Bundestag erinnert an 80. Jahrestag des Überfalls auf Griechenland
Der Bundestag hat am Donnerstag, 25. März 2021, Anträge der Linken und von Bündnis 90/Die Grünen, die diese vor dem Hintergrund des 80. Jahrestags des Angriffs der Wehrmacht auf Griechenland am 6. April 1941 eingebracht hatten, abgelehnt. So forderte die Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen, „die erinnerungspolitische Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Griechenland zu intensivieren“ (19/27827). Diesem Antrag stimmte auch die Linksfraktion zu, während die übrigen Fraktionen ihn ablehnten. Die Linke wollte die Reparationsforderung Griechenlands anerkennen (19/14725). Diesen Antrag lehnten alle übrigen Fraktionen ab.
Grüne: Vieles ist bis heute unausgesprochen
Manuel Sarrazin (Bündnis 90/Die Grünen) sagte zu Beginn der Debatte, noch immer seien die Erinnerungen an die deutsche Besatzung Griechenlands in vielen griechischen Familien sehr präsent. Gleichwohl sei bis heute Vieles im deutsch-griechischen Verhältnis unausgesprochen. Das mache die Versöhnung schwierig. Es sei eine schwere Belastung für die deutsch-griechische Freundschaft, wenn das, was seit Jahrzehnten von Griechenland gefordert worden sei, „ganz egal ob man das richtig findet oder nicht“, geradezu demütigend als schon erledigt erklärt werde.
Es gelte die Geschichte aufzubrechen, dass Griechenland „auf das Wohlwollen des Landes der Täter“ angewiesen sei. „Wir wollen auf Augenhöhe über noch offene Fragen sprechen“, betonte der Grünenabgeordnete. Der Bundestag müsse Schluss machen mit der demütigenden und falschen Aussage, für Griechenland habe sich die Frage der Reparationen erledigt, forderte Sarrazin. Das sei nachweisbar nicht der Fall.
CDU/CSU: Die Reparationen sind abgegolten
Auch Markus Koob (CDU/CSU) sprach von unentschuldbaren Gräueltaten von SS und Wehrmacht in Griechenland. Auch wenn das Deutschland von heute nicht mehr das Deutschland von damals sei, bitte er als Bundestagsabgeordneter alle Opfer des NS-Regimes um tiefempfundene Entschuldigung. Die Anerkennung von Schuld sei unbestreitbar, so Koob. Es gebe aber gute Gründe für die Auffassung, dass - anders als die ewig währende Schuld an den Kriegsverbrechen - die Reparationen abgegolten sind. Dennoch verstehe er den griechischen Wunsch nach Wiedergutmachung, sagte der Unionsabgeordnete.
Dem Antrag der Grünen attestierte er, mit dem Wunsch nach Augenhöhe das richtige Bild zu treffen. Abseits der unterschiedlichen Bewertung von rechtlichen Fragen müsse es nun darum gehen, einer gezielten politischen Instrumentalisierung und Aufstachelung von Nationalisten gemeinsam entgegenzutreten, forderte Koob.
AfD: Grünen wollen Täter/Opfer-Konstellation fortschreiben
Dr. Marc Jongen (AfD) warf Linken und Grünen vor, ein erinnerungspolitisches Thema „für eine Politik gegen die deutschen, letztlich aber auch die griechischen Interessen“ zu instrumentalisieren. Die Antwort darauf könne nur sein: „Niemals Rot-Rot-Grün.“ Jongen nannte es unstrittig, dass es durch Wehrmacht und SS in Griechenland „schlimmste Kriegsverbrechen gegeben hat“, und dass sich das heutige Deutschland dazu verantwortungsbewusst verhalten müsse. Die Grünen aber wollten die Täter/Opfer-Konstellation „auf die nächste Generation und in alle Ewigkeit fortschreiben“.
So aber komme man nicht auf Augenhöhe und schaffe auch keine Heilung historischer Wunden. Der AfD-Abgeordnete stellte den Zusammenhang mit der Griechenlandkrise und der Eurorettung her. Damals sei es nicht um das Wohl Griechenlands gegangen, sondern einzig und allein um die Rettung der Währungsunion. Deutschland sei als „imperiale Zwingmacht“ wahrgenommen worden, was das Bild des hässlichen Deutschen wieder habe auferstehen lassen.
Regierung: Erinnerung an die Verbrechen wachhalten
Es gelte die Erinnerung an die Verbrechen wachzuhalten und Lehren daraus zu ziehen, sagte Michael Roth (SPD), Staatsminister im Auswärtigen Amt. „Wir als Nachgeborene machen uns schuldig, wenn wir uns der nötigen Aufarbeitung verweigern und die Opfer aus unserer Erinnerung verbannen“, sagte er.
Es freue ihn ganz besonders, dass das deutsch-griechische Jugendwerk in diesen Tagen „endlich“ seine Arbeit aufnehmen könne. „Wir müssen junge Menschen dafür gewinnen, die furchtbaren Lehren des Zweiten Weltkrieges präsent zu halten“, sagte der Außenamts-Staatsminister.
