Menschenrechte

Renata Alt setzt sich für Svetlana Kupreeva aus Belarus ein

Renata Alt steht im Foyer des Paul-Löbe-Hauses und hält das Porträtfoto einer blonden Frau in die Kamera.

Renata Alt setzt sich für die oppositionelle Freiheitskämpferin Svetlana Kupreeva aus Belarus ein. (© DBT/photothek/Felix Zahn)

Renata Alt (FDP), Vorsitzende des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, setzt sich im Rahmen des Programms „Parlamentarier schützen Parlamentarier“ des Deutschen Bundestages für die oppositionelle Freiheitskämpferin Svetlana Kupreeva aus Belarus ein. Weil diese im Wahlkampf 2020 den oppositionellen Präsidentschaftskandidaten Viktor Babaryko unterstützt hatte, bekam die ehemalige Buchhalterin und Tochter des belarussischen Dichters Nikolaj Kupreev die Härte des Machtapparates von Amtsinhaber Alexander Lukaschenko zu spüren.

Um ihre eigene Macht zu sichern, war die Regierung in Minsk während des Wahlkampfs rigoros gegen andere Kandidaten vorgegangen, berichtet Alt. Wie selbst Unterstützer wie Svetlana Kupreeva von den belarussischen Behörden behandelt wurden, sei skandalös. Sie hatte in ihrem Minsker Stadtteil Unterschriften für Babaryko gesammelt und im Wahlkampfteam Koordinierungsaufgaben wahrgenommen.

Verhaftet und verhört

Am 11. Juni 2020 klingelte die Geheimpolizei KGB bei ihr zu Hause. Sie wurde verhaftet, verhört, ihre Wohnung durchsucht, ihr Hab und Gut beschlagnahmt. Mobiltelefon und Laptop wurden ihr weggenommen. Abends wurde sie ins Untersuchungsgefängnis des KGB mitgenommen, ihre Wohnung versiegelt. Familienangehörige und Freunde konnten ihr erst am vierten Tag nach der Verhaftung dringend nötige persönliche Gegenstände und Hygieneartikel ins Gefängnis bringen. Menschenrechtsorganisationen berichteten darüber.

„All das verletzt sämtliche rechtsstaatlichen Maßstäbe und ist zutiefst inhuman“, stellt Alt fest. Es sei zunächst keine Anklage gegen Kupreeva erhoben worden, anwaltlicher Beistand sei ihr verweigert worden.

Unmenschliche Haftbedingungen, stalinistische Methoden

Was folgte, war eine 16 Monate dauernde Untersuchungshaft unter von Beginn an absolut unmenschlichen Bedingungen, habe Kupreeva berichtet. Anwälten sei auch während der Haft der Besuch verweigert worden. Stundenlang habe sie zunächst in einem komplett leeren Raum auf ihr Verhör warten müssen. Dieses Vorgehen erinnere sie an die schlimmsten Methoden der Stalin-Zeit, habe Kupreeva einmal geäußert.

Einen Teil ihrer Haftzeit musste die Oppositionelle in einer Einzelzelle verbringen. Dann wieder in einer überbelegten Zelle mit sechs statt vier Insassinnen, in die einmal auch eine an Covid-19 erkrankte Frau aufgenommen wurde, bei der sich Kupreeva ansteckte. Sanitäre Anlagen habe es dort keine gegeben. Statt einer Toilette stand lediglich ein Eimer in der Ecke des Raumes. Duschen mit kaltem Wasser wurde einmal pro Woche gestattet. Der schlechte bauliche Zustand des Gefängnisses, vor allem Feuchtigkeit und Schimmel, hätten ihrer Gesundheit schwer zugesetzt.

Am 12. Oktober vergangenen Jahres wurde Kupreeva schließlich freigelassen und durfte wieder in ihre Wohnung ziehen – unter der Auflage, sich regelmäßig bei der Polizei zu melden und das Land nicht zu verlassen. Mit der langen Haft jedoch hätten die belarussischen Behörden die Existenz der freischaffenden, ehemaligen Buchhalterin zerstört, die nun von Zuwendungen leben müsse und sich auf Arbeitssuche befinde, erzählt Alt.

