Besuch

Ulla von Brandenburg

Isabelle, Aquarell auf Papiercollage, 2018

In den vergangenen Jahren arbeitete Ulla von Brandenburg (geb. 1974 in Karlsruhe), die vor allem durch Installationen und Filmarbeiten einem internationalen Publikum bekannt wurde, immer wieder an Zeichnungen, die sich verschiedensten Aspekten vergangener und gegenwärtiger Machtverhältnisse widmen. Dabei entstanden auch Porträts von Frauen, die unmittelbar mit der Geschichte der Frauenbewegung verbunden sind, etwa der Schriftstellerin und Frauenrechtlerin Hedwig Dohm oder der Juristin und Aktivistin der bürgerlichradikalen Frauenbewegung Anita Augspurg. Ganz gleich, ob es sich um diese oder andere Personen der Zeitgeschichte handelt, Ulla von Brandenburg wurde bescheinigt, dass die Protagonisten ihrer Zeichnungen von  einer „geradezu schaurigen Präsenz“ gekennzeichnet seien. Sie bildeten demnach „eine Gemeinschaft ‚Nachlebender‘, die aus diesen Zeugen vergangener Zeiten die idealen Beobachter der Welt von heute macht. Gleich dem Vorhalten eines Spiegels werden wir durch die Zeichnungen daran erinnert, dass die Fragestellungen der Vergangenheit auch die unsrigen sind und dass die existenziellen Kämpfe unaufhaltsam die Epochen überschreiten.“ (J. Enckell Juliard)

Für den Auftrag des Kunstbeirats entschied sie sich für ein Porträt Isabelle Eberhardts, jener Schweizer Schriftstellerin russischer Herkunft, die als polyglotte Feministin in arabischen Männerkleidern und unter männlichem Pseudonym sieben Jahre lang durch die Sahara reiste und unter anderem einer Muslimbrüderschaft beitrat. Auf ihren Reisen verfasste sie mehrere Romane, Erzählungen und Reiseberichte, die allerdings erst viele Jahre nach ihrem Tod, der sie schon im Alter von 26 Jahren bei einer Sturzflut in einem Wadi ereilte, bekannt wurden. Isabelle Eberhardt galt in den 1970er Jahren als Vorbild der modernen Frauenbewegung. Ihr bewusster Wechsel der Geschlechterrolle, die Eroberung von Räumen und Orten, die für Frauen in jener Zeit nahezu unzugänglich waren, ihre Kraft, das Leben ganz nach ihren persönlichen Vorstellungen und Idealen zu gestalten, prädestinierte sie dafür. Anfang der 1990er Jahre wurde ihr Leben verfilmt, noch einmal dreißig Jahre später führte der Broadway ein Musical mit ihrem Namen auf. Ulla von Brandenburg zeigt sie noch vor ihren großen Abenteuerreisen als Mädchen in einen Matrosenanzug gekleidet. Sie huldigt also nicht der legendären erwachsenen Frau, sondern zeigt das junge Mädchen Isabelle, dem der zu jener Zeit fast unmögliche Aufbruch noch bevorsteht.

Ulla von Brandenburg studierte zunächst Bühnenbild und Medienkunst an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe und später bildende Kunst an der Hochschule für Bildende Künste Hamburg. Seit 2016 lehrt sie als Professorin an der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe. Zu den zahlreichen Preisen und Stipendien zählen der Hamburger Kunstpreis (2013), der Kunstpreis Böttcherstraße der Kunsthalle Bremen (2007) und ein Stipendium der Jürgen-Ponto-Stiftung (2006). Ulla von Brandenburg lebt in Frankreich. (kvo)