Einhellig begrüßt – bei Kritik im Detail – haben es Sachverständige, dass das Bundespersonalvertretungsgesetz neu gefasst werden soll. Die geplante Novellierung könne aber nur der Anfang weiterer Reformen sein, befanden die Experten am Montag, 22. März 2021, bei einer Anhörung des Ausschusses für Inneres und Heimat unter Leitung von Andrea Lindholz (CDU/CSU) zu einem entsprechenden Gesetzentwurf der Bundesregierung (19/26820, 19/26917).
„Gesetz und Anwendungspraxis längst nicht mehr kompatibel“
Für Rechtsanwalt Dr. Eberhard Baden ist die beabsichtigte Novelle längst überfällig. Gesetzestext und Anwendungspraxis seien seit Langem nicht mehr miteinander kompatibel. Er begrüßte die vorgesehene völlig neue Gesetzesstruktur. Viele Bereiche würden dann übersichtlicher und konsistenter dargestellt. Dieses Vorgehen sei aber zwangsläufig mit erheblichen Übergangs- und Anpassungsproblemen verbunden. Die seien indes angesichts der Entscheidung für eine grundlegende Neugestaltung letztlich unvermeidbar. Er verwies auf weitere Reform-Notwendigkeiten, die in der nächsten Legislaturperiode zeitnah angepackt werden sollten.
Der Rechtsanwalt Dr. Andreas Gronimus meinte, keine der kleinteiligen Kritisierereien, die auch er selbst an der geplanten Novelle gemacht habe, sei es wert, das Gesetzgebungsverfahren dafür aufzugeben. Er nannte es einen wesentlichen Fortschritt, dass Videokonferenzen und elektronische Handlungsmöglichkeiten berücksichtigt werden sollen. Indes warb er für eine Streichung der vorgesehenen Befristung. Der Bedarf werde nicht 2024 enden.
Lob für Absenkung des Wahlalters bei Personalratswahlen
Genau in diese Kerbe schlug auch Karoline Herrmann (dbb jugend Bund). Überdies bewertete sie die vorgeschlagene Absenkung des Wahlalters bei Personalratswahlen von 18 auf 16 Jahre als äußerst positiv. Dies führe zu einer größeren Teilhabe junger Menschen an demokratischen Prozessen. Sie kritisierte, dass die Altersobergrenze bei der Wählbarkeit zur Jugend- und Auszubildendenvertretung nicht vom 26. auf das 30. Lebensjahr angehoben und damit an die Lebenswirklichkeit angepasst werden soll. Durch Abitur, Auslandsjahr und freiwilligem Dienst finde der Eintritt in das Ausbildungs- und Berufsleben vielfach später statt. Die Interessen von 26-Jährigen unterschieden sich nicht wesentlich von denen der 30-Jährigen.
Nils Kammradt (Dienstleistungsgewerkschaft Verdi) mochte handwerklich keine große Kritik am Entwurf vorbringen. Er monierte, dass die Bundesregierung vornehmlich auf die Rechtsprechung reagiere statt Wege nach vorn zu gehen. Rund um Datenschutz und Digitalisierung blieben Probleme weiter bestehen.
„Gleiche Rechte bei der Mitbestimmung schützen vor Machtmissbrauch“
Hanna Möllers vom Deutschen Journalisten-Verband wertete es als enormen Fortschritt, dass arbeitnehmerähnliche freie Journalisten in den Beschäftigtenbegriff mit einbezogen werden sollen. Die Tätigkeit beider Gruppen sei im Arbeitsalltag nicht zu unterscheiden. Für die Einbeziehung gebe es keine praktischen und rechtlichen Probleme. Gleiche Rechte bei der Mitbestimmung schützten vor Machtmissbrauch und dienten dem Betriebsfrieden.
Henriette Schwarz (Deutscher Gewerkschaftsbund) erwähnte Verbesserungen im Detail wie die bessere Lesbarkeit oder die Herabsetzung des Wahlalters. In der Summe stoße der Gesetzentwurf aber auf Kritik. Erweitert werde die Mitbestimmung nicht. Angesichts der geplanten Möglichkeit von Videokonferenzen vermisste sie den Hinweis, dass Präsenzsitzungen grundsätzlich Standard sein sollten. Eine echte Novellierung des Gesetzes im Sinne einer umfassenden Reform und Verbesserung der Mitbestimmung im digitalen Zeitalter sei im Gesetzentwurf nicht zu erkennen.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
In den Verwaltungen des Bundes und der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie in den Gerichten des Bundes werden nach den Vorschriften des Bundespersonalvertretungsgesetzes Personalvertretungen gebildet. Die Länder haben eigene Personalvertretungsgesetze. Die Personalvertretungen werden von den Beschäftigten der Dienststellen gewählt und vertreten deren kollektive Interessen gegenüber der Dienststellenleitung.
