Mit gleich drei Petitionen hat sich der Petitionsausschuss am Montag, 24. Juni 2019, in öffentlicher Sitzung unter Leitung von Marian Wendt (CDU/CSU) befasst. Die Forderung nach Schaffung von Übergangsregelungen für Psychologiestudenten beraten geht auf eine Petition der Psychologiestudentin Maria Heuring zurück, die knapp 85.000 Unterstützer gefunden hat.
„Angemessene Übergangsregelungen“ gefordert
Sie kritisiert, dass die aktuellen und zukünftigen Psychologiestudenten sowie die derzeitigen Psychotherapeuten in Ausbildung (PiA) von den „begrüßenswerten Verbesserungen durch das Psychotherapeutenausbildungsreformgesetz“ ausgeschlossen seien. „Wir fordern deshalb angemessene Übergangsregelungen für derzeitige Psychologiestudierende und PiA“, sagte die in der Psychologie-Fachschaften-Konferenz (PsyFaKo) organisierte Studentin. Es gelte, die Ausbildungsmöglichkeiten der Studierenden zu sichern, indem ihnen ein Wechsel in das neue Ausbildungssystem ermöglicht werde.
Laut dem von der Bundesregierung geplanten Reformgesetz soll künftig die Approbation als Psychotherapeutin oder als Psychotherapeut nach einem fünfjährigen Universitätsstudium erteilt werden. Für den Zugang zum Versorgungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung soll eine anschließende Weiterbildung notwendig sein.
„Übergangszeit zu knapp berechnet“
Derzeitige Studenten profitierten von der Reform nicht im Geringsten, „denn nach einer knappen Übergangsfrist haben sie keine Möglichkeit mehr, Psychotherapeut zu werden, außer das Studium im neuen System von vorne zu beginnen“, sagte Heuring. Das Reformgesetz erkenne keine Härtefallregelungen an, sodass sie im Falle von Krankheit, Familienplanung, der Pflege Angehöriger, beruflicher Nebentätigkeiten oder einer Promotion Schwierigkeiten bekämen, ihr Studium und ihre Ausbildung fristgerecht abzuschließen.
Die geplante Übergangszeit von zwölf Jahren für Studium und Ausbildung sei zu knapp berechnet, befand die die Petentin begleitende Studentin Katharina Janzen. Die Gründe, warum diese Zeit für viele nicht ausreichen werde, seien sehr vielfältig, sagte sie und plädierte für Härtefallregelungen.
Regierung: Übergangszeit ausreichend
Nach Auffassung des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) ist die geplante Übergangszeit ausreichend, sagte Susanne Wald, Leiterin der Abteilung 3 für Gesundheitsschutz, Krankheitsbekämpfung und Biomedizin im Ministerium. Es müsse bedacht werden, dass Länder und Universitäten für die gesamte Zeitdauer parallele Systeme in der Ausbildung vorrätig haben müssten. Forderungen von Übergangszeiten bis zu 30 Jahren seien daher nicht umsetzbar.
Verbesserungen sind nach Ansicht der Petentin – abseits des Reformgesetzes – auch für die Psychotherapeuten in Ausbildung (PiA) nötig. Sie würden trotz eines abgeschlossenen Studiums während ihrer postgradualen Ausbildung zum Psychotherapeuten mit durchschnittlich 639 Euro im Monat bezahlt, „obwohl sie behandlungsrelevante Leistungen erbringen und meist voll in der Patientenversorgung eingesetzt sind“, kritisierte Heuring. Zudem müssten sie ihre Ausbildungskosten, die zwischen 20.000 und 80.000 Euro lägen, selbst tragen und besäßen keinen arbeits- und sozialrechtlichen Status und somit keinen Anspruch auf Bezahlung, Urlaub oder Mutterschutz.
BMG-Abteilungsleiterin Wald sagte dazu, es sei diskutiert worden, ob man bei der Weiterbildung einen Teil der Behandlungshonorare, die die Weiterbildungseinrichtungen bekämen, an die Psychotherapeuten in Ausbildung weitergeben könne. In der Vergangenheit sei dies „auf freiwilliger Basis“ erfolgt. „Die Frage ist, ob das ein Instrument sein kann, das durchgreift und den Interessen beider Seiten gerecht wird“, sagte die Ministeriumsvertreterin.
„Innovationen und Anreize statt Verbote“
In der zweiten Petition geht es um ein generelles Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen. Die Bundesregierung hält ein solches Tempolimit weder im Hinblick auf den Klimaschutz noch als Beitrag zur Senkung der Verkehrstoten für sinnvoll. Das machte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI), Steffen Bilger (CDU), deutlich.
Das BMVI setze in Sachen Klimaschutz mehr auf Innovationen und Anreize als auf Verbote, sagte Bilger während der Sitzung und verwies unter anderem auf die Bemühungen des Ministeriums zur Verbesserung des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV), zur Stärkung der Radinfrastruktur und zu einer besseren Verkehrslenkung durch Möglichkeiten der Digitalisierung.
„Einsparung von zwei Millionen Tonnen CO2“
In der von Christian Fuhrmann, Oberkirchenrat der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, eingebrachten Petition, die mehr als 65.000 Unterstützer gefunden hat, wird ein solches Tempolimit als „sofort umsetzbarer und kostengünstiger Beitrag, um die CO2-Emissionen zu senken“ bezeichnet. Mit einem Tempolimit von 130 km/h könnten zwei Millionen Tonnen CO2 eingespart werden, sagte Fuhrmann. „Ein kleiner Beitrag, aber einer, den wir sofort leisten können“, fügte er hinzu. Die Zeit dränge schließlich. „Wir können es uns schon lange nicht mehr leisten, nicht auch kleine Schritte zu gehen“, sagte Fuhrmann.
