Der Bundestag hat sich am Donnerstag, 12. Dezember 2019, für die Annahme eines Gesetzentwurfs von CDU/CSU und SPD zur Änderung der Handwerksordnung und anderer handwerksrechtlicher Vorschriften (19/14335) ausgesprochen. Der Entwurf wurde in einer vom Wirtschaftsausschuss geänderten Fassung mit breiter Mehrheit bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Abschließend wurde ein wortgleicher Gesetzentwurf der Bundesregierung für erledigt erklärt (19/14974). Der Bundesrat hatte gegen den Regierungsentwurf keine Einwendungen erhoben (19/15705).
Initiativen der Opposition abgelehnt
In zweiter Beratung hatte der Bundestag zuvor mit wechselnden Mehrheiten drei Änderungsanträge von Bündnis 90/Die Grünen (19/15878, 19/15879, 19/15880) zum Gesetzentwurf abgelehnt. Ein Gesetzentwurf der AfD zur Wiedereinführung der Meisterpflicht für alle zulassungspflichtigen Handwerksberufe (19/11120) wurde mit der Mehrheit der übrigen Fraktionen abgelehnt. Bei gleichem Stimmverhalten wurde ein Antrag der AfD zur Wiedereinführung der Meisterpflicht (19/4633) abgelehnt. Ebenfalls abgelehnt wurde ein Antrag der Linksfraktion (19/10154) zur Ausweitung der Meisterpflicht mit der Mehrheit von CDU/CSU, SPD, AfD und FDP bei Enthaltung der Grünen. Abgelehnt wurde zudem ein Antrag der Grünen für ein starkes Handwerk (19/10628) bei Enthaltung der Linksfraktion mit der Mehrheit der anderen Fraktionen gegen das Votum der Grünen. Der Abstimmung lag eine Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie (19/15873) zugrunde.
Mit dem Beschluss ist eine bestandene Meisterprüfung künftig wieder in mehr Handwerksberufen die Voraussetzung dafür, sich mit einem eigenen Betrieb selbstständig zu machen. Die sogenannte Meisterpflicht war 2004 für 53 Gewerke abgeschafft worden. Jetzt wird sie für zwölf davon wieder eingeführt. Im Einzelnen sind dies Fliesen-, Platten- und Mosaikleger, Betonstein- und Terrazzohersteller, Estrichleger, Behälter- und Apparatebauer, Parkettleger, Rollladen- und Sonnenschutztechniker, Drechsler und Holzspielzeugmacher, Böttcher, Glasveredler, Schilder- und Lichtreklamehersteller, Raumausstatter sowie Orgel- und Harmoniumbauer. In der Begründung des Gesetzentwurfs wird ausgeführt, dass es sich dabei um Berufe mit hohen Sicherheitsanforderungen handelt beziehungsweise mit kulturell wertvollem Wissen, das weitergegeben werden soll.
Minister: Es geht um Wertschätzung und Qualität
Die Beschränkung auf zwölf Berufe begründete Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) mit dem Europarecht, aber auch mit der grundgesetzlich geschützten Berufsfreiheit. Beides erfordere besondere Begründungen für die Meisterpflicht. Das Gesetz solle aber in fünf Jahren evaluiert werden, und dann könnten möglicherweise auch weitere Gewerke aufgenommen werden.
Grundsätzlich sagte Altmaier zu dem Gesetzentwurf, es gehe um Wertschätzung für das Handwerk, aber ebenso „um Qualität, Qualifizierung und um die Zukunft der Betriebe“.
AfD wollte mehr Berufe einbeziehen
Er freue sich, „dass unsere Forderungen einmal umgesetzt werden“, sagte Tino Chrupalla (AfD). Deshalb stimme seine Fraktion zu, auch wenn sie sich die Meisterpflicht für wesentlich mehr Gewerke gewünscht hätte. Dass das Europarecht dem entgegenstehen würde, bestritt Chrupalla. So ließe sich der Schutz von Kulturgut für wesentlich mehr Gewerke als Begründung für die Wiedereinführung der Meisterpflicht anführen.