Wie die Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf ausführt, wurde das Bundespersonalvertretungsgesetz zuletzt 1974 novelliert und seitdem punktuell fortgeschrieben. Die Strukturen und Prinzipien des Gesetzes hätten sich zwar bewährt und in der Rechtspraxis als flexibel und entwicklungsoffen erwiesen, doch machten es die Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte erforderlich, das Bundespersonalvertretungsgesetz „in die Zeit zu stellen“.
Zur Vorbereitung des Reformprozesses hat das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat den Angaben zufolge „weit im Vorfeld förmlicher Beteiligungs- und Anhörungsverfahren einen kontinuierlichen Dialog mit den Spitzenorganisationen der Gewerkschaften, Personalvertretungen und Dienststellen geführt“.
„Organisation und Arbeitsweise verbessern“
In den zahlreichen Gesprächen und Stellungnahmen hätten die Interessenträger eine Vielzahl von Forderungen, Anregungen und Änderungsvorschlägen vorgetragen, die sich teils deckten, teils aber auch gegenläufig seien. Der Gesetzentwurf konzentriere sich auf die Maßnahmen, „die sich unter Fortsetzung des konstruktiven Dialogs mit allen Beteiligten konsensbasiert umsetzen lassen“.
Im Mittelpunkt stehen laut Vorlage Verbesserungen der Organisation und Arbeitsweise der Personalvertretungen, die gesetzliche Verankerung der geltenden Rechtslage und personalvertretungsrechtlichen Praxis sowie die Neustrukturierung, Bereinigung sowie redaktionelle Überarbeitung zur Verbesserung der Verständlichkeit und Anwenderfreundlichkeit. Maßnahmen, die weiterhin intensiver Erörterung mit allen Beteiligten bedürfen, werden der Bundesregierung zufolge zunächst zurückgestellt.
Wahlrechtsvorschriften sollen überarbeitet werden
Danach zählt zu den Schwerpunkten des Gesetzentwurfs eine Überarbeitung der Wahlrechtsvorschriften. Dies umfasst insbesondere die Ausweitung zulässiger Abwesenheitszeiten der Beschäftigten auf zwölf Monate bei längerfristiger Beurlaubung, ferner die Absenkung der Altersgrenze für die Wahlberechtigung auf 16 Jahre sowie die Streichung der Altersgrenzen für Auszubildende bei der Wahl der Jugend- und Auszubildendenvertretungen.
Zur Vermeidung personalvertretungsloser Zeiten sind den Angaben zufolge stichtagsgenaue Amtszeiten der Personalvertretungen, die Schaffung von Übergangsmandaten bestehender Personalvertretungen bei verspäteten Wahlen oder verspäteter Konstituierung neu gewählter Vertretungen und bei Umstrukturierungsmaßnahmen sowie die Beschleunigung von Neuwahlen bei Wahlanfechtung und Auflösung von Personalvertretungen vorgesehen.
Teilfreistellungen sollen erleichtert werden
Weitere Schwerpunkte sind laut Vorlage die Erleichterung von Teilfreistellungen und der Ausschluss von Marginalfreistellungen, die zeitliche Flexibilisierung von Beteiligungsverfahren durch die Möglichkeit einvernehmlicher Fristabsprachen sowie die Einführung einer Reaktionspflicht der Dienststelle auf Initiativanträge und Vorlagen im Stufenverfahren.
Vorgesehen sind ferner ein neuer Mitwirkungstatbestand bei der Privatisierung von Aufgaben sowie die „Schaffung neuer und Präzisierung bestehender Mitbestimmungstatbestände im Bereich flexibler Arbeitsformen und -zeiten, der Anordnung von Mehrarbeit, der Umsetzung mit Dienstortwechsel, der Personalgestellung, der Vereinbarkeit von Beruf, Pflege und Familie sowie des betrieblichen Gesundheits- und Eingliederungsmanagements“. Darüber hinaus sieht der Gesetzentwurf unter anderem – befristet bis Ende 2024 – die optionale Nutzung von Video- und Telefonkonferenzen für Sitzungen der Personalvertretungen als ergänzende Alternative zu Präsenzsitzungen vor.
Stellungnahme des Bundesrates mit Gegenäußerung der Regierung
In seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf hat der Bundesrat dafür plädiert, eine geplante Übergangsregelung für die Personalvertretungen in den Ländern länger zu befristen als im Gesetzentwurf vorgesehen. Diesem Vorschlag hat die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung (19/26917) zugestimmt.
Nach dem Regierungsentwurf sollen mehrere Paragrafen des Bundespersonalvertretungsgesetzes bis Ende 2023 weiter angewendet werden. Diese Übergangsfrist reicht indes laut Bundesrat „pandemiebedingt wegen zahlreicher zusätzlich abzuarbeitender Regelungsbedarfe und des dadurch entstehenden Rückstaus an Vorhaben einigen Ländern nicht aus, um die notwendigen Regelungen in den Landesgesetzen vorzunehmen“. Daher sei eine Verlängerung der Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 2024 erforderlich, heißt es in der Stellungnahme des Bundesrates weiter. (fla/22.03.2021)