Merkel: Wir müssen wieder Vorreiter in der Klimapolitik werden
Die Debatte über den Einzelplan 04 des Bundeshaushaltes (Etat von Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt) ist regelmäßig der Höhepunkt einer jeden Haushaltswoche des Bundestages. Nicht wegen der Einzelposten dieses Einzelplans, sondern wegen der großen politischen Fragen, die in der Regel in dieser auch als Generaldebatte bezeichneten Aussprache diskutiert werden. So war es auch am Mittwoch, 11. September 2019. Und wer die politische Agenda der vergangenen Monate etwas verfolgt hat, den dürfte es wenig überraschen, dass das Thema Klimaschutz eine dominante Rolle in der Debatte spielte. Kaum ein Redner oder eine Rednerin, der oder die nicht darauf einging.
Außerdem schafften es in die Top-Ten-Liste der Themen auch noch: die Steuerpolitik, die angespannte internationale Weltlage mit dem Handelskonflikt zwischen China und den USA, die Digitalisierung, der gesellschaftliche Zusammenhalt und der technische Fortschritt insgesamt. Es war ein thematischer Rundumschlag, abhängig von den Fraktionszugehörigkeiten mit unterschiedlichen Gewichtungen: So spielte erwartungsgemäß das Thema Zuwanderung bei der AfD, das Thema Steuern bei der FDP oder das Thema Armutsbekämpfung bei den Linken eine große Rolle. Die Grünen versuchten, ihre Rolle als wahre Klimaschutz-Partei zu untermauern, und Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (CDU) legte einen Schwerpunkt darauf, erneut den Multilateralismus als Wertefundament der EU zu verteidigen.
AfD: Grün-sozialistische Ideologie in der Klimadebatte
Dr. Alice Weidel, Fraktionschefin der AfD, beschrieb Deutschland dabei als ein Land kurz vor dem Zusammenbruch: Die wirtschaftliche Krise komme nicht erst, sie sei bereits da; die unkontrollierte Zuwanderung nehme wieder zu, denn die Balkan-Route sei wieder offen; ein gigantischer Bankencrash, bei dem die Menschen alles verlieren, stehe bevor, die Infrastruktur verfalle, die öffentliche Ordnung leide, lautete ihr Fazit.
Statt sich diesen Problemen zu stellen, würde die Bundesregierung aber lieber neue steuerliche Belastungen ausbrüten, wie zum Beispiel die CO2-Bepreisung. In der klimapolitischen Debatte dominiere eine „grün-sozialistische Ideologie“, die die Zukunftsfähigkeit des Landes bedrohe. „Ihr vorgeblicher Klimaschutz ist nichts als ein Deindustriealisierungsprogramm“, warf Weidel der Bundesregierung vor.
Kanzlerin: Werden Klimaziele 2030 verlässlich erfüllen
Bundeskanzlerin Angela Merkel ging zwar nicht auf ihre Vorrednerin ein, machte jedoch deutlich, dass in den klimapolitischen Weichenstellungen, deren Notwendigkeit sie in eindringlichen Worten betonte, viele Chancen stecken. Deutschland und Europa müssten zum Vorreiter in der Klimapolitik werden und technologisch wieder auf die Höhe der Zeit kommen. „Wir sind das nicht mehr“, räumte sie ein.
Sie kündigte an, dass Deutschland seine Klimaziele 2030 verlässlich erfüllen werde. Eine CO2-Bepreisung sei nicht „irgendeine Auflage auf irgendetwas drauf“, sondern ein Mechanismus, der Innovationen und Forschung bringe. Es gehe nicht darum, Geld einzunehmen, sondern dieses sollte an die Bürger zurückgeben werden, damit alle zusammen den Umstieg schafften. Das alles sei ein „gewaltiger Kraftakt“.
Merkel betonte, dass kein Land der Welt die anstehenden Herausforderungen allein bewältigen könne und verteidigte in ausführlichen Worten den Multilateralismus der EU. Von diesem dürfe die EU nicht abweichen, auch wenn er derzeit stark unter Druck stehe, sagte die Kanzlerin.
FDP: Solidaritätszuschlag vollständig abschaffen
Christian Lindner, Chef der FDP-Fraktion, warnte davor, die Prinzipien der schwarzen Null wieder aufzuweichen: „Sie hat eine hohe Symbolkraft in Europa. Wer leichtfertig über neue Schulden spricht, der riskiert eine Rückkehr der Staatsschuldenkrise in der EU.“ Er warf der Regierung jedoch gleichzeitig vor, zu wenig Geld für Digitalisierung und Bildung in die Hand zu nehmen. Entgegen der vollmundigen Ankündigungen seien die Mittel für diese Bereiche sogar gekürzt worden, kritisierte er.
