Reform der Grundsteuer auf den Weg gebracht
Die vom Bundesverfassungsgericht vorgeschriebene Reform der für Städte und Gemeinden besonders wichtigen Grundsteuer kommt voran. Das in drei Gesetzentwürfe gepackte Reformprojekt der Großen Koalition (19/11084, 19/11085, 19/11086) wurde am Donnerstag, 27. Juni 2019, vom Bundestag an die zuständigen Ausschüsse unter Federführung des Finanzausschusses überwiesen.
Auch die Anträge der AfD-Fraktion (19/11125), der FDP (19/11144) und der Linken (19/7980) wurden im Anschluss zur federführenden Beratung an den Finanzausschuss überwiesen. Bei einem weiteren Antrag der Linken (19/8358) war strittig, ob der Rechtsausschuss oder der Finanzausschuss federführend ist. Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, der FDP und von Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von Linken und AfD wurde der Antrag zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz überwiesen.
Regierung verspricht Reform mit Vereinfachungen
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) sprach bei der Einbringung der Entwürfe von einer „grundlegenden Neuorganisation“. Man sei aber bei dem geblieben, was „seit Ewigkeiten das typische Prinzip für die Bewertung der Grundstücke gewesen ist: Man geht nach dem Wert.“ Es würden allerdings bisher aufgetretene Probleme gleich mit gelöst: Die Reform werde auch Vereinfachungen bringen, versprach Scholz.
Nach dem Entwurf der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD zur Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts (19/11085) soll für die Erhebung der Steuer in Zukunft nicht allein auf den Bodenwert zurückgegriffen werden, sondern es sollen auch Erträge wie Mieteinnahmen berücksichtigt werden. Für die Bundesländer ist eine Öffnungsklausel vorgesehen, damit sie die Grundsteuer nach anderen Bewertungsverfahren erheben können. Zur Vereinfachung des Verfahrens wird für Ein- und Zweifamilienhäuser, Mietwohngrundstücke und Wohnungseigentum ein vorgegebener durchschnittlicher Sollertrag in Form einer Nettokaltmiete je Quadratmeter in Abhängigkeit der Lage des Grundstücks typisierend angenommen. Auch in Zukunft werden die Gemeinden die Höhe der Grundsteuer mit örtlichen Hebesätzen bestimmen können. Um strukturelle Erhöhungen der Steuer zu vermeiden, appellieren CDU/CSU- und SPD-Fraktion an die Kommunen, die Hebesätze entsprechend abzusenken.
Änderung des Grundgesetzes notwendig
Ein weiterer von den Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD eingebrachter Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundsteuergesetzes zur Mobilisierung von baureifen Grundstücken für die Bebauung (19/11086) gibt Städten und Gemeinden die Möglichkeit der Festlegung eines erhöhten, einheitlichen Hebesatzes auf baureife Grundstücke. Mit dem erhöhten Satz könne über die Grundsteuer ein finanzieller Anreiz geschaffen werden, baureife Grundstücke einer sachgerechten und sinnvollen Nutzung durch Bebauung zuzuführen, heißt es in dem Gesetzentwurf.
Für die Öffnungsklausel ist zudem eine Änderung des Grundgesetzes erforderlich. Dazu dient der dritte Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen (19/11084), durch den der Bund mit der Änderung der Grundgesetzartikel 72, 105 und 125b uneingeschränkt die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz zur Regelung der Grundsteuer erhalten soll. Zugleich wird den Ländern über eine Ergänzung in Artikel 72 Absatz 3 des Grundgesetzes eine umfassende abweichende Regelungskompetenz eröffnet.