Ein solches Tempolimit führe aber auch zu weniger Staus und zu einer Senkung der Zahl der Verkehrstoten. Alle Staaten der EU mit Ausnahme von Deutschland hätten sich für ein Tempolimit entschieden. „Es ist an Ihnen, diesen Rückstand aufzuholen“, sagte der Petent an die Abgeordneten gewandt.
„20 Prozent weniger Verkehrstote“
Der den Petenten begleitete Verkehrsforscher Thorsten Koska verwies auf internationale wissenschaftliche Studien, die zeigten, dass die Senkung der Durchschnittsgeschwindigkeit um fünf Prozent die Zahl der Verkehrstoten um 20 Prozent senken könne. Eine Feldstudie in Brandenburg habe zudem gezeigt, dass auf Autobahnstrecken, die vorher unbegrenzt waren, durch Tempolimits eine Halbierung der Verkehrstoten möglich geworden sei.
Für Verkehrs-Staatssekretär Bilger ist jedoch das generelle Tempolimit „eher eine Lösung aus der Vergangenheit“. Dank der Telematik sei es schon jetzt, aber erst recht in der Zukunft möglich, die Verkehrsflüsse der Wetterlage und der Verkehrslage entsprechend zu lenken und dazu nötige Geschwindigkeitsanpassungen vorzunehmen.
Weiter sagte Bilger, schon jetzt würden Tempolimits dort verhängt, „wo die Sicherheit es gebietet“. Im Übrigen sei zu eintöniges Fahren „nicht zuträglich für die Sicherheit“. Die deutschen Autobahnen seien sehr sicher und „für den schnellen Verkehr ausgebaut“. Im Vergleich zu anderen Ländern mit Tempolimits seien in Deutschland die Unfallzahlen und die Zahl der Verkehrstoten geringer.
„Finanzielles Risiko verlässlich absichern“
Die dritte Petition, mit der sich der Ausschuss öffentlich befasste, betraf das Thema Pflege. Die Bundesregierung sucht derzeit nach Lösungen, um eine bessere Planbarkeit der zu zahlenden Pflegekosten für pflegebedürftige Angehörige zu erreichen. Das machte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in der Sitzung deutlich. „Die Frage, wie wir dahin kommen, wird uns gemeinsam in den nächsten Monaten beschäftigen“, sagte der Minister vor den Abgeordneten.
Grundlage der öffentlichen Sitzung war eine Forderung der Petentin Brigitte Döcker, Vorstandsmitglied bei der Arbeiterwohlfahrt (AWO), durch die Pflegeversicherung das finanzielle Risiko für die Menschen bei Pflegebedürftigkeit verlässlich abzusichern. Dazu müsse der Eigenanteil, den Pflegebedürftige zahlen müssen, in der Höhe begrenzt werden, heißt es in der Vorlage. Zudem müsse der Eigenanteil über die gesamte Dauer der stationären Pflege verlässlich planbar sein.
„Beängstigende Entwicklung in der Altenpflege“
Döcker sprach während der Sitzung von einer beängstigenden Entwicklung in der Altenpflege. Um nicht noch mehr Arbeitskräfte in dem Bereich zu verlieren, müssten die Arbeitsbedingungen verbessert und die Löhne erhöht werden, sagte sie. Die dabei entstehenden Mehrkosten müssten die pflegebedürftigen Menschen aber derzeit allein tragen, da die Leistungsbeträge der Pflegekassen gesetzlich festgeschrieben, „also gedeckelt“ seien. Das bringe die Menschen nicht mehr nur an den Rand ihrer finanziellen Existenz, sondern konfrontiere sie auch mit enormen Unsicherheiten, was mögliche Kosten in der Zukunft betrifft.
Perspektivisch müsse es so sein, dass alle Kosten von der Pflegeversicherung übernommen werden, sagte die Petentin. Dazu müsse aber das gesamte System umgestellt werden. „Die Einnahmebasis muss verbreitert werden“, sagte die AWO-Vertreterin. Eine Begrenzung müsse aber schon kurzfristig erreicht werden. Dazu sollten aus Sicht von Döcker auch Beitragserhöhungen nicht ausgeschlossen werden. „Transfermasse“ sei aber auch anderorts vorhanden. Derzeit werde eine Milliarde Euro jedes Jahr im Pflegevorsorgefonds „geparkt“, die genutzt werden könnten – ebenso wie Mittel aus der Krankenversicherung.
Minister: Alle Vorschläge werden betrachtet
Spahn entgegnete: „Irgendjemand muss aber am Ende zahlen.“ Nehme man Geld aus dem Pflegevorsorgefonds, stehe dies späteren Generationen nicht mehr zur Verfügung. Nehme man Mittel aus der Krankenversicherung, fehlten sie dort.
Der Minister sagte zu, alle derzeit diskutierten Vorschläge zu betrachten, auch den sogenannten „Sockel-Spitze-Tausch“, bei dem der Eigenanteil begrenzt ist und alle Kostensteigerungen von der Pflegekasse getragen werden sollen. Man müsse aber auch immer den damit verbundenen „verhaltenstechnischen Effekt“ betrachten, gab er zu bedenken. (hau/24.06.2019)