Experten haben den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur sofortigen Verbesserung der Rahmenbedingungen für die erneuerbaren Energien im Städtebaurecht (20/4227) insgesamt positiv bewertet, in einzelnen Punkten aber auch Nachbesserungsvorschläge gemacht. In der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen ging es am Montag, 28. November 2022, um Änderungen im Baugesetzbuch und im Windenergieflächenbedarfsgesetz mit dem Ziel, den Ausbau von Windenergie- und Photovoltaik-Anlagen zu beschleunigen, die Produktion von Wasserstoff aus erneuerbaren Energien zu unterstützen und die Nutzung von Windkraft und Biomasse zu verbessern.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Mit dem Gesetzentwurf soll zum einen ein Privilegierungstatbestand für Vorhaben zur Herstellung oder Speicherung von Wasserstoff geschaffen werden, die in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit Windenergieanlagen stehen. Damit soll erreicht werden, dass Windenergieanlagen bei Netzengpässen nicht abgeschaltet werden müssen, sondern dass der überschüssige Strom am Ort der Windenergieanlage zur Produktion von Wasserstoff genutzt werden kann. Die Anlage zur Herstellung von Wasserstoff soll mindestens an sechs Windenergieanlagen angeschlossen sein müssen. Zusätzlich sollen auch vorhandene Photovoltaik-Anlagen mit der Wasserstoffanlage verbunden werden können, wobei ein räumlicher Zusammenhang gegeben sein muss.
Vorgesehen ist, dass „der öffentliche Belang einer optisch bedrängenden Wirkung“ von Windenergieanlagen der „Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie“ nicht entgegensteht, wenn der Abstand zu nächsten Wohnbebauung mindestens 300 Meter beträgt. Weiterhin sollen die Länder ermächtigt werden, per Verordnung ehemalige Flächen des Braunkohletagebaus grundsätzlich für die Belegung mit Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien öffnen zu können.
„Photovoltaik-Freiflächenanlagen einbeziehen“
Dr. Sarah Langstädtler von der Kanzlei BBG und Partner Rechtsanwälte aus Bremen hielt den geplanten Privilegierungstatbestand für sinnvoll, monierte aber eine fehlende Technologieoffenheit und regte an, auch Wasserstoffanlagen für Photovoltaik-Freiflächenanlagen in die Privilegierung einzubeziehen. Auch könnte eruiert werden, ob die Potenziale weiterer Anlagen zur Erzeugung von erneuerbarer Energie für die klimafreundliche Produktion von Wasserstoff genutzt werden könnten.
Langstädtler warb dafür, potenziellen Anlagenbetreibern keine Steine in den Weg zu legen und auf die Mindestzahl von sechs mit der Wasserstoffanlage verbundenen Wind- oder Solarenergieanlagen zu verzichten. Die Sicherheit der Energieanlagen werde bereits durch die Vorgaben im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren geprüft. Im Gesetzentwurf ist aus ihrer Sicht unklar, ob es um die Sicherheit der Wasserstoffanlagen geht.
Der Sachverständige Dr. Dipl-Ing. Helmut Waniczek aus Bergisch-Gladbach sagte zur Sicherheitsfrage, die Schwellwerte der Störfallverordnung würden überschritten. Die Wasserstoffanlagen mit hohem Explosionspotenzial müssten geschützt werden, ein Werkschutz werde benötigt. Um eine Betriebsgenehmigung zu erhalten, müsse eine Sicherheitsanalyse angefertigt werden. Bei einer Leckage trete nicht Wasserstoff aus, sondern eine Stichflamme von 2.000 Grad.
„Weitere Flächen für erneuerbare Energien nutzen“
Dr. Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbandes Erneuerbare Energien, betonte, die notwendigen Flächenerweiterungen für Windenergieanlagen müssten von vielen Akteuren bereitgestellt werden und es müsse sich auf eine Reihe von Technologien fokussiert werden. Zur Nutzung von Tagebaufolgeflächen sagte sie, diese sollten nicht automatisch auf die Flächenziele angerechnet werden. Laut Koalitionsvertrag wird angestrebt, zwei Prozent der Landesfläche für den Windkraftausbau zu nutzen.
Sie empfahl, über den früheren Tagebau hinaus auch ehemals militärisch genutzte Flächen (Konversionsflächen) und Flächen an Autobahnen und Schienenschnellwegen in die Erzeugung erneuerbarer Energien einzubeziehen. Was die 300-Meter-Abstandsregelung betrifft, schlug sie vor, stattdessen die zweifache Höhe der Gesamtanlage als Maßstab für den Abstand zur nächsten Wohnbebauung zu nehmen.
