Ausschüsse

Sachverständige begrüßen festen Finanzamts-Zinssatz

Zeit: Montag, 16. Mai 2022, 13 bis 14.30 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal E 200

Der von der Bundesregierung geplante feste Satz für Finanzamtszinsen bei Nachzahlungen und Erstattungen ist am Montag, 16. Mai 2022, in einer Anhörung des Finanzausschusses unter Leitung des Ausschussvorsitzenden Alois Rainer (CDU/CSU) von den meisten Sachverständigen begrüßt worden. Hinterfragt wurden allerdings die neue Höhe des Zinssatzes von 1,8 Prozent im Jahr sowie in Zukunft unterschiedliche Zinssätze bei ähnlichen Sachverhalten. Der Satz von 1,8 Prozent soll den vom Bundesverfassungsgericht verworfenen Zinssatz von sechs Prozent pro Jahr ersetzen.

Grundlage der Anhörung war der von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (20/1633). Damit will die Bundesregierung den Zinssatz ab 1. Januar 2019 rückwirkend verfassungskonform ausgestalten. Die Angemessenheit des neuen Zinssatzes von 0,15 Prozent pro Monat (1,8 Prozent pro Jahr) soll alle drei Jahre mit Wirkung für nachfolgende Verzinsungszeiträume evaluiert werden. Die erste Evaluierung soll zum 1. Januar 2026 erfolgen. Die Bundesregierung erwartet in diesem Jahr Mindereinnahmen von 2,46 Milliarden Euro und im kommenden Jahr von 530 Millionen Euro.

Einheitlicher Zinssatz für alle erfassten Zinstatbestände

Prof. Dr. Burkhard Binnewies von der Kanzlei Streck Mack Schwedhelm sprach sich dafür aus, einen einheitlichen Zinssatz für alle erfassten Zinstatbestände einzuführen. Bei Stundungs- und Aussetzungszinsen sollte auch der neue Satz von 0,15 Prozent im Monat und nicht weiter der Satz von 0,5 Prozent gelten. Der Entwurf der Bundesregierung stelle einen „Systembruch“ dar. Binnewies sprach sich weiter dafür aus, Erstattungszinsen nicht mehr als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu besteuern, da Nachforderungszinsen bei der Steuer nicht zum Abzug zugelassen seien.

Auch der Deutsche Steuerberaterverband und die Bundesteuerberaterkammer mahnten eine Anpassung der anderen Zinssätze an. Der Steuerberaterverband bezeichnete den Satz von 1,8 Prozent als insgesamt zu hoch. Null Prozent sei der einzig richtige Satz. Prof. Dr. Andreas Musil von der Universität Potsdam verwies in seiner Stellungnahme darauf, dass die im Gesetzentwurf geregelten Zinsen Liquiditätsvorteile ausgleichen sollten, die im Besteuerungsverfahren entstehen würden. Ob und wann diese Vorteile entstehen würden, könne der Steuerpflichtige nicht beeinflussen. Deshalb sei es verfassungsrechtlich zwingend, dass die Zinslast die Vorteile noch realitätsgerecht abbilde. „Dieser enge Konnex besteht bei anderen Zinsarten in dieser Deutlichkeit nicht. Im Gegenteil dienen andere Zinsen ganz anderen Funktionen“, so Musil.

Transparenz hinsichtlich der Höhe des Zinssatzes gefordert

Der Bund der Steuerzahler begrüßte die Wahl eines starren Zinssatzes. Nicht verständlich sei jedoch die gewählte Höhe von 1,8 Prozent. Der Hinweis in der Gesetzesbegründung, dass der Zuschlag einen angemessenen Mittelwert zwischen Haben- und Darlehenszins darstelle, sei nicht transparent. Die Überprüfung des Zinssatzes solle auch nicht alle drei Jahre erfolgen, sondern jährlich. Ebenso wie Professor Binnewies übte auch der Bund der Steuerzahler Kritik an der steuerrechtlichen Behandlung der Zinsen. Die Nichtabzugsfähigkeit von Nachzahlungszinsen habe die Unternehmen stark belastet. Daher sollten Erstattungszinsen entweder wieder steuerfrei werden oder Nachzahlungszinsen zumindest abzugsfähig.

Die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft vermissten ebenfalls Transparenz. Es sei nicht nachzuvollziehen, welche Berechnungsgrundlagen und Erwägungen zu einem Zinssatz von 1,8 Prozent pro Jahr geführt hätten. Wie Prof. Binnewies sahen es auch die Spitzenverbände als kritisch an, dass andere Zinstatbestände der Abgabenordnung nicht neu geregelt würden, obwohl ein enger Sachzusammenhang bestehe.

Ablehnung eines flexiblen Zinssatzes

Die Deutsche Steuergewerkschaft begrüßte, dass auch in Zukunft mit einem festen Zinssatz gearbeitet werde. Einen flexiblen, sich möglicherweise ständig ändernden Zinssatz zu verwenden, halte man für keine praxistaugliche Lösung. Ständig neue Festlegungen von Zinssätzen erschwerten die Verwaltungspraxis, und für die Steuerzahler seien die verschiedenen Zinssätze nicht mehr nachvollziehbar.

Der Bundesverband der Lohnsteuerhilfevereine erklärte, man halte die Regelungen grundsätzlich für sachgerecht und angemessen. Wie schon die Deutsche Steuergewerkschaft erklärten auch die Lohnsteuerhilfevereine, ein einheitlicher und fester Zinssatz sei für den Steuerpflichtigen transparenter und leichter nachvollziehbar. (hle/16.05.2022)