Lob und Kritik für Bericht zur weltweiten Religionsfreiheit
Berlin: (hib/SAS) Der zweite Bericht der Bundesregierung zur weltweiten Lage der Religionsfreiheit ist bei Experten auf Zustimmung, aber auch Kritik im Detail gestoßen. In einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe unter der Leitung von Gyde Jensen (FDP) am Mittwochnachmittag lobten die Sachverständigen die gründliche Beschäftigung mit dem Thema, regten jedoch an, in künftigen Berichten auch die Situation der Religions- und Weltanschauungsfreiheit in Deutschland und anderen europäischen Staaten in den Blick zu nehmen.
In ihrem zweiten Bericht für den Zeitraum 2018 und 2019 (19/23820) hatte die Bundesregierung einen weltweiten Trend zur Einschränkung des Menschenrechts auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit verzeichnet. Neben der digitalen Kommunikation seien insbesondere Blasphemie- und Anti-Konversionsgesetze eine aktuelle Herausforderung bei der Gewährleistung dieses Menschenrechts: Diese erwiesen sich „unter dem Vorwand des Schutzes der Religions- und Weltanschauungsfreiheit oft als Einfallstor für die Einschränkung von Menschenrechten, unter anderem der Religions- und Weltanschauungsfreiheit selbst“, so die Bundesregierung.
Heiner Bielefeldt, Professor für Menschenrechte und Menschenrechtspolitik an der Universität Erlangen-Nürnberg, wies daraufhin, die Religions- und Weltanschauungsfreiheit sei ein „vielfältig verletztes Menschenrecht“. Häufiges Motiv dafür sei Korruption, betonte der frühere Berichterstatter für Religions- und Weltanschauungsfreiheit des UN-Menschenrechtsrats. Wo Korruption grassiere, erodiere Vertrauen, der öffentliche Raum schrumpfe. „Dann wird es eng, stickig und giftig in einer Gesellschaft.“ Die Religionsfreiheit sei zudem ein oftmals „verdrehtes“, von Staaten etwa für ihre Identitätspolitik missbrauchtes Recht: „Doch Religionsfreiheit ist ein Recht der Menschen, nicht der Staaten“, hob Bielefeldt hervor. Es sei ein Freiheitsrecht - und dürfe zudem keinesfalls „als eine Art Gegenrecht“ gegen andere Grundrechte wie etwa die Meinungsfreiheit aufgebaut werden.
Marianne Heimbach-Steins, Direktorin des Instituts für Christliche Sozialwissenschaften an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster, nahm es positiv zu Kenntnis, dass die Bundesregierung mit ihrem Bericht ein „Signal für die Bedeutung des Rechts auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit“ setze. Dieses sei kein Anhängsel anderer Grundrechte, sondern ein „eigenständiges, elementares Freiheitsrecht“. Die Religions- und Weltanschauungsfreiheit schütze das Individuum vor Beschränkungen des Rechts, seine Religion auszuüben. Es schütze aber nicht Religionen und Weltanschauungen als solche - zum Beispiel vor Kritik und Satire, stellte die Expertin klar. In kommenden Berichten müsse zudem die Situation der Religionsfreiheit in Deutschland und anderen europäischen Staaten kritisch beleuchtet werden, mahnte sie an. Dass es hier keine „nennenswerten Probleme“ gebe, sei schließlich nicht realistisch.
Mouhanad Khorchide, Leiter des Zentrums für Islamische Theologie an der Universität Münster, hielt die Aufnahme europäischer Staaten zwar für richtig, gab aber zu bedenken, dass dies den Missbrauch der Rede vom antimuslimischen Rassismus durch Islamisten weiter befördern könne. Sinnvoller sei stattdessen, stärker zwischen innerislamischen Strömungen zu differenzieren. So werde etwa die Situation liberaler Muslime, die auch unter Repressionen litten, kaum beachtet. Der Bericht weise zwar außerdem daraufhin, dass sich die Lage der Religionsfreiheit in fast allen islamischen Ländern verschlechtert habe. Doch die dahinterstehenden politisch-strukturellen Probleme würden zu wenig benannt, monierte Khorchide. Ohne Demokratisierung lasse sich Religionsfreiheit aber nicht herstellen.
Erika Steinbach, Vorsitzende der Desiderius-Erasmus-Stiftung, nahm in ihrer Stellungnahme ebenfalls die Verletzungen der Religionsfreiheit in muslimisch geprägten Staaten in den Fokus. Diese nannte die ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen als „am beunruhigendsten“ und warnte vor der Expansion des „politischen Islamismus“ in Richtung Europa. Davor verschließe die Bundesregierung in ihrem Bericht die Augen, „obwohl alle Signale längst auf Alarm stehen“, kritisierte Steinbach. Das berge für die Demokratie auch in Deutschland Gefahren.
Viel Anerkennung für den Bericht äußerte Thomas Schirrmacher, Direktor des International Institute for Religious Freedom: Der Bericht enthalte substanzielle Informationen, beleuchte zentrale Querschnittsthemen und nehme die Lage der Religionsfreiheit allgemein und nicht nur die Lage der Christen „vorurteilsfrei“ in den Blick. Letztlich kämen alle Berichte - die sich allgemein mit Bedrohungen der Religionsfreiheit beschäftigten und die, welche nur die Christenverfolgung in den Blick nähmen, sowieso zu einem „fast identischem Ergebnis“.
Sabine Schiffer, Leiterin des Instituts für Medienverantwortung, beurteilte den Bericht zwar als „wertvoll“, warf jedoch dennoch in ihrer Stellungnahme die Frage auf, weshalb die Bundesregierung die Religionsfreiheit mit ihrem Bericht so herausgreife, während die Meinungsfreiheit weltweit ebenso zunehmend unter Druck stehe. Die Medienpädagogin äußerte sich „mit Blick auf die Mechanismen der Aufmerksamkeitsökonomie“ zudem skeptisch, ob bei der Umsetzung von gleichen Rechten für alle die Betonung von Gruppenzugehörigkeiten wirklich ein Vorteil sei.
Der Pfarrer und Kirchenrechtler Patrick Roger Schnabel, Beauftragter für den kirchlichen Entwicklungsdienst im Berliner Missionswerk, hingegen fand es „begrüßenswert“, dass die Bundesregierung religionsbezogenen Themen in der Außen- und Entwicklungspolitik sowie dem Schutz der Religionsfreiheit ein zunehmend größeres Maß an Beachtung schenke. Dies erhöhe die Qualität ihres analytischen und strategischen auswärtigen Handelns erheblich. Der Religionsfreiheit komme historisch eine Schlüsselstellung für die Entwicklung von Grund- und Menschenrechten zu - bis heute sei sie ein „Gradmesser für die Freiheitlichkeit und Rechtstaatlichkeit eines Gemeinwesens“. Durch die Einbeziehung der Expertise möglichst vieler unabhängiger Akteure helfe der Bericht, die „Lücke wirklich belastbaren Materials“ zu diesem Thema zu schließen.