren und dafür zu sorgen, dass „Dinge schneller funktionieren als in den letzten Jahrzehnten“. Die notwendigen Entscheidungen seien vorbereitet worden, um Planungs- und Genehmigungsverfahren beim Ausbau der Verkehrsinfrastruktur, der Energienetze und Energieerzeugungsanlagen voranzubringen und den Klimawandel aufzuhalten. Scholz nannte das Ziel, dass bis 2030 15 Millionen Fahrzeuge elektrisch fahren.
„Der Stillstand der letzten Jahrzehnte ist beendet“
Bei der Gebäudeenergie sprach der Kanzler von „zugewandten Lösungen“, damit alle es schaffen können, zum Ziel der Klimaneutralität beizutragen. Die entsprechenden Gesetzentwürfe würden dem Bundestag bald zugeleitet. Der „Stillstand der letzten Jahrzehnte“, den Scholz auf die konservativ geführten Regierungen der letzten Jahre zurückführte, sei endgültig beendet.
Die Regierung wolle sicherstellen, dass künftig genügend Fachkräfte zur Verfügung stehen. Dazu trügen eine gute Ausbildung für junge Leute, aber auch Weiterbildung und eine höhere Erwerbstätigkeit von Frauen bei. Scholz kündigte das „modernste Fachkräfte-Einwanderungsgesetz in der EU“ an, um benötigte Fachkräfte auch aus Nicht-EU-Staaten anzuwerben.
Klimaschutz und Gebäudeenergie
Andreas Jung (CDU/CSU) fragte den Kanzler, wie er verantworten wolle, das noch zu Zeiten der Großen Koalition beschlossene Klimaschutzgesetz aufzuweichen. Scholz entgegnete, das Gesetz werde jetzt weiterentwickelt. Die Zielerreichung werde jedes Jahr überprüft. Der „Idee von linearen Fortschreibungen“ erteilte er eine Absage, erforderlich sei vielmehr „Dynamik“. Jung wollte wissen, ob in Neubauten künftig Gasheizungen zulässig bleiben, wenn sie mit grünem Wasserstoff oder Biogas betrieben werden. Dazu teilte Scholz mit, die Förderprogramme würden konkret ausgestaltet, niemand werde ausgeschlossen, es könnten verschiedene Wege genutzt werden. Er kündigte zeitnahe und ergebnisorientierte Regelungen an.
Der Unionsabgeordnete Dr. Thomas Gebhart legte nach und sagte, die Regierung hätte längst ein Klimaschutz-Sofortprogramm beschließen müssen. Scholz warnte davor, „Bürokratismus“ weiter fortzusetzen. „Schlichtes lineares Denken“ führe in die Irre und zu falschen Entscheidungen. Vielmehr müsse alles getan werden, um die Klimaziele zu den jeweiligen Zeitpunkten zu erreichen. Marc Bernhard (AfD) wollte wissen, was sich für die Öl- und Gasheizungsbesitzer konkret ändere. Der Kanzler unterstrich, dass das Land 2045 klimaneutral sein wolle. Für die Betroffenen gebe es eine unbürokratische Regelung, bei der viele Kombinationen möglich seien.
Bahnnetz und E-Fuels
Janine Wissler (Die Linke) meinte, wenn ein Verkehrsminister die Klimaziele nicht erreiche, wäre es angebrachter, den Minister auszuwechseln oder ein Tempolimit einzuführen als das Klimaschutzgesetz aufzuweichen. Scholz lobte hingegen Volker Wissing als „sehr, sehr guten Verkehrsminister“. Er sei „richtig unterwegs“, wenn es darum gehe, das Kernnetz der Eisenbahn voranzubringen. Für den Investitionsbedarf im Verkehr müssten in den nächsten Jahren zusätzliche 45 Milliarden Euro mobilisiert werden. Auf die Lkw-Maut werde es einen CO2-Aufschlag geben.
Auch dem FDP-Abgeordneten Valentin Abel bestätigte der Kanzler, dass die Instandsetzung des Kernnetzes der Bahn eine Herausforderung der nächsten zehn Jahre sein werde. Gleiches gelte auch für Ausbauvorhaben. Von Abel auf die Nutzung synthetischer Kraftstoffe, sogenannter E-Fuels angesprochen, erklärte Scholz, diese spielten für Schiffe, im Luftverkehr und für schwere Transportaufgaben eine große Rolle. Es solle möglich sein, ab 2035 auch Fahrzeuge mit E-Fuels zu betanken. Die Dimension dieser Möglichkeit könne er allerdings nicht ermessen, so der Kanzler. Gegenüber der FDP-Abgeordneten Carina Konrad wies Scholz in diesem Zusammenhang auf die Notwendigkeit der Beschleunigung hin. CO2-neutrale Mobilität werde gebraucht.
