Fraktionen kritisieren AfD-Antrag zu Target-Forderungen
Die AfD-Fraktion fordert eine Reform des Target-Systems, um eine umfassende Besicherung von Target-Forderungen zu ermöglichen. Einen entsprechenden Antrag (19/9232) hat der Bundestag am Donnerstag, 11. April 2019, debattiert. Das Target-2-System dient den Zentralbanken des Eurosystems zur schnellen Abwicklung von Zahlungen in Echtzeit. In dem System entstehen bei den einzelnen Zentralbanken positive beziehungsweise negative Salden. Die Target-Forderungen der Bundesbank beliefen sich zu Ende März auf 941 Milliarden Euro. Im Anschluss an die Debatte wurde der Antrag mit den Stimmen der Fraktionen von CDU/CSU, SPD, FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen zur weiteren Beratung federführend an den Haushaltsausschuss überwiesen.
AfD: Buchhalterisch wertlose Forderungen
Peter Boehringer (AfD) nannte das Target-System „eine Kreditvergabe der Bundesbank ohne Fälligkeitsdatum, ohne Tilgungspflicht, ohne Obergrenze, ohne Verzinsung“. Es seien „unbesicherte, nicht beitreibbare und damit buchhalterisch wertlose Forderungen in Höhe von drei Bundesjahreshaushalten“. Es sei das „größte Einzelvehikel der Eurorettung“. Boehringer warf der Bundesbank vor, die Risiken der Target-Forderungen zu leugnen. Es handle sich dabei nicht nur um eine „risikofreie Berechnungsgröße“, sondern um Kreditforderungen, argumentierte Boehringer. Schon eine Teilabschreibung, etwa bei einem Austritt von Italien oder Spanien aus der Eurozone, würde sofort das Eigenkapitel der Europäischen Zentralbank aufzehren.
In der Folge wäre auch die Bundesbank betroffen, die für diesen Fall aber keine Rückstellungen gebildet habe, sodass eine Refinanzierung aus Steuergeldern notwendig wäre. Anders als von der Bundesbank vergangenes Jahr erwartet, habe das Ende der EZB-Anleihenkäufe nicht dazu geführt, dass die Target-Forderung nicht weiter wachsen. Boehringer fordert den Bundestag und die Bundesregierung auf, die noch laufende Debatte zur Änderung des Statutes des Europäischen Systems der Zentralbanken für eine Reform zu nutzen. Der Abgeordnete verwies auf die Vorschläge seiner Fraktion, die Target-Forderungen zu besichern, nannte aber auch andere Möglichkeiten wie etwa einen Mittelmeerfonds.
CDU/CSU: Target-Salden sind keine Kredite
Dr. André Berghegger (CDU/CSU) sagte, dass das Thema der Target-Salden ernst genommen, aber auch vernünftig eingeordneten werden müsse. Der Christdemokrat warf der AfD-Fraktion vor, mit Behauptungen zu Zahlen und Risiken „Panikmache“ zu betreiben. „Target-Salden sind keine Kredite“, hielt Berghegger Boehringer entgegen. Die Salden seien keine Zahlungen, sondern „Folgen von Zahlungen“. Es fließe dabei kein Geld von Deutschland in andere Staaten, sondern umgekehrt. Das Target-System sei vielmehr ein Fieberthermometer, das zeige, dass etwas nicht stimme. Damit wieder Geld in die südlichen Länder fließe – und damit das Target-Forderungen der Bundesbank sich verringerten – müsse dort die Wettbewerbsfähigkeit gestärkt und das Vertrauen in Banken und Staaten gehoben werden; die EZB müsse zudem eine Rückführung der Geldmenge in den Blick nehmen, forderte Berghegger.