Minister: Keine Erhöhung des Steueraufkommens
Scholz betonte, das Steueraufkommen solle durch die Reform nicht steigen, obwohl es riesige Wertsteigerungen gegeben habe: „Deshalb haben wir uns bei der Entwicklung dieser Steuer sehr viel Mühe gegeben, sicherzustellen, dass das nicht passiert.“ Das heutige Steueraufkommen von knapp 15 Milliarden Euro werde auch in Zukunft deutschlandweit so erzielt werden, zeigte sich der Minister überzeugt. „Es wird einfacher, es wird digitalisierbar, und es wird nicht zu einer Erhöhung des Steueraufkommens kommen“, so der Minister.
Zur Länderöffnungsklausel sagte er, Abweichungsmöglichkeiten für Länder gebe es bereits in sechs Fällen. Jetzt komme ein siebter Fall hinzu. Maßstab für den Finanzausgleich unter den Ländern bleibe das Bundesgesetz. Wenn von der Abweichungsmöglichkeit Gebrauch gemacht werde, „dann kann das nicht auf Kosten anderer, finanziell schlechter ausgestatteter Länder geschehen“, sagte der Minister.
Koalition: Klares Bekenntnis zum Föderalismus
„Der Weg, den wir jetzt gehen, ist ein ganz klares Bekenntnis zum Föderalismus“, stellte Andreas Jung (CDU/CSU) fest. Die Einnahmen der Kommunen würden gesichert, aber gleichzeitig könne jedes Land auch ein eigenes Gesetz machen. Das ermögliche „föderale Vielfalt“. Maßstab für den Finanzausgleich bleibe aber das Bundesgesetz.
Bernhard Daldrup (SPD) erklärte, mit den Gesetzen sollten die kommunale Selbstverwaltung, die finanziellen Grundlagen der Kommunen und die Handlungsfähigkeit der kommunalen Demokratie gesichert werden.
AfD fordert Abschaffung der Grundsteuer
Ganz anders argumentierte Albrecht Glaser (AfD), der der Regierungskoalition vorwarf, zu echten Reformen nicht mehr fähig zu sein. Die Grundsteuer als älteste aller Steuern müsse abgeschafft werden: „Als Antiquität wäre sie eine Kostbarkeit, als Instrument zur zeitgemäßen Staatsfinanzierung ist sie ein Fossil.“ Nach dem Urteil des Verfassungsgerichts würden „in aller Eile Flicken an die Ärmel genäht, um die alte Jacke wieder benutzbar zu machen“.
Glaser sprach von einem bürokratischen Monstrum, das ins Steuermuseum gehöre. Als Ersatz für die Kommunen solle eine lokale Einkommenssteuer auf die Bemessungsgrundlage eingeführt werden.
FDP: Modell ist maximal kompliziert
Dass das neue Grundsteuermodell nicht funktionieren wird, befürchtet Dr. Florian Toncar (FDP): 35 Millionen Steuererklärungen müssten abgegeben werden, für deren Bearbeitung 7.000 Finanzbeamte erforderlich sein würden.
„Das Modell ist maximal kompliziert, aber nicht gerechter als andere Modelle“, sagte Toncar, der für den Antrag der FDP-Fraktion (19/11144) warb, deren Grundsteuer-Modell sich an der Grundstücks- und Gebäudefläche orientiert.
Linke kritisiert Steuerungerechtigkeit
„Das Gesetzespaket der Großen Koalition zur Grundsteuer vertieft die Steuerungerechtigkeit, wird viele Mieterinnen und Mieter zusätzlich belasten und es belohnt die politische Sektiererei von CSU und dem Land Bayern“, sagte Jörg Cezanne (Die Linke), der der CSU „Erpressung“ der Koalitionspartner vorwarf.
Die Linke lehne diese Kleinstaaterei ab, so Cezanne, der auch verlangte, die Überwälzung der Grundsteuer auf Mieterinnen und Mieter abzuschaffen.
