Kramp-Karrenbauer: Wehretat nach 2020 kontinuierlich erhöhen
Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) hält die derzeitige mittelfristige Finanzplanung von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) für nicht ausreichend, um die Bundeswehr in den kommenden Jahren ausreichend zu finanzieren. In der ersten Lesung des Wehretats 2020 (19/11800, Einzelplan 14) am Mittwoch, 11. September 2019, begrüßte sie die geplante Erhöhung der Verteidigungsausgaben um rund 1,7 auf 44,9 Milliarden Euro als „eine gute Nachricht“, monierte aber zugleich: „Dieser Anstieg allein in 2020 genügt nicht.“ Sollte der Verteidigungsetat in den kommenden Jahren nicht kontinuierlich erhöht werden, dann wären wichtige Beschaffungsvorhaben für die Bundeswehr gefährdet.
Als Beispiele nannte Kramp-Karrenbauer, die das Amt der Verteidigungsministerin erst vor wenigen Wochen von Ursula von der Leyen (CDU) übernommen hat, den Nachfolger für das Kampfflugzeug Tornado, die Kooperation mit Norwegen für die Beschaffung neuer U-Boote und die Versorgung mit ausreichend Nachtsichtbrillen. Als eine der reichsten Industrienationen dürfe Deutschland nicht abseits stehen bei der Mitgestaltung der Welt, dies gelte auch für die Sicherheits- und Verteidigungspolitik, argumentierte die Ministerin. Deutschland müsse seine Zusagen gegenüber den Verbündeten einhalten.
„Zeichen der Wertschätzung für die Soldaten“
Das Ziel der Nato, rund zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) für Verteidigung auszugeben, sei „nicht herbeigeredet oder herbeigetwittert“ worden. Die Erhöhung der Verteidigungsausgaben sei zudem ein Zeichen der Wertschätzung für die Soldaten. Diese würden „für unser Land den Kopf hinhalten“ und hätten deswegen Anspruch auf „eine vollständige und die beste Ausrüstung“, sagte Kramp-Karrenbauer.
Mit dem Anstieg des Wehretats auf 44,9 Milliarden Euro wird Deutschland im kommenden Jahr voraussichtlich 1,37 Prozent des BIP für Verteidigung aufbringen. Aber nach den derzeitigen Planungen von Finanzminister Scholz wird die Quote ab 2021 wieder auf 1,32 Prozent, 2022 auf 1,28 Prozent und ab 2023 auf 1,24 Prozent des BIP sinken.
AfD: Streitkräfte sind nicht einsatzbereit
Scharfe Kritik am Regierungsentwurf für den Verteidigungshaushalt 2020 und der Planung für die kommenden Jahre übten die Oppositionsfraktionen – wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Der verteidigungspolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Rüdiger Lucassen, monierte, die Erhöhung der Verteidigungsausgaben zeige, welchen großen Schaden die Große Koalition der Bundeswehr in den vergangenen Jahren zugefügt habe. Die deutschen Streitkräfte seien nicht einsatzbereit.
Schuld daran seien aber nicht nur die verschiedenen Verteidigungsminister aus den Reihen der CDU/CSU, sondern alle Abgeordneten von Union und SPD, die diesen Kurs mitgetragen hätten. Sie hätten die Bundeswehr „zerstört“, sagte Lucassen. Und in der „schwersten Krise der Bundeswehr“ würden Politiker der Union über die neuen Ausgehuniformen für die Truppe diskutieren.
FDP: Beschaffungswesen wieder „auf Zack“ bringen
Der FDP-Haushaltspolitiker Karsten Klein kritisierte, dass die Bundesregierung das selbstgesteckte Ziel, bis 2024 rund 1,5 Prozent des BIP für Verteidigung aufzubringen, nicht erreichen werde. Zwar steige der Wehretat im kommenden Jahr auf 1,37 Prozent an, falle ab 2023 dann aber wieder auf 1,24 Prozent ab. Die Differenz zwischen Anspruch und Wirklichkeit im Verteidigungshaushalt belaufe sich auf mehr als zehn Milliarden Euro. Gerade aber die geplanten großen Beschaffungsvorhaben für die Bundeswehr bräuchten eine langfristige und solide Finanzierung.
Klein forderte Kramp-Karrenbauer zudem auf, endlich das Beschaffungswesen der Bundeswehr wieder „auf Zack“ zu bringen. Rüstungsvorhaben wie die Fregatte 125 oder der Schützenpanzer Puma würden immer wieder erst mit jahrelanger Verspätung realisiert. „Die Probleme des Beschaffungswesens liegen nicht im Bundestag, sondern im Ministerium“, sagte Klein.
Grüne kritisieren die Personalplanung
Der Verteidigungs- und Haushaltsexperte der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Dr. Tobias Lindner, monierte ebenfalls das Beschaffungswesen. Trotz vieler kleiner Veränderungen in den Abläufen, funktioniere die Beschaffung noch immer nicht. In den Verteidigungs- und Haushaltsdebatten des Bundestages rede man seit Jahren über die immer gleichen Probleme. Trotz steigender Verteidigungsausgaben seien die Probleme der Truppe noch immer nicht gelöst. Gleichzeitig halte die Regierung an Rüstungsprojekten wie dem neuen Luftverteidigungssystem fest, obwohl dessen Kosten mit einer Steigerung von vier auf acht Milliarden Euro aus dem Ruder liefen.