Ein von der AfD-Fraktion eingebrachter Gesetzentwurf (19/11120) mit dem Ziel, „die Meisterpflicht für alle zulassungspflichtigen Handwerksberufe wiedereinzuführen“, wurde von allen anderen Fraktionen abgelehnt.
FDP: Vorschläge der AfD sind von gestern
Auch seine Fraktion verstehe die Abgrenzung beim Kulturgüterschutz nicht, sagte Manfred Todtenhausen (FDP). Aber „daran lassen wir es nicht scheitern“, begründete der Elektromeister die Zustimmung seiner Fraktion.
Zur Forderung der AfD, die Meisterpflicht generell wieder einzuführen, bemerkte er allerdings: „Mit Lösungen von gestern können Sie keine Probleme von morgen lösen.“
Linke: Stimmen halber Rolle rückwärts zu
Thomas Lutze (Die Linke) verwies darauf, dass es seine Partei schon 2004 vor der Abschaffung der Meisterpflicht in vielen Berufen gewarnt habe. „Aber es war eben der Zeitgeist, der damals herrschte. Der gleiche Zeitgeist, der auch Hartz IV eingeführt hat, den Niedriglohnsektor ausgebaut hat und Leiharbeit von der Ausnahme zur Regel gemacht hat.“
Der jetzt vorliegende Gesetzentwurf sei halbherzig, gehe aber in die richtige Richtung. Dass etwa für Gerüstbauer wegen ihrer gefährlichen Arbeit die Meisterpflicht wieder eingeführt werde, das Reinigungsgewerbe aber weiter auch ohne Meisterbrief Gerüste aufstellen dürfe, sei nicht nachvollziehbar. Aber, so Lutze, „wir stimmen der halben Rolle rückwärts zu“.
Grüne: Kritik an vielen Stellen
Die Grünen-Fraktion hätten gerne eine Reihe weiterer Regelungen zum Handwerk in die Novelle aufgenommen und hat dazu Änderungsanträge gestellt (19/15878, 19/15879, 19/15880), die aber vom Plenum abgelehnt wurden. So bemängelte Claudia Müller (Bündnis 90/Die Grünen), dass der Erwerb des Meisterbriefs mit hohen Kosten und einem hohen Zeitaufwand verbunden sei. Es wäre erforderlich, vor einer Ausweitung der Meisterpflicht erst einmal für Gebührenfreiheit zu sorgen, argumentierte Müller.
Mit Blick auf die starke Abwanderung von Menschen, die im Handwerk ausgebildet wurden, in besser bezahlende Branchen forderte Müller weiterhin eine Ausweitung der Tarifbindung. Auch die hätte man schon mit dieser Novelle angehen können. Und schließlich verlangte sie eine fünfjährige Übergangsfrist für Betriebe, die derzeit nicht von einem Meister geführt werden, für den Fall des Betriebsübergangs. Sonst drohe die Schließung, wenn dafür kein Meister gefunden werde.
SPD kündigt weitere Novelle an
Für die SPD-Fraktion rechtfertigte Sabine Poschmann die Ablehnung solcher Forderungen zum jetzigen Zeitpunkt. „Wir sollten nicht auf die Schnelle alle möglichen Themen jetzt hier in die Novelle reinquetschen.“ Der eine oder andere Vorschlag sei diskussionswürdig, solle aber sorgfältig beraten werden.
Poschmann kündigte einen weiteren Gesetzentwurf zur Handwerksordnung an, unter anderem, um die Tarifbindung im Handwerk zu erhöhen.
CDU/CSU: Nicht nur Freunde in Brüssel
Jens Koeppen (CDU/CSU) verwies darauf, dass es nach 2004 eine Vielzahl von Fehlentwicklungen gegeben habe. Die Abschaffung der Meisterpflicht habe zwar zu mehr Betriebsgründungen geführt, aber auch zu Qualitätsproblemen, unter denen der Ruf des Handwerks gelitten habe, und zu vielen Insolvenzen.
Darauf reagiere die Koalition nun. Dass sie dies vorsichtig tue, habe auch damit zu tun, dass die Meisterpflicht „in Brüssel nicht nur Freunde“ habe, sagte der Elektromeister.