Grüne loben richtige Richtung der Reform
„Die Kommunen sind auf die 14,7 Milliarden Euro angewiesen“, sagte Stefan Schmidt (Bündnis 90/Die Grünen), der die Bedeutung der kommunalen Infrastruktur betonte: „Es geht um nichts geringeres als um Lebensqualität in Deutschland, die vor Ort sichergestellt wird.“ Deshalb sei er erleichtert, dass ein Gesetzentwurf auf dem Tisch liege und die parlamentarische Beratung beginnen könne.
Für die Grünen sei wichtig, dass die Steuer gerecht sei: „Eine Villa kann doch nicht genauso bewertet werden wie das Austragsstüberl auf dem Dorf.“ Der Gesetzentwurf gehe in die richtige Richtung. Wie Cezanne verlangt auch Schmidt die Abschaffung der Umlagefähigkeit auf die Mieterinnen und Mieter.
Antrag der AfD
Die AfD hat ihren Antrag mit „Echte Gemeindesteuerreform statt Reparatur der Grundsteuer“ (19/11125) überschrieben. Darin fordert sie, das System der herkömmlichen Grundsteuer abzuschaffen und einen Rechtsrahmen zu schaffen, der die notwendige Gegenfinanzierung für die Gemeinden durch eine hebesatzfähige Beteiligung an der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer beziehungsweise eine angemessene Anhebung des Hebesatzes bei der Gewerbeertragssteuer sicherstellt.
Erster Antrag der Linken
Der Titel des ersten Antrags der Linken lautet „Sozial gerechte Grundsteuer-Reform für billigere Mieten und starke Kommunen“ (19/7980), er soll wie der AfD-Antrag federführend im Finanzausschuss beraten werden. Die Grundsteuer solle als bundeseinheitlich geregelte Einnahmequelle der Kommunen mit eigenem Hebesatzrecht erhalten bleiben. Bemessungsgrundlage von Grundstücken und Gebäuden im Rahmen der Grundsteuer B solle der Verkehrswert sein.
Zu den weiteren Forderungen der Fraktion gehört, dass die Umlagefähigkeit der Grundsteuer im Rahmen der Betriebskostenverordnung aufgehoben und die Grundsteuer ausschließlich von den Eigentümern entrichtet werden soll. Nicht profitorientierte, gemeinwohlorientierte sowie genossenschaftliche Wohnungsunternehmen sollen von der Grundsteuer befreit werden. Die Kommunen sollen für unbebaute, baureife Grundstücke ein eigenständiges Hebesatzrecht, die sogenannte Grundsteuer C, erhalten.
Zweiter Antrag der Linken
Erstmals beraten wurde darüber hinaus ein weiterer Antrag der Linken mit dem Titel „Grundsteuer nicht länger auf Mieterinnen und Mieter umlegen“ (19/8358). Auch in diesem Antrag verlangt Die Linke, die Umlagefähigkeit der Grundsteuer auf Mieterinnen und Mieter in der Betriebskostenverordnung zu streichen.
Antrag der FDP
Die FDP fordert die Bundesregierung in ihrem Antrag mit dem Titel „Grundsteuer – Einfaches Flächenmodell ohne automatische Steuererhöhungen“ (19/11144) unter anderem auf, einen Gesetzentwurf für eine einfache flächenbasierte Grundsteuer vorzulegen. Dabei sollten ausschließlich die Fläche des Grundstücks sowie die Gebäudenutzfläche sowie die jeweiligen Äquivalenzzahlen und Hebesätze herangezogen werden.
Im Übrigen solle davon abgesehen werden, wertabhängige und aufwendig zu erhebende Faktoren zu nutzen. Stattdessen will die FDP die bürokratischen Belastungen bei der Reform der Besteuerung des Grundvermögens für die Bürgerinnen und Bürger minimieren. Die Grundsteuer solle vorbehaltlich des kommunalen Hebesatzrechts aufkommensneutral reformiert werden. Den Umfang der Datenerhebung für den Länderfinanzausgleich will die Fraktion ebenfalls so gering wie möglich halten. (hle/27.06.2019)