Nicht bewiesene Vorwürfe: Alt fordert Freispruch 

Der Vorwurf gegen sie, Steuern und Gebühren hinterzogen zu haben, werde jedoch weiterhin aufrechterhalten. Bei einer Verurteilung drohe ihr eine mehrjährige Haftstrafe. Beweise für die Anschuldigungen seien bislang allerdings nicht vorgelegt worden. Das sei klar politisch motiviert und eine Reaktion auf ihr Engagement für den Oppositionskandidaten Babaryko, stellt Alt fest. Es handele sich um eine übliche Praxis der belarussischen Justiz, die nicht frei arbeite, sondern die Vorgaben der Staatsführung umsetze, um politische Widersacher dingfest zu machen und die freie Meinungsäußerung zu unterdrücken. Mit diesen Anschuldigungen und Inhaftierungen wolle der langjährige Amtsinhaber Präsident Lukaschenko Gegenkandidaten behindern, so die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses. Es handele sich um schäbige Methoden der Machtsicherung. 

Babaryko sitzt selbst seit Juni 2020 unter dem Vorwurf angeblicher Wirtschaftsstraftaten in Haft. Dieser habe bereits gegenüber den Strafverfolgungsbehörden ausgesagt, dass alle Anschuldigungen gegen seine Unterstützerin haltlos seien. Wann ein ordentliches Verfahren beginne, Verhandlungstermine stattfänden und wie lange sich das hinziehe, sei nicht absehbar. Auch das sei Teil der Methode der totalen Einschüchterung, konstatiert Alt. Sie setzt sich dafür ein, dass Kupreeva sofort von den gegen sie erhobenen Anschuldigungen freigesprochen und nicht weiter verfolgt wird.

Komplizierte Kommunikation

Wie es Svetlana Kupreeva geht, darüber wolle sie als Patin natürlich stets auf dem Laufenden sein, sagt Alt. Einen direkten Kontakt zu ihr gelte es jedoch momentan zu vermeiden. Dadurch bringe man die Oppositionelle unnötig in Schwierigkeiten, da diese weiterhin unter Beobachtung durch Regierungsstellen stehe. Über Dritte jedoch halte sie Kontakt zu der Minskerin.

Gleich nachdem sie sich zu der Patenschaft entschlossen habe, habe sie ihr einen Brief geschrieben, mit dem sie ihr Mut machen wolle. Wichtig sei für Menschen wie Kupreeva, die Opfer eines autoritären Regimes, ja in ihrem eigenen Land gefangen seien, zu erfahren, dass man sie im Ausland nicht vergessen habe. Der indirekte Briefkontakt über Mittelsleute, sei die beste Möglichkeit, Kupreeva des Beistands zu versichern, ihr Mut zu machen und sich auszutauschen.

Internationale Aufmerksamkeit als Schutz 

Aus mehreren Besuchen des Moskauer Archivs der Menschenrechtsorganisation Memorial wisse sie, dass selbst Häftlinge immer Möglichkeiten fänden, versteckt Botschaften auszutauschen, erinnert sich Alt. Während die Kommunikation unter erschwerten Bedingungen ablaufe, seien Besuche momentan gänzlich unmöglich. Selbst als Bundestagsabgeordnete könne sie nicht einfach nach Belarus reisen, um Kupreeva zu besuchen. Auch deren Anwälte mieden den Kontakt, aus Furcht in Schwierigkeiten zu geraten.

Ihre Patenschaft für Kupreeva bedeute jedoch, dass sie an dem Fall dran bleibe, versichert Alt, und sich aus allen verfügbaren Quellen, vom Auswärtigen Amt bis hin zu Menschenrechtsorganisationen, informiere, um ihren Schützling bestmöglich zu unterstützen. „Das Schlimmste für die belarussische Führung ist, zu sehen, dass wir informiert sind“, sagt Alt. Die internationale Aufmerksamkeit, nicht zuletzt durch die Patenschaft einer Bundestagsabgeordneten, bedeute einen zusätzlichen Schutz für Kupreeva.