Koalition: Änderung der Handwerksordnung erforderlich
Seit der letzten Novelle 2003 habe sich „das Berufsbild und auch der Schwerpunkt der praktischen Berufsausübung einzelner zulassungsfreier Handwerke weiterentwickelt und verändert“, heißt es im Koalitionsentwurf. Diese Veränderungen seien „so wesentlich, dass sie eine Reglementierung der Ausübung der betroffenen Handwerke zum Schutz von Leben und Gesundheit sowie der Wahrung von Kulturgütern und immateriellem Kulturerbe im Sinne eines Wissenstransfers erforderlich machen“. Gleichzeitig haben sich laut Entwurf die Ausbildungszahlen und die Meisterprüfungen reduziert. Durch die Wiedereinführung der Zulassungspflicht als Voraussetzung zum selbstständigen Betrieb der betroffenen Handwerke sollen zum einen die genannten Ziele erreicht und zum anderen solle auch bei der Ausbildungsleistung gegengesteuert werden.
Der selbstständige Betrieb eines solchen Handwerks ist dann nur noch zulässig, wenn der Betriebsinhaber oder ein technischer Betriebsleiter in der Handwerksrolle eingetragen ist. Die erfolgreich bestandene Meisterprüfung beziehungsweise eine erteilte Ausübungsberechtigung wird aber nur für solche Handwerke wieder Voraussetzung zum selbstständigen Betrieb des Handwerks, wenn es sich um gefahrgeneigte Handwerke handelt, deren unsachgemäße Ausübung eine Gefahr für Leben und Gesundheit bedeutet, oder um solche Handwerke, die vom Kulturgüterschutz erfasst werden oder als immaterielles Kulturgut anzusehen sind und dabei ein Wissenstransfer notwendig ist.
Für alle natürlichen und juristischen Personen und Personengesellschaften, die bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes selbstständig den Betrieb eines solchen zulassungsfreien Handwerks ausüben, können auch ohne bestandene Meisterprüfung oder eine Ausübungsberechtigung in die Handwerksrolle eingetragen werden. Sie können auch weiterhin ihr Handwerk selbstständig ausüben und erhalten insoweit Bestandsschutz.
Erster Änderungsantrag der Grünen
In ihrem ersten Änderungsantrag (19/15878) wollten die Grünen die Aufgabe der Innungen im Bereich des Tarifgeschehens durch den ausdrücklichen Verweis auf den Abschluss von Tarifverträgen stärker als bisher betonen.
Die Handwerksordnung regele im Paragrafen 52 die Bildung von Handwerksinnungen und umschreibe dabei auch allgemein die Aufgaben der Innungen, heißt es in dem Änderungsantrag. Dabei stehe die Förderung der gemeinsamen gewerblichen Interessen der Mitgliedsbetriebe im Vordergrund.
Zweiter Änderungsantrag der Grünen
Im zweiten Änderungsantrag (19/15879) trat die Fraktion dafür ein, alle zwei Jahre eine Evaluation der Situation im Handwerk durchzuführen, da die Verhältnisse und Entwicklungen bei der Aus- und Weiterbildung sowie die Betriebs- und Beschäftigtenzahlen über die Jahre hinweg je nach Gewerk stark variierten.
Durch die regelmäßige Evaluation könne so eine verlässliche Datenbasis erstellt werden, was angesichts der Wichtigkeit des Handwerks für Deutschland angemessen sei, schrieben die Abgeordneten.
Dritter Änderungsantrag der Grünen
In ihrem dritten Änderungsantrag (19/15880) schrieb die Fraktion, eine Übergangsfrist von sechs Monaten sei deutlich zu kurz, um den Bestandsschutz auch bei Unternehmensnachfolgen, Erweiterungen oder Rechtsformänderungen zu gewährleisten.
Um sicherzugehen, dass Unternehmen weiterhin bestehen könnten, wollte die Fraktion den Beschäftigten im Handwerk eine angemessene Übergangszeit von fünf Jahren ermöglichen, um vor allem in Zeiten eines massiven Fachkräftemangels im Handwerk auch selbst eine Aufstiegsfortbildung zur Meisterin oder zum Meister wahrzunehmen.