Lindner kritisierte zudem die Personalplanung des Verteidigungsministeriums. Obwohl die Bundeswehr es jetzt schon nicht schaffe, die angestrebte Soll-Stärke von 185.000 Soldaten zu erreichen, wolle die Regierung die Truppe jetzt auf eine Soll-Stärke von über 200.000 bringen. Die Truppe werde damit letztlich überfordert, weil die Strukturen personell nicht unterfüttert seien.
Linke: Probleme der Streitkräfte werden nicht gelöst
Scharfe Kritik an den steigenden Verteidigungsausgaben übte der Haushaltspolitiker Michael Leutert von der Linksfraktion. Würde die Finanzplanung der Regierung umgesetzt, dann stelle die Große Koalition der Bundeswehr in der Legislaturperiode gegenüber 2017 rund 23 Milliarden Euro mehr zur Verfügung. Die Probleme der Streitkräfte würden jedoch nicht gelöst.
Leutert fordert Ministerin Kramp-Karrenbauer auf, sich endlich verstärkt um das Problem des Rechtsextremismus in der Bundeswehr zu kümmern. Jene Soldaten, die sich gegen rechtsextreme Tendenzen zur Wehr setzten, müssten unterstützt werden. Ebenso kritisierte Leutert, dass die zugesagte Einstellung von jüdischen und islamischen Militärgeistlichen in der Bundeswehr im Haushaltsentwurf für das kommende Jahr finanziell nicht abgesichert sei.
SPD: Bundeswehr noch nicht zu 100 Prozent ausgerüstet
Kritische Töne musste sich Kramp-Karrenbauer auch aus den Reihen der SPD-Fraktion anhören. Deren Verteidigungspolitiker Dr. Fritz Felgentreu begrüßte zwar die sechste Erhöhung des Wehretats in Folge. Dies sei der Beleg dafür, dass die Große Koalition „mit großer Ernsthaftigkeit“ an der Wiederherstellung der Einsatzbereitschaft der Bundeswehr arbeite.
Zugleich mahnte er jedoch, dass auch im siebten Jahr der Großen Koalition es noch immer nicht gelungen sei, die Bundeswehr personell und materiell zu 100 Prozent auszurüsten. Dies sei aber notwendig, wenn man mit einer vergleichsweise kleinen Armee von rund 200.000 Soldaten den Frieden und die Freiheit verteidigen wolle.
CDU/CSU: Deutschland muss Zusagen einhalten
Uneingeschränkte Unterstützung für den Kurs von Kramp-Karrenbauer kam hingegen aus der Unionsfraktion. Deren verteidigungspolitischer Sprecher Henning Otte schloss sich der Forderung der Ministerin nach einem höheren Wehretat nach 2020 an. Dies sei nötig, um die angestrebten Projekte umzusetzen. Die Verbündeten erwarteten, dass Deutschland seine Zusagen einhalte und seiner Verantwortung gerecht werde, sagte Otte.
Zugleich lobte er die Politik der Großen Koalition. Diese haben mit mehreren Gesetzen im Personalbereich die Bundeswehr als Arbeitgeber attraktiver gemacht. Otte sprach sich zudem ebenso wie Kramp-Karrenbauer ausdrücklich für eine Fortsetzung der Auslandseinsätze zur Bekämpfung des sogenannten islamischen Staates im Irak und in Syrien aus. „Der IS ist noch nicht besiegt.“
1,69 Milliarden Euro mehr als 2019
1,69 Milliarden Euro mehr als für das Jahr 2019 geplant war soll die Ministerin 2020 ausgeben dürfen. 44,92 Milliarden Euro (2019: 43,23 Milliarden Euro) an Ausgaben sind in dem Einzelplan 14 des Haushalts 2020 vorgesehen. Auf Personalausgaben entfallen im Etatentwurf 19,25 Milliarden Euro (2019: 18,76 Milliarden Euro), auf militärische Beschaffungen 6,85 Milliarden Euro (2019: 6,5 Milliarden Euro). 400 Millionen Euro sind für die Beschaffung des Großraumtransportflugzeugs A 400 M vorgesehen (2019: 514,4 Millionen Euro), 580 Millionen Euro für die Beschaffung des Schützenpanzers Puma (2019: 700 Millionen Euro), 350 Millionen Euro für die Beschaffung des Waffensystems Eurofighter (2019: 327 Millionen Euro) und 400 Millionen Euro für die Beschaffung des Nato-Hubschraubers 90 (2019: 400 Millionen Euro).
Für die Materialerhaltung in der Bundeswehr sieht der Etatentwurf 4,09 Milliarden Euro vor (2019: vier Milliarden Euro), davon allein 2,33 Milliarden Euro für die Erhaltung von Flugzeugen, Flugkörpern, Flugrettungs-, Sicherheits- und sonstigem flugtechnischen Gerät (2019: 2,3 Milliarden Euro).
Gut fünf Milliarden Euro für Soldatenunterkünfte
Für die Unterbringung der Soldatinnen und Soldaten soll Ministerin Kramp-Karrenbauer 5,4 Milliarden Euro ausgeben können (2019: 5,38 Milliarden Euro), darunter 2,62 Milliarden Euro für Mieter und Pachten (2019: 2,6 Milliarden Euro) und 1,18 Milliarden Euro für Baumaßnahmen (2019: 1,17 Milliarden Euro).
Die internationalen Verpflichtungen der Bundeswehr, unter anderem für die Nato und für Auslandseinsätze, schlagen mit 1,83 Milliarden Euro zu Buche (2019: 1,61 Milliarden Euro). (aw/11.09.2019)