COVID-19-Ausnahmeverordnung passiert Rechtsausschuss
Berlin: (hib/MWO) Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz hat am Mittwoch die Verordnung der Bundesregierung zur Regelung von Erleichterungen und Ausnahmen von Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (19/29257) zur Annahme empfohlen. Für die Verordnung, die am Donnerstag vom Bundestag verabschiedet werden soll, stimmten die Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD und die Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen. Die AfD stimmte dagegen, die FDP enthielt sich.
Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Christian Lange (SPD), erläuterte die nach seinen Worten in Rekordzeit erarbeitete Verordnung und bat um die Zustimmung der Fraktionen. Lange sagte, mit der zunehmenden Gewissheit, dass von geimpften und genesenen Personen eine geringere Ansteckungsgefahr ausgeht, eröffne sich die Möglichkeit von Erleichterungen für diese Personengruppen. Da nach den fachlichen Auskünften des Bundesgesundheitsministeriums und des Robert-Koch-Instituts von Genesenen und Geimpften Personen weniger Risiken für andere ausgehen als von getesteten Personen, könnten nicht nur Gleichstellungen der geimpften und genesenen Personen mit Getesteten erfolgen, sondern für erstere auch mehr Ausnahmen vorgesehen werden.
Konkret heiße das vor allem: Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen gelten grundsätzlich nicht mehr für geimpfte und genesene Personen. Natürlich dürfe dabei der Schutz von alten Menschen und Menschen mit Behinderungen nicht aus dem Blick verloren werden, sagte Lange. Kontaktbeschränkungen sollten hier zwar fallen, es brauche aber noch Schutzkonzepte, um das soweit erforderlich abzusichern. Da es aber keinen vollständigen Schutz für geimpfte und genesene Personen gebe, blieben auch für diese insbesondere Gebote zum Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen und Abstandsgebote unberührt. Schließlich erhielten die Länder dort, wo sie noch Regelungskompetenzen für Gebote und Verbote haben, durch eine Öffnungsklausel die Möglichkeit, auch dort Ausnahmen für geimpfte und genesene und getestete Personen vorzusehen. Die Sperrwirkung des Bundesrechts werde mithin insoweit aufgehoben.
In der Debatte betonten Abgeordnete der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD, dass die „Bundesnotbremse“ erfreuliche Wirkungen zeige. Die vorgesehenen Maßnahmen seien daher verfassungsrechtlich geboten und zeigten eine Perspektive für weitere Öffnungsschritte und für mehr Freiheit. Linke und Grüne signalisierten Zustimmung, mahnten aber gleichzeitig Klarheit über die nächsten Schritte an. Ein Vertrauensverlust müsse verhindert werden. Für die FDP ist die Verordnung ein Schritt in die richtige Richtung, sie gehe aber nicht weit genug. Die AfD erklärte, massivste Grundrechtseinschränkungen pauschal für alle Menschen seien nicht hinnehmbar.
Nach ausführlicher Diskussion empfahl der Ausschuss mit den Stimmen der Koalition auch die Annahme des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zur Änderung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) (19/18792, 19/19367) in der Fassung des Änderungsantrags der Fraktionen der CDU/CSU und SPD. AfD und FDP stimmten dagegen, Linke und Grüne enthielten sich. Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesjustizministerium, Rita Hagl-Kehl (SPD), verteidigte die von Linken und Grünen monierte lange Verfahrensdauer. So seien unter anderem die Ergebnisse der Evaluierung des NetzDG eingearbeitet worden.