Gesetzentwurf der AfD
Die AfD-Fraktion forderte, per Gesetz die Meisterpflicht wieder einführen. In ihrem Gesetzentwurf (19/11120) erklären die Abgeordneten, damit sollte für alle zulassungspflichtigen Handwerksberufe wieder die Meisterpflicht im Sinne der Handwerksordnung gelten. „Hierdurch sollen die entstandenen Fehlentwicklungen im Handwerk beseitigt werden.“ Gesellen, die auf Grundlage der Novelle von 2004 ihr Handwerk selbstständig ohne Meistertitel ausüben und die sich nicht in einem Anstellungsverhältnis befinden, sollen 24 Monate Zeit erhalten, um den Meister zu erwerben.
Die Novelle von 2004 habe zu Nachteilen für das deutsche Handwerk und die Volkswirtschaft geführt, heißt es im „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Änderung der Handwerksordnung - Wiedereinführung der Meisterpflicht“ zur Begründung. 53 Handwerke seien inzwischen in ihrem Kern so destabilisiert, dass nicht mehr von einem gesicherten Fortbestand ausgegangen werden könne.
Antrag der AfD-Fraktion
Um das Handwerk zu stärken, forderte die AfD in ihrem Antrag, „die Meisterpflicht für alle zulassungspflichtigen Handwerksberufe wiedereinzuführen“ (19/4633). Aus Sicht der Fraktion hat die Abschaffung der Meisterpflicht in zahlreichen Berufen zu Nachteilen für das deutsche Handwerk und die Volkswirtschaft geführt.
Statt der beabsichtigten erhöhten Beschäftigungsquote sei es zu gravierenden Fehlentwicklungen gekommen, die einer Revision bedürften, heißt es in dem Antrag.
Antrag der Linksfraktion
Qualität und Rahmenbedingungen im Handwerk standen im Mittelpunkt des Antrags der Linksfraktion (19/10154). Die Bundesregierung sollte unter Einbeziehung Betroffener Kern-Parameter wie Umsatz, Löhne und Beschäftigtenzahlen umfassend qualitativ und quantitativ evaluieren, forderten die Abgeordneten. Auf Basis dieser Ergebnisse sollte bei Handwerken, bei denen es sachlich geboten und rechtlich möglich erscheint, der verpflichtende Meisterbrief per Gesetz wieder eingeführt werden.
Dabei müssten die Selbstständigen Bestandsschutz erhalten, die sich nach der Handwerksnovelle 2004 ohne Meisterbrief selbstständig gemacht haben. Es müsse sichergestellt werden, dass die alternativen Zugangsmöglichkeiten der Handwerksordnung großzügig anerkannt werden, heißt es in dem Antrag weiter. Hintergrund ist die Diskussion über eine mindestens teilweise Wiedereinführung der Meisterpflicht für Berufe, für die genau diese Pflicht im Zuge der Novelle von 2004 abgeschafft wurde. Ausbildungsleistung und Qualität seien seitdem gesunken, erklärten die Abgeordneten der Linksfraktion.
Antrag der Grünen
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wollte hingegen mit einem Bündel an Maßnahmen Handwerker stärken und die Branche attraktiver für Nachwuchs machen. In ihrem Antrag (19/1062899 forderten die Abgeordneten unter anderem einen Steuerbonus für die energetische Sanierung für Eigenheimbewohner und ein Programm zum Dachausbau. Kleine und mittlere Unternehmen müssten bei Strompreisen entlastet werden, indem Industrieprivilegien auf das notwendige Maß reduziert werden, regionale Energieberatungen stärker gefördert werden. Weitere Vorschläge machten die Abgeordneten beispielsweise für Unternehmensgründungen und Nachfolgeregelungen, den Bürokratieabbau sowie zu Bezahlung und sozialer Absicherung.
Das Handwerk sei im Alltag überall präsent und unverzichtbar, heißt es zur Begründung. Es brauche gut qualifizierte Fachkräfte und attraktive Rahmenbedingungen, die umweltfreundliches und sozial verantwortliches Unternehmertum fördern. Zudem gelte es, Nachwuchs und Fachkräfte für das Handwerk zu gewinnen und zu halten. (pst/pez/hau/sas/12.12.2019).