Zudem sei ein Abbau der Staatsschulden und notleidender Kredite anzugehen. Die Forderung der AfD-Fraktion nach einer Besicherung wies der Unionsabgeordnete zurück. Geld habe schon lange keinen Gegenwert mehr in Gold oder anderen Sicherheiten. Entsprechend würden Gold- und Devisenreserven nicht ausreichen, um die Target-Salden zu besichern. „Entweder wissen Sie es nicht besser oder Sie wollen es nicht besser wissen. Wir werden diesen Antrag ablehnen“, beschied Berghegger dem Ansinnen der AfD.
FDP: Risiko für Haushalt und Steuerzahler
Frank Schäffler (FDP) sah in hohen Target-Salden hingegen ein „erhebliches Risiko für Haushalt und Steuerzahler“. Man dürfe die Augen nicht vor dem Problem verschließen, „hohe Target-Forderungen machen erpressbar“. Würde ein Land aus dem Euro ausscheiden, gäbe es keine Rechtsgrundlage, um die Forderungen einzutreiben. Schäffler forderte verbindliche Regeln für den Fall, dass ein Land aus dem Euro austritt. Es stelle sich weiterhin die Frage, ob mit den bisherigen Maßnahmen die Eurozone erhalten werden könne.
Anders als die AfD wolle die FDP den Euro beibehalten, denn ein deutscher Euro-Austritt würde verheerende Folgen für Wirtschaft und Arbeitsplätze haben. Vielmehr müsse neben Regeln für einen geordneten Austritt aus dem Euro auf Eigenverantwortung und marktwirtschaftliche Mechanismen gesetzt werden. Schäffler forderte unter anderem, das Risiko von Staatsanleihen künftig zu bepreisen. Außerdem müsse der „geldpolitische Ausnahmezustand“ enden, damit der Interbankenhandel wieder in Gang komme. Ohne diesen Handel könne das Target-Problem nicht gelöst werden. Der Bundesregierung und den linken Parteien warf Schäffler vor, die EU zu einer Transferunion weiterentwickeln zu wollen. Dieser Weg sei aber gescheitert, sagte der FDP-Abgeordnete.
SPD: Euro ist ein Integrations- und Friedensprojekt
Sonja Amalie Steffen (SPD) warf der AfD-Fraktion vor, die Zeit des Parlaments zu verschwenden. Der Bundestag habe bereits einen früheren Antrag der Fraktion zu dem Thema abgelehnt, entsprechend verwies Steffen auf ihre frühere Rede zu dem Thema. Sie wolle sich an dem „Kasperletheater“ zu Target nicht beteiligen und ihre Rede vielmehr dazu nutzen, den „Euro zu loben“ – denn es gehe der AfD ohnehin darum, den „Euro an den Pranger zu stellen“.
Die Sozialdemokratin betonte, der Euro sei ein Integrations- und Friedensprojekt sowie ein wirtschaftliches Erfolgsprojekt. Deutschland profitiere mit seinen globalen Interessen von einem starken Euro. Das Target-System funktioniere und sei wichtig für den Binnenmarkt. Es geht auch nicht um eine Transferunion, entgegnete Steffen auf den Vorwurf von Frank Schäffler, sondern um eine Versicherungsunion, in der die Staaten füreinander einstünden. Es brauche mehr Euro und Binnenmarkt sowie eine Vollendung der Bankenunion, forderte die Sozialdemokratin.
Linke kritisiert deutsche Exportüberschüsse
Dr. Gesine Lötzsch (Die Linke) ging ebenfalls so gut wie gar nicht auf den Antrag der AfD ein, sondern attackierte die Europapolitik der Bundesregierung sowie Vorschläge von Union und SPD. Diese hätten Europa mit einer „brutalen Kürzungspolitik“ gespalten. Europa sei eine Steueroase für einige, für viele andere aber ein Armenhaus. Die Bundesregierung habe eine Internetsteuer verhindert und die lange versprochene Finanztransaktionssteuer immer noch nicht umgesetzt.