Peter setzte sich ferner dafür ein, in das Baugesetzbuch weitere Wärmetechnologien aufzunehmen, etwa Solarthermie, Heizkraftwerke, Geothermie oder Biogasanlagen. Photovoltaikanlagen mit landwirtschaftlichem Bezug sollten ebenfalls privilegiert werden, um die Gasnutzung schnell zu ersetzen.
„Erneuerbare Energien sind Artenschutz“
Uwe Leonhardt, Vorstandsvorsitzender der Umwelt Management AG, eines Anlagenbauers aus Cuxhaven, forderte klare Rahmenbedingungen und Vereinheitlichungen im Baugesetzbuch. Die Digitalisierung der Genehmigungsbehörden könne erheblich zur Beschleunigung des Ausbaus beitragen.
„Erneuerbare Energien sind Artenschutz“, sagte Leonhardt, aus diesem Grund könne die Umweltverträglichkeitsprüfung komplett entfallen. Statistisch sei keine Art gefährdet, selbst die Wiesenweihe habe sich prächtig entwickelt.
„Artenschutzrechtliche Belange vertieft prüfen“
Rebekka Blessenohl vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu) sagte, auch in ehemaligen Tagebaugebieten könnten sich Sekundärlebensräume für besonders geschützte Arten wie die Kreuzotter oder die Wiesenweihe entwickeln. Die artenschutzrechtlichen Belange müssten daher vertieft geprüft werden. Im Gesetzentwurf werde Konfliktfreiheit suggeriert, mit Rücksicht auf artenschutzrechtliche Belange empfahl Blessenohl hier Anpassungen. Die potenziellen artenschutzrechtlichen Konflikte sollten differenzierter dargestellt werden.
„Wir hätten uns zusätzlich gewünscht, dass die pauschalen Abstandsregelungen zu Wohnbebauungen abgeschafft werden“, betonte sie. Sie seien eines der zentralen Hemmnisse für den Ausbau der Windenergie. Die Anwohner seien bereits durch das Bundesimmissionsschutzgesetz geschützt.
Gegen pauschale Abstandsregelung zur Wohnbebauung
Aus Sicht von Magnus Wessel vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) spricht nichts dagegen, auch Sanierungspläne für die Renaturierung von Tagebauflächen in den Ausbau der erneuerbaren Energien zu integrieren. Die Kommunen könnten dabei vom Bund unterstützt werden. Am Ende sei eine so rekultivierte Fläche nichts anderes als jede andere Landschaftsfläche.
Auch Wessel forderte ein Ende der pauschalen Abstände zur Wohnbebauung. Hinsichtlich der Anrechnung auf das Flächenziel empfahl er, nur die real bebaute Fläche in die Berechnung einzubeziehen.
„Überdachte Parkflächen nutzen“
Marianna Roscher vom Deutschen Städte- und Gemeindebund sprach sich hingegen dafür, aus, die Flächen voll auszuschöpfen, sonst würde den Ländern die Anreize genommen, überhaupt Flächen bereitzustellen. Zwei Prozent der Landesfläche für Windenergie bereitzustellen sei schon eine Menge.
Eva Maria Levold vom Deutschen Städtetag sagte, auch überdachte Parkflächen etwa an Einkaufszentren könnten für erneuerbare Energien nutzbar gemacht werden. Unglücklich mit der Regelung zur „optisch bedrängenden Wirkung“ von Windkraftanlagen zeigte sich Dr. Torsten Mertins vom Deutschen Landkreistag. Aus Sicht der Bauaufsichts- und Immissionsschutzbehörden würden damit mehr Probleme geschaffen als gelöst.
„Auch Steinbrüche und Kiesgruben nutzen“
Wolf Müller, Geschäftsführer des Bundesverbands Baustoffe – Steine und Erden, begrüßte die Verordnungsermächtigung für Wind- und Solaranlagen in Tagebaufolgeflächen und regte an, auch Steinbrüche und Kiesgruben dafür zu nutzen.
Dr. Devid Krull von der RWE Renewables GmbH sagte, der Prozess der Flutung ehemaliger Tagebauflächen ziehe sich oft über Jahrzehnte hin. Hier könnten Solarparks in die Böschung gebaut werden. Die geplante Verordnungsermächtigung könnte weitere Flächen für Solar- und Windenergie erschließen.
Krull riet dazu, den Gesetzentwurf dahingehend zu ergänzen, dass artenschutzrechtliche Verpflichtungen neben den Rekultivierungspflichten in das Gesetz aufgenommen werden. Dafür sollten Flächen reserviert werden. Die Flächenvorgaben für Wasserstoffanlagen sah er eher für eine „Nischenanwendung“ geeignet: „Unsere Erfahrungen gehen eher in Richtung 700 Quadratmeter, das ist mehr als das Zehnfache.“ Im Gesetzentwurf werden 60 Quadratmeter genannt.(vom/28.11.2022)