Aus Sicht von CDU/CSU wurden mit den Änderungen die Nutzerrechte gestärkt. Linke und Grüne sahen weiterhin Probleme, obwohl Kritikpunkte aufgenommen worden seien. Mit einer Reihe von ergänzenden Regelungen soll nach den Vorstellungen der Bundesregierung die Bekämpfung strafbarer Inhalte auf den Plattformen der erfassten Anbieter sozialer Netzwerke weiter verbessert und transparenter gemacht werde. Ferner soll die Beilegung von Streitigkeiten zwischen Beschwerdeführern sowie Nutzern mit den Anbietern zukünftig vereinfacht und effektiver gemacht und die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche wegen der Verletzung absolut geschützter Rechte aufgrund rechtswidriger Inhalte erleichtert werden. Die Abstimmung über den Entwurf steht am Donnerstag auf der Tagesordnung des Bundestages.
Ebenfalls am Donnerstag soll das Plenum ohne vorherige abschließende Aussprache über einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Verbraucherdarlehensrechts (19/26928) abstimmen, der im Ausschuss einstimmig angenommen wurde. Damit sollen zwei Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union umgesetzt werden, die die Auslegung der EU-Verbraucherkreditrichtlinie betreffen.
Abgelehnt wurde mit den Stimmen der Koalition, der AfD und der FDP ein Gesetzentwurf der Linksfraktion zur Aufnahme des Grundrechts auf Wohnen in das Grundgesetz (19/16479). Die Grünen stimmten für die Vorlage, die die Schaffung eines Artikel 14a im Grundgesetz vorsieht, der ein subjektives und einklagbares Recht auf angemessenen bezahlbaren Wohnraum beinhaltet. Keine Mehrheit fanden auch Anträge der FDP und der Linksfraktion für eine gesetzliche Regelung des Einsatzes von Vertrauenspersonen (19/25248) und zur Eindämmung rechtsstaatswidriger Tatprovokationen und Entschädigung Betroffener (19/25352). Für den FDP-Antrag stimmten auch die Grünen. Die Koalitionsfraktionen, die AfD und Die Linke lehnten ihn ab. Der Antrag der Linken wurde von den Grünen unterstützt, Koalition und AfD stimmten dagegen, die FDP enthielt sich.
Ohne Erfolg blieben auch Anträge der Linken mit dem Titel „Fremdbestimmte Operationen an trans- und intergeschlechtlichen Menschen - Aufarbeiten, Entschuldigen und Entschädigen“ (19/17791) und der Grünen für einen Entschädigungsfonds für trans- und intergeschlechtliche Menschen (19/22214). Sie wurden mit den Stimmen von Koalition und AfD, bei Enthaltung der FDP abgelehnt. Ein weiterer Antrag der Grünen mit dem Titel „Soziale Elternschaft rechtlich absichern“ (19/20864) fand ebenfalls keine Mehrheit. Koalition, AfD und FDP stimmten dagegen, Die Linke enthielt sich.
Das Ausschuss beschloss die Einbeziehung eines Gesetzentwurf der AfD-Fraktion zur Einführung einer Schonfristzahlung bei ordentlichen Kündigungen von Wohnraummietverträgen und zur Bekämpfung des Mietnomadentums (19/20589) in die bereits beschlossene öffentliche Anhörung zum Thema Mietrecht am 19. Mai 2021.
Abgesetzt von der Tagesordnung wurde mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen die Beschlussfassung über die Terminierung der dem Grunde nach beschlossenen öffentlichen Anhörungen zu den Gesetzentwürfen der Linken und der Grünen zur Streichung beziehungsweise Ersetzung des Begriffs Rasse im Grundgesetz (19/20628, 19/24434) sowie zu dem Antrag der Linksfraktion mit dem Titel „Deutschland braucht ein Unternehmensstrafrecht“ (19/7983).
Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und bei Enthaltung der Opposition beschloss der Ausschuss in den Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht 1 BvQ 51/21, 1 BvR 860/21 und 1 BvR 865/21 (Infektionsschutzgesetz) Stellung zu nehmen, einen Verfahrensbevollmächtigten zu bestellen und den Verfahren beizutreten. Einstimmig beschloss das Gremium, die Empfehlung des Unterausschusses Europarecht zu mehreren Ratsdokumenten zur Kenntnis zu nehmen.