Lötzsch kritisierte die deutschen Exportüberschüsse, die dazu führten, dass sich andere Länder weiter verschuldeten und nicht auf den grünen Zweig kämen. Die Linken-Abgeordnete forderte daher eine Steigerung der Binnennachfrage und notwendige Investitionen in beispielsweise Brücken, Schulen und Kitas. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) warf sie vor, die Investitionen hingegen einfrieren zu wollen, was „wie eine Wachstumsbremse“ wirken würde. Lötzsch forderte zudem, Löhne, Renten und Mindestlohn anzuheben sowie hohe Vermögen „endlich gerecht zu besteuern“.
Grüne: AfD will den Euro abschaffen
Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen) warf der AfD-Fraktion vor, mit dem Target-Thema im Bereich der Verschwörungstheorien zu agieren. Mit Verweis auf die Ausführungen von André Berghegger betonte auch Paus, dass Target-Salden eine „rein technische Größe“ und keine Kredite seien. Die Grünen-Abgeordnete betonte die Bedeutung des Target-Systems für den Binnenmarkt. Es habe einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung in der EU beigetragen und sei enorm leistungsfähig.
Die von der AfD-Fraktion vorgeschlagene Besicherung würde das System behäbig und schwerfällig machen. Die Wahrheit sei ohnehin „ganz schlicht“: „Sie wollen den Euro abschaffen“, sagte Paus in Richtung AfD. Wichtig sei vielmehr, die bestehenden Ungleichgewichte in Europa abzubauen. Dazu müsse in Deutschland nicht nur auf den Export, sondern auch auf die Binnennachfrage geschaut werden, forderte Paus.
Antrag der AfD
Die AfD-Fraktion fordert in ihrem Antrag eine umfassende Besicherung von Target-Forderungen. Damit sollen insbesondere die sich aus den Target-Forderungen der Bundesbank ergebenden Risiken abgesichert werden. Ein Ausfall oder Teilausfall würde für die Bundesbank „gemäß ihrer Beteiligung an der EZB einen Vermögensschaden bis hin zu einer möglichen Insolvenz beziehungsweise einer bilanziellen Überschuldungssituation bedeuten“, führt die Fraktion darin aus. Dies würde dann „Einnahmeausfälle oder Nachschusspflichten für den Bundeshaushalt nach sich ziehen“, führt die Fraktion weiter aus. Das Ausfallrisiko der Target-Forderungen bestehe nicht nur im „Extremfall des Austritts eines oder mehrerer Staaten aus der Eurozone“. Vielmehr greife dieses Risiko bereits, „wenn die Aktiva einer nationalen Zentralbank mit Targetverbindlichkeiten notleidend werden und gleichzeitig der Hauptrefinanzierungssatz im Eurosystem größer null ist“.
Konkret fordert die AfD-Fraktion die Bundesregierung auf, sich im Rahmen der Verhandlungen zur Neuregelung der Statuten des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank (EZB) für eine Reform des Targetsystems einzusetzen. Sie soll sich demnach dafür engagieren, „dass das Targetsystem derart ausgestaltet wird, dass nationale Zentralbanken mit Targetverbindlichkeiten werthaltige marktfähige Sicherheiten unter Berücksichtigung der Sicherheitsabschläge (Haircuts) des Sicherheitsrahmens des Eurosystems zunächst auf die EZB übertragen und die EZB diese Sicherheiten wiederum anteilig auf die nationalen Zentralbanken mit Targetforderungen überträgt“. Für die Besicherung sind laut Antrag „Vermögensgegenstände inklusive Gold und Goldforderungen in absteigender Bonität zu verwenden“. Hat eine Zentralbank keine ausreichenden Vermögensgegenstände, um die Verbindlichkeiten im Target-System zu besichern, „so sind bis zum vollen Ausgleich aller Targetsalden Sicherheiten aus den Refinanzierunsgeschäften der Geschäftsbanken im Pfandpoolverfahren zunächst auf die EZB und anschließend auf die nationalen Zentralbanken mit Targetforderungen zu übertragen“. (scr/11.04.2019)