Lindner forderte außerdem eine vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags und ein Ende von „Klein-Klein“-Debatten beim Klima. „Eine höhere Mehrwertsteuer auf Wurstwaren wird das Weltklima nicht retten“, Deutschland müsse vielmehr wieder Technologieweltmeister werden anstatt sich durch Verzichtsdebatten zum Moralweltmeister aufzuschwingen, sagte Lindner.
SPD: Spaltungen so klein wie möglich halten
Dr. Rolf Mützenich, kommissarischer Chef der SPD-Fraktion, legte den Schwerpunkt seiner Rede auf die Fragen des gesellschaftlichen Zusammenhalts und des gerechten Regierens. „Mehr denn je können Beschäftigte und ihre Familien, junge und alte Menschen nicht auf gerechtes Regieren verzichten“, diese Prämisse bilde auch der aktuelle Haushaltsentwurf ab.
Die SPD wolle eine dem Gemeinwohl verpflichtete Politik machen, „wir müssen dafür sorgen, die Spaltungen, die unsere Wirtschaftsordnung hervorbringt, so klein wie möglich zu halten“, sagte er. Demagogen hätten die Menschen verführt und Kontinente ins Verderben gestürzt. „Wir werden uns ihnen mit aller Kraft entgegenstellen. Und der beste Ort dafür ist dieses Parlament“, betonte er.
Linke: Haushalt der Ideenlosigkeit
Dr. Dietmar Bartsch, Fraktionschef der Linken, warf der Regierung vor, angesichts der beunruhigenden Weltlage und der Anzeichen einer wirtschaftlichen Rezession einen „Haushalt der Ideenlosigkeit“ vorzulegen. „Strenge Schuldenbremse statt notwendiger Investitionen, Militär statt Sozialausgaben erhöhen und massenhafte Kinder- und Altersarmut zulassen – das sind die Prioritäten in Ihrem Haushalt“, kritisierte er.
In keinem Land gebe es so eine riesige soziale Spaltung wie in Deutschland, aber die Bundesregierung sei in der Substanz eine „Ankündigungskoalition“, deren wohlklingenden Reden nicht das entsprechende Handeln folge. Er forderte unter anderem eine stärkere Besteuerung großer Vermögen, Fortschritte beim Wohnungsbau und ein Konjunkturprogramm.
Grüne: Dem Haushalt fehlen Ergebnisse
Katrin Göring-Eckardt, Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, beklagte: „Alle reden vom Klima, stundenlang. Uns fehlt es nicht an Erkenntnis und Analyse. Was dem Haushalt fehlt sind: Ergebnisse.“ Sie warf der Regierung „14 Jahre Stillstand beim Klimaschutz“ vor, aber das Zeitfenster, in dem wir etwas tun könnten, werde immer kleiner, warnte sie.
„Ihre Aufgabe ist es, für sauberen Strom zu sorgen, und nicht, einen Windenergiegipfel zu veranstalten, bei dem nur Wind herauskommt.“ Ein Fünftel der Verschmutzung komme aus dem Verkehrsbereich, „aber wir haben einen Verkehrsminister, der nicht mal einen Abbiegeassistenten hinbekommt“, kritisierte sie und forderte: „Wir brauchen endlich Klimaschutzbeschlüsse, die Investitionen beinhalten.“
CDU/CSU: CO2 marktgerecht bepreisen
Ralph Brinkhaus, Vorsitzender der Unionsfraktion, erinnerte anlässlich des 70-jährigen Jubiläums der ersten Bundestagssitzung daran, dass den wesentlichen politischen Weichenstellungen der Bundesrepublik stets ein hartes politischen Ringen voranging, an dessen Ende aber immer ein gesellschaftlicher Konsens errungen worden sei. So müsse und werde es auch heute sein, auch beim Thema Klimaschutz.
Die marktgerechte Bepreisung von CO2 bezeichnete er als „Königsweg“, warnte aber: „Wir erreichen die Menschen nicht, wenn wir nur darüber reden. Wir müssen auch über den öffentlichen Nahverkehr reden und über unterschiedliche Lebensverhältnisse in Stadt und Land.“ Der Etat der Bundeskanzlerin sieht Ausgaben in Höhe von 3,19 Milliarden Euro (2019: 3,24 Milliarden Euro) vor. (che/11.09.2019)