Hubertus Heils Grundrente sorgt für heftigen Disput
Der Bundestag hat sich am Freitag, 13. September 2019, in erster Lesung mit dem größten Einzeletat (Einzelplan 11) des Bundeshaushalts 2020 (19/11800), dem Etat des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, befasst. Die Ausgaben für die Rentenleistungen sind die größten im gesamten Etat, kein Wunder also, dass das Thema Rente auch in der Debatte eines der größten Aufregerthemen war. Vor allem die von Minister Hubertus Heil (SPD) geplante Grundrente sorgte für einen heftigen Disput zwischen Regierung und Opposition.
148,56 Milliarden Euro für Arbeit und Soziales
148,56 Milliarden Euro (2019: 145,26 Milliarden Euro) umfasst der Etat im Jahr 2020. Das ist ein Anstieg von 3,3 Milliarden Euro gegenüber 2019. Der größte Posten bleibt mit 109,61 Milliarden Euro (2019:105,32 Milliarden Euro) die Rente, deren steigende Kosten der Hauptgrund für den Anstieg des Gesamtetats sind. Auf 101,77 Milliarden Euro (2019: 98,01 Milliarden Euro) beziffern sich die Leistungen an die Rentenversicherung. Bei diesen Leistungen bilden die Zuschüsse des Bundes an die allgemeine Rentenversicherung mit 37,83 Milliarden Euro (2019: 36,30 Milliarden Euro) den größten Ausgabenposten. Für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung will der Bund im nächsten Jahr 7,7 Milliarden Euro ausgeben (2019: 7,1 Milliarden Euro).
Für arbeitsmarktpolitische Leistungen und Programme stellt der Bund, zusätzlich zu den Mitteln der Bundesagentur für Arbeit, 36,99 Milliarden Euro (2019: 37,93 Milliarden Euro) bereit. Fast die gesamten Mittel dieses Bereiches werden für Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende ausgegeben: 36,55 Milliarden Euro (2019: 37,32 Milliarden Euro). Davon entfallen 20,2 Milliarden Euro (2019: 20,6 Milliarden Euro) auf das Arbeitslosengeld II. Für die Beteiligung des Bundes an den Kosten für Unterkunft und Heizung sind 6,2 Milliarden Euro (2019: 6,7 Milliarden Euro) eingeplant.
Minister: Grundrente ist keine Fürsorgeleistung
Für Hubertus Heil geht es in der Sozialpolitik nicht nur um Bilanzen: „Es geht um die Frage, ob wir das Kernversprechen der sozialen Marktwirtschaft erneuern, Wohlstand nicht nur für wenige, sondern für viele zu sichern,“ und dies höre nach dem Arbeitsleben nicht auf. „Wir müssen endlich die Grundrente in Deutschland durchsetzen“, bekräftigte Heil seine Idee, Niedrigrenten nach 35 Beitragsjahren über den Grundsicherungssatz hinaus aufzustocken.
Nochmals betonte er, dass er eine Bedürftigkeitsprüfung bei der Grundrente ablehne, da diese keine Fürsorgeleistung sei. „Wir stehen in der Pflicht, wir müssen uns einigen“, appellierte er an die Unionsfraktion.
AfD: Sie verkennen die Zeichen der Zeit
Uwe Witt (AfD) kritisierte die Bundesregierung scharf, da sie aus seiner Sicht an einem „maroden System“ herumdoktere und auf „vielfach gescheiterte Projekte“ setze. Dabei stünden die „Zeichen auf Sturm“, Hunderttausende Arbeitsplätze seien bedroht, „aber Herr Heil macht Sandkastenspiele mit einem sozialen Arbeitsmarkt“, sagte Witt.
Darauf, dass wegen der drohenden Rezession die Einnahmen der Sozialkassen sinken und die Ausgaben steigen würden, liefere der Haushalt keine Antworten. „Sie verkennen die Zeichen der Zeit“, warnte Witt.
CDU/CSU: Wünsch-Dir-Was schadet dem Sozialstaat
Hermann Gröhe (CDU/CSU) entgegnete: „Deutschland ist ein leistungsstarker Sozialstaat. Darauf sind wir stolz. Und wer dies als marodes System diffamiert, will mit schäbiger Absicht Angst schüren. Das hat mit der Realität nichts zu tun.“
Gröhe appellierte vor dem Hintergrund einer Konjunkturabschwächung dafür, alles zu unterlassen, was die Wirtschafts- und Innovationskraft Deutschlands und die Chancen kommender Generationen gefährdet. Ein unbezahlbares „Wünsch-Dir-Was“ schade letztlich dem Sozialstaat, warnte er – ob er dabei die Grundrenten-Pläne im Blick hatte, blieb offen.
FDP: Sie wollen Geld mit der Gießkanne ausgeben
Johannes Vogel (FDP) nahm jedenfalls kein Blatt vor den Mund, als es darum ging, die Grundrente als Wünsch-Dir-Was-Politik zu kritisieren. „Sie wollen das Geld mit der Gießkanne ausgeben“, warf er Heil vor.
Dabei habe nun schon die dritte wissenschaftliche Studie ergeben, wie „krass ungenau“ das Modell sei. „Es geht an den wirklich von Altersarmut betroffenen Menschen vorbei.“
Linke: Altersarmut ist vorprogrammiert
Dr. Gesine Lötzsch (Die Linke) stellte fest, dass sich in den vergangenen zwölf Jahren die Zahl der von Altersarmut betroffenen Menschen verdoppelt habe. Im Osten der Republik arbeite jeder dritte Beschäftigte zum Niedriglohn.
„Da ist Altersarmut vorprogrammiert, diese Menschen fühlen sich nicht nur abgehängt, sie sind es auch“, sagte Lötzsch und forderte: „Deshalb muss der Mindestlohn auf zwölf Euro je Stunde angehoben werden.“
Grüne kritisieren „kurzsichtige Rentenpolitik“
Ekin Deligöz (Bündnis 90/Die Grünen) kritisierte die aus ihrer Sicht kurzsichtige Rentenpolitik der Bundesregierung: „Laut Planung werden die Rentenkosten bis 2023 um 15 Milliarden Euro jährlich steigen. Aber erst dann kommt der richtige Druck auf dieses System, und darauf haben Sie gar keine Antwort. Und wenn Sie jetzt von der doppelten Haltelinie oder Ähnlichem reden, dann ist das doch nur ein PR-Gag“, ärgerte sich Deligöz.
Dabei wisse die Regierung doch jetzt schon, dass die Demografiereserve viel zu niedrig sei und dass deutlich mehr getan werden müsse, um die Beiträge ab 2024 zu stabilisieren. Auch dafür, wie die Mütterrente dann finanziert werden solle, habe die Regierung keine Idee, betonte die Grüne.
SPD: Niemand soll durch Netz der sozialen Sicherung fallen
Kerstin Tack (SPD) betonte die Verantwortung der Bundesregierung, dafür zu sorgen, dass niemand durch das Netz der sozialen Sicherung falle. Dafür stehe dieser Haushalt, sagte sie.
Mit deutlichen Worten kritisierte sie die FDP-Fraktion: Es sei eine Frechheit, zu behaupten, dass 90 Prozent der Menschen in Deutschland so gut abgesichert seien, dass sie einer Aufstockung und Anerkennung ihrer Lebensleistung nicht bedürften. „Das ist eine Klatsche für die vielen Frauen, die von unserem Grundrentenmodell profitieren“, betonte Tack. (che/13.09.2019)