Alt: Druck auf Regierung in Minsk aufrechterhalten

Neben der persönlichen Unterstützung für Kupreeva ist es der deutschen Menschenrechtspolitikerin Alt wichtig, die Menschen hierzulande daran zu erinnern wie es in dem Nachbarland der Europäischen Union, nicht allzu weit entfernt von Deutschland, zugeht. Hinzu komme, dass Belarus nun in dem Krieg Russlands gegen die Ukraine zum Mittäter geworden sei. Daher gelte es, unbedingt den Druck auf die Regierung in Minsk und die bereits bestehenden Sanktionen gegen Belarus aufrechtzuerhalten. Sich mit diesem Land zu beschäftigen, gehöre ganz klar zu den Aufgaben deutscher Außenpolitik, so Alt.

Einzelnen Menschen konkret zu helfen, die sich unter Gefahr für ihr eigenes Leben für die Einhaltung rechtsstaatlicher Grundsätze einsetzten, und gleichzeitig Unrechtsregime international zu isolieren, seien zwei Seiten ein und derselben Medaille deutscher Außenpolitik, die von parlamentarischer Seite ebenso mitgestaltet werde, wie sie von der Bundesregierung und dem Auswärtigen Amt verantwortet werde. Der Einsatz für die weltweite Durchsetzung der Menschenrechte habe darin in der Bundesrepublik seit jeher einen sehr hohen Stellenwert.

PsP ist Teil wertebasierter Außenpolitik

Das Programm „Parlamentarier schützen Parlamentarier“ sei Ausdruck dieser wertebasierten Politik, unterstreicht Alt den parlamentarischen Beitrag zu diesem Bereich der Außenpolitik. In dieser Wahlperiode habe man das seit 2002 existierende Programm zum fünften Mal neu aufgelegt. 

Es stehe sämtlichen Mitgliedern des Bundestages offen, darin eine oder mehrere Patenschaften zu übernehmen: für verfolgte Kolleginnen und Kollegen, Parlamentarierinnen und Parlamentarier, Politikerinnen und Politiker sowie deren Unterstützer weltweit, denen Unrecht und Gewalt widerfahre. Die Zahl solcher Fälle habe leider in den vergangenen Jahren zugenommen.

Dem wolle man als Deutscher Bundestag mit dem weltweit einmaligen Programm entgegentreten und ein Zeichen für Rechtsstaatlichkeit, liberale Demokratie und offene Gesellschaften setzen. Sie würde sich freuen, wenn jede Abgeordnete und jeder Abgeordnete des Bundestages eine Patenschaft übernehmen würde, wirbt Alt um weitere engagierte Kolleginnen und Kollegen. 

Idee des Programms: Verfolgten Politikern beistehen

Dabei gehe es nicht darum, als ein weiteres der zahlreichen Menschenrechtsprogramme den vielen Nichtregierungsorganisationen Konkurrenz zu machen, sagt Alt und plädiert dafür, sich auf die ursprüngliche Idee des Programms zu besinnen. Im Fokus des PsP stehe vielmehr die Hilfe für bedrohte Kolleginnen und Kollegen oder Kandidaten um Parlamentsmandate, insgesamt Politiker und deren Mitstreiter bei deren Bemühen um die Einhaltung von Grundrechten: Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit und der Förderung der Demokratie. 

Menschen wie Svetlana Kupreeva zeigten dabei neben anderen, prominenteren Fällen die Vielfalt der belarussischen Oppositionsbewegung, unterstreicht Alt. Das Programm dürfe keinen Unterschied machen zwischen bekannten und weniger bekannten Politikerinnen und Politikern und auch deren Mitstreitern aus der zweiten und dritten Reihe. Diesen wie jenen gebühre gleichermaßen Anerkennung und Unterstützung.

Ihr Ziel sei, dass Svetlana Kupreeva frei bleibe und bald freigesprochen werde sowie sie wissen zu lassen, dass sie nicht alleine sei und, dass in den Medien über die unmenschlichen Bedingungen in diesem Land in unmittelbarer Nachbarschaft zur EU berichtet werde. „In vielen Ländern wie auch in Belarus herrschen keine rechtsstaatlichen Bedingungen. Die Unterstützung von Freiheitskämpferinnen und -kämpfern dort muss fester und unverzichtbarer Bestandteil unserer Außenpolitik sein“, so das Credo von Renata Alt. (ll/07.06.2022)