FDP: Antrag der Grünen sät Streit und Zwietracht
Grigorios Aggelidis (FDP) sagte: „Wir sind es den Opfern, aber auch ganz besonders den zukünftigen Generationen schuldig, die Geschehnisse aufzuarbeiten, und zugleich eine enge und freundschaftliche Zukunft auf Augenhöhe zu gestalten.“ Es freue ihn, dass in diesem Jahr das deutsch-griechische Jugendwerk gegründet wurde, mit dem die Beziehungen zwischen der Jugend der beiden Länder intensiviert werden können.
Gefreut habe er sich auch, als er von dem Antrag der Grünen gehört und den Titel gelesen hatte. Nach dem Lesen sei er aber enttäuscht gewesen, sagte der FDP-Abgeordnete. Neben unterstützenswerten Sachen gebe es darin Punkte, „die eher Streit und Zwietracht säen werden – in Deutschland, in Griechenland, zwischen beiden Ländern und möglicherweise auch in Europa“. Aggelidis empfahl: „Daher sollten wir uns auf die zukunftsträchtigen Themen konzentrieren.“
Linke: Griechenland braucht auch politische Unterstützung
Dr. Gregor Gysi (Die Linke) forderte dazu auf, mehr zu tun, um der aus den Verbrechen Nazi-Deutschlands entstandenen Verantwortung gerecht zu werden. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, so Gysi, habe sich bei seinem Besuch in Griechenland im Jahr 2018 zu dieser Verantwortung bekannt und der griechischen Seite die Gewissheit vermittelt, dass sich Deutschland dieser Verantwortung bewusst sei. „Doch in der praktischen Politik folgt diesem Bekenntnis viel zu wenig konkretes Handeln“, sagte der Linken-Abgeordnete.
Es gehe dabei auch um politische Unterstützung, die Griechenland etwa im Konflikt mit der Türkei benötige. Die Bundesregierung aber halte an der Lieferung von Bauteilen für Jagd-U-Boote an die Türkei fest, kritisierte er. Damit werde die militärische Bedrohung Griechenlands befördert. „Das ist das Letzte, was wir vor dem Hintergrund unserer Geschichte verantworten können.“
SPD: Staatspolitische Verantwortung für deutsche Verbrechen
Für Dietmar Nietan (SPD) ist die Frage der Wiedergutmachung nicht abgeschlossen. Auch wenn dies möglicherweise aus rechtlicher Sicht unterschiedlich beurteilt werden könne, gehe es um die staatspolitische Verantwortung für deutsche Verbrechen, für die es nie und nimmer einen Schlussstrich geben werde.
Diese Verantwortung, so Nietan weiter, verlange auch, die Beschlüsse des griechischen Parlaments und der Regierung ernst zu nehmen. „Schweigen auf deutscher Seite kann und darf niemals eine Option sein“, betonte er.
Abgelehnter Antrag der Linken
Die Fraktion Die Linke drang auf die Anerkennung griechischer Reparationsforderungen. Im Falle Griechenlands sei die Frage von Entschädigungen für während der Besatzung durch Nazi-Deutschland begangene Verbrechen an der griechischen Bevölkerung und die ebenso erfolgte systematische Zerstörung von Infrastruktur, Sachwerten und Staatsvermögen bis heute nicht zufriedenstellend beantwortet, hieß es in dem Antrag der Fraktion (19/14725.
Die Abgeordneten forderten die Bundesregierung auf, der griechischen Regierung gegenüber zu erklären, „dass die offizielle Forderung nach Reparationen für vom NS-Regime begangene Kriegsverbrechen und Kriegsschäden von der Bundesrepublik als rechtens“ ebenso anerkannt wird wie eine individuelle Entschädigung von Opfern deutscher Besatzungsverbrechen. Mit der griechischen Seite sollten nach dem Willen der Linken Verhandlungen mit dem Ziel eines Abkommens aufgenommen werden, welches Art, Umfang und Konditionen der zu leistenden Reparationen für Kriegsschäden regelt.
Abgelehnter Antrag der Grünen
Die Grünen forderten in ihrem Antrag mit dem Titel „80 Jahre Überfall der Wehrmacht auf Griechenland – Europas Zusammenhalt stärken und die erinnerungspolitische Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Griechenland intensivieren“ (19/27827), der griechischen Seite als Geste des guten Willens und als humanitäre Geste Vorschläge zu unterbreiten.
Diese Vorschläge sollten sich unter anderem beziehen auf einen neuen Umgang mit der Rückzahlungsforderung seitens Griechenlands: auf die sogenannte Zwangsanleihe, auf weitere zivilgesellschaftliche Solidaritäts- und Erinnerungsprojekte, die die Bedürfnisse und Interessen der griechischen Seite noch stärker berücksichtigen und auch die jüngere Generation einbeziehen, auf Kompensationszahlungen sowie individuelle Entschädigungszahlungen für die Opfer der NS-Verbrechen und ihre Kinder, die bislang noch nicht oder unzureichend entschädigt wurden, auf die sozial-medizinische Unterstützung für noch lebende Opfer und ihre Kinder, auf Restitutionen und aktive Unterstützung gegenüber den jüdischen Gemeinden Griechenlands, auf Zukunftsinvestitionen für die Städte, Dörfer und Regionen, die unter deutscher Besatzung schwer gelitten und vollständig oder teilweise zerstört wurden und bislang dafür nie entschädigt wurden. (hau/ahe/sas/vom/25.03.2021)