Franca Bartholomäi
1919 – Mehr als nur eine Mode, Papierschnitt, 2018
Franca Bartholomäis Werk besteht fast ausschließlich aus Holz- und Papierschnitten, deren Motive durch die in der Technik angelegten Schwarz-Weiß-Kontraste zugleich verdichtet und verfremdet werden. Fast immer stehen dabei Frauen und Mädchen im Mittelpunkt mystisch anmutender Bilderzählungen, manchmal werden sie von Tieren und Fabelwesen begleitet. Jeder Bildfindung Franca Bartholomäis geht ein langer Findungs- und Herstellungsprozess voraus. Anleitungen, die kryptischen Tableaus und Serien zu lesen, gibt es nicht.
Der Papierschnitt „1919 – Mehr als eine Mode“ ist für die Hallenser Künstlerin eine ungewöhnliche Arbeit, die normalerweise nie nach Fotovorlagen und selten auf ein konkretes Thema hin arbeitet: „Deshalb brauchte ich ein wenig Anlauf. Als Vorarbeit entstanden mehrere Collagen, die sich eher assoziativ mit dem Frausein an sich beschäftigen. Das Recht zu wählen ist ja nur ein Aspekt unter vielen, nur ein kleiner Schritt in Richtung Gleichberechtigung, wenn auch von großer gesellschaftlicher Tragweite. Und weil nichts anderes meine Inspiration so sehr befördert wie die Arbeit selbst, war da plötzlich der Gedanke, dass dieser Schritt mehr war als nur eine Modeerscheinung. Damit stand das Wort ‘Mode’ im Raum und ich begann mich für das Thema zu interessieren. Bei meinen Recherchen stieß ich auf ein Foto jener Jahre: Es zeigt eine Frau im schwarzweißen Kostüm, recht schlicht
geschnitten, weniger feminin als die Kleider um die Jahrhundertwende, aber noch nicht so androgyn wie in den 1920er Jahren. Da ich fast ausschließlich schwarzweiß arbeite, sprach mich das Bild sofort an. Ich zeichnete es ab und übertrug die Zeichnung freihändig auf schwarzen Karton, was mir die Möglichkeit einer besonderen Aneignung, ja Identifikation gab – ich machte das Gesicht zu ‘meinem’ Gesicht. Die Figur stellte ich in ein weißes Fenster um ihr Tiefe zu verleihen. Zugleich kann es dem Betrachter etwas von der Faszination vermitteln, die mich immer erfüllt, wenn eine Bildidee aus dem Dunkel aufleuchtet. Selbstbewusst blickt die Frau aus ihrem hellen Geviert. Vielleicht ist sie auf dem Weg zur Wahl – ganz sicher auf den Weg in eine Zukunft, in der sich vieles ändern wird – bezüglich der Rollenverteilung und bezüglich des Verständnisses von Geschlecht an sich. Eine Entwicklung, die bis heute andauert
und noch lange nicht abgeschlossen ist.“
Franca Bartholomäi (geb. 1975 in Hohenmölsen, Sachsen-Anhalt) studierte an der Burg Giebichenstein, Hochschule für Kunst und Design Halle Malerei bei Professor Thomas Rug. Seit 2010 lehrt sie dort im Fachgebiet Grafik. Franca Bartholomäi wurde mit zahlreichen Preisen und Stipendien geehrt, darunter dem Nordhäuser Grafikpreis der Ilsetraut-Glock-Grabe-Stiftung (2016), dem Mainzer Stadtdrucker-Preis (2016), dem Preis des Freundeskreises Neues Kunsthaus Ahrenshoop (2015) und dem Landeskunstpreis Sachsen-Anhalt (2013). (kvo)