Fachkräftemangel und Kindergrundsicherung
Natalie Pawlik (SPD) erkundigte sich nach den Prioritäten angesichts des Fachkräftemangels in der Pflege, im Handwerk und in öffentlichen Verwaltungen. Scholz sagte, zunächst gelte es, die Potenziale im eigenen Land zu nutzen, Weiterbildung zu ermöglichen und Frauen eine Berufstätigkeit zu erleichtern. Das werde aber nicht reichen, und mit dem angekündigten Fachkräfte-Einwanderungsgesetz werde man dafür sorgen, bürokratische Hürden für die Zuwanderung von Fachkräften aus der ganzen Welt abzubauen.
Einige Fragen betrafen das Projekt der Kindergrundsicherung. Der CDU-Abgeordneten Silvia Breher teilte Scholz mit, Kindergeld und Kinderzuschlag seien bereits angehoben worden. Während das Kindergeld zu 100 Prozent in Anspruch genommen werde, liege die Quote beim Kinderzuschlag für einkommensärmere Familien nur bei etwa 30 Prozent. Es müsse daher dafür gesorgt werden, diesen Anteil zu erhöhen.
Nina Stahr (Bündnis 90/Die Grünen) fragte nach den zentralen Instrumenten im Kampf gegen Kinderarmut. Scholz nannte hier die Förderung der Berufstätigkeit der Eltern, aber auch die Angebotsstruktur für die Kinderbetreuung. Die Arbeitslosigkeit sei dort hoch, wo Schul- und Berufsabschlüsse fehlen. Gute Bildung sei ein humanistischer Anspruch, so der Kanzler. Jeder solle ein einzigartiges Lebensmodell entwickeln können.
Zuwanderung und Kanzleramtserweiterungsbau
Die CSU-Abgeordnete Andrea Lindholz wies auf das gestiegene Ausmaß der irregulären Einwanderung hin. Die Regierung lasse Schreiben der Kommunen unbeantwortet. Scholz sagte, die Deutschen hätten rund eine Million Menschen aus der Ukraine aufgenommen. 2022 seien dafür 3,5 Milliarden Euro bereitgestellt worden, fünf Milliarden Euro jährlich koste deren Aufnahme in die Bürgergeld-Regelungen. Mit Herkunftsstaaten würden Migrationspartnerschaften abgeschlossen, damit diese Migranten zurücknehmen, deren Asylverfahren abgeschlossen ist.
Lindholz verwies auf Georgien und die Maghreb-Staaten, die als sichere Herkunftsstaaten eingestuft werden sollten, was an den Grünen scheitere. Scholz sagte, es werde im Hinblick auf diese Länder von Fall zu Fall entschieden. Erforderlich sei, die Ausländerbehörden zu digitalisieren.
Dr. Gesine Lötzsch (Die Linke) sprach den geplanten Erweiterungsbau des Kanzleramtes mit Kosten von 770,2 Millionen Euro an und nannte dies den „Neubau des zweiten Kanzleramtes“, der AfD-Abgeordnete Marcus Bühl bezeichnete ihn als „Prunkbau“, was der Kanzler bestritt. Damit werde den Architekten unrecht getan.
Waffenrecht und globaler Süden
Die von Innenministerin Faeser geplante Novelle des Waffenrechts interessierte Dunja Kreiser (SPD). Es gehe darum, so Scholz, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu präzisieren, damit die Verwaltung Entscheidungen treffen kann. Über eine Differenzierung zwischen illegalen und legalen Waffen werde diskutiert, in der Verwaltungspraxis sei dies nicht einfach. Marcel Emmerich (Bündnis 90/Die Grünen) wies auf Ermittlungen in der Reichsbürgerszene hin, die Verfassungsfeinde besäßen Schusswaffen. Scholz sagte, das Waffenrecht solle so streng gefasst werden, dass es den Sicherheitsanforderungen der Bürger entspricht.
Deborah Düring (Bündnis 90/Die Grünen) fragte nach der Entwicklungszusammenarbeit mit dem globalen Süden, um die Resilienz dieser Staaten zu fördern. Scholz sagte, Deutschland werde seiner Verantwortung der Welt gegenüber gerecht werden. Es werde eine Herausforderung sein, gemachte Zusagen einzuhalten, aber man wolle sich davor nicht drücken. (vom/29.03.2023)