Der hohe administrative Aufwand bei der der Stromsteuer ist in einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses unter Leitung von Bettina Stark-Watzinger (FDP) am Montag, 1. April 2019, auf Kritik gestoßen. Der zu treibende Aufwand und im schlimmsten Fall zu befürchtende Sanktionen würden häufig in keinem Verhältnis zu der eigentlichen Steuerlast stehen, erklärte Rechtsanwältin Bettina Hennig (Kanzlei von Bredow Valentin Herz) in ihrer Stellungnahme.
„Nicht sachgerechte Ergebnisse und große Verunsicherung“
„Eine typische stromsteuerrechtliche Beratungssituation ist vielmehr die, dass ein normunterworfenes Unternehmen oder ein normunterworfener Bürger versucht, seinen stromsteuerrechtlichen Pflichten gerecht zu werden, aber weder er noch das zuständige Hauptzollamt genau wissen, wie das im konkreten Einzelfall genau gehen soll beziehungsweise für welche Strommengen genau die Steuer überhaupt in welcher Höhe anfällt“, so die Anwältin.
Bisherige Gesetzesänderungen, die für Vereinfachungen und Erleichterungen hätten sorgen sollen, hätten in der Praxis entgegen ihrem eigentlichen Ziel zu einem enormen zusätzlichen Aufwand, häufig zu nicht sachgerechten Ergebnissen und großer Verunsicherung geführt.
„Stromsteuergesetz an EU-Vorschriften anpassen“
Grundlage der Anhörung war der von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung von Stromsteuerbefreiungen sowie zur Änderung energiesteuerrechtlicher Vorschriften (19/8037). Damit soll das Gesetz an EU-Beihilfevorschriften angepasst werden. Außerdem ging es um den Antrag der FDP-Fraktion „Stromsteuer senken – Bürger entlasten“ (19/8268).
Die Stromsteuer soll nach Vorstellungen der FDP-Fraktion ab 2021 auf das europäische Mindestmaß abgesenkt werden. Finanziert werden könne dies durch steigende Einnahmen aus dem Emissionshandel, vor allem aufgrund einer Ausweitung des Handels auf die Sektoren Verkehr und Wärme. Nach Angaben der FDP-Fraktion ist Strom für private Haushalte in knapp 20 Jahren um 70 Prozent teurer geworden.
„Begrüßenswerte Klarstellungen“
Rechtsanwältin Hennig erklärte, der neue Gesetzentwurf der Bundesregierung enthalte an vielen Stellen begrüßenswerte Klarstellungen, sei aber nicht ausreichend, um die sich derzeit stellenden Rechtsfragen und Unsicherheiten im Stromsteuerrecht zu beseitigen. Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) vertrat die Ansicht, das Ziel, die Regelungen beihilferechtskonform auszugestalten, werde erreicht.
Der Bundesverband der Energie und Wasserwirtschaft (BDEW) begrüßte im Grundsatz den Gesetzentwurf der Bundesregierung, da er für viele Unternehmen die notwendige Rechtssicherheit herstelle, vor allem für die Klärschlammverbrennung. Zum FDP-Antrag erklärte der BDEW, die Stromsteuer sollte im Rahmen einer generellen Überarbeitung der Steuer-, Abgaben- und Umlagensystematik weitestgehend abgesenkt werden, da die ursprünglich intendierte ökologische Lenkungswirkung nicht mehr eindeutig gegeben sei.
Kritik am geplanten Wegfall der Stromsteuerbefreitung
Der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) kritisierte in seiner Stellungnahme die geplante Abschaffung der Stromsteuerbefreiung für sogenannte Grünstromnetze. Mit einer weitreichenden Auslegung der Stromsteuerbefreiungen könnten vor allem im Großanlagenbereich Anreize für neue Vermarktungsoptionen geschaffen werden, die einer schnelleren Marktintegration der erneuerbaren Energien zuträglich seien. Grünstromnetze seien gerade durch die Stromsteuerbefreiung ein hervorragendes Instrument bei der Frage des Weiterbetriebs von Anlagen nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG-Anlagen). Ab 2020 würden jährlich mehrere tausend Windenergieanlagen aus der EEG-Förderung fallen, erinnerte die Organisation.
Für Agora Energiewende bedeutet der Entwurf ein Herumdoktern an einem System, das überholt sei. Strom sei der teuerste Energieträger, werde aber für die Verkehrswende gebraucht. An diese Unwucht im System müsse man heran. Agora Energiewende ist eine gemeinnützige GmbH, die akademisch belastbare und politisch umsetzbare Wege entwickeln will, wie sich die Energiesysteme in Deutschland und zunehmend weltweit in Richtung sauberer Energie transformieren lassen.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Bisher gewährte Befreiungen von der Stromsteuer zum Beispiel für Kleinanlagen bis zu einer Nennleistung bis zu zwei Megawatt gelten als staatliche Beihilfen im Sinne des EU-Vertrages. Die Bundesregierung will diese Befreiungen von der Steuer beihilferechtskonform auszugestalten. „Dabei sollen die Steuerbefreiungen einen klar definierten Anwendungsbereich erhalten und für die Zukunft rechtssicher und ohne großen bürokratischen Aufwand gewährt werden können“, heißt es in dem Gesetzentwurf.
Die Stromsteuerbefreiung nach Paragraf 9 Absatz 1 Nummer 1 des Stromsteuergesetzes umfasst künftig Strom, der in Stromerzeugungsanlagen mit einer elektrischen Nennleistung von mehr als zwei Megawatt aus erneuerbaren Energieträgern erzeugt und zum reinen Eigen- beziehungsweise Selbstverbrauch des Betreibers der Stromerzeugungsanlage verwendet wird. Das Erfordernis eines „Grünstromnetzes“ fällt weg. Dadurch und durch die Beschränkung auf den Selbstverbrauch erhält die Befreiung nach Angaben der Regierung innerhalb des Stromsteuerrechts einen klar definierten Anwendungsbereich, „der bei Stromerzeugungsanlagen dieser Größenordnung zudem nicht Gegenstand der maßgeblichen Förderung für in das Netz eingespeisten Strom nach den bestehenden Begünstigungsregelungen ist“.
Die Grundstruktur der bisherigen Steuerbefreiungen nach Paragraf 9 Absatz 1 Nummer 3 des Stromsteuergesetzes für Erzeugungsanlagen mit einer elektrischen Nennleistung von bis zu zwei Megawatt soll erhalten bleiben. Die Befreiungen sollen künftig jedoch auf Strom, der aus erneuerbaren Energieträgern oder mittels umweltfreundlicher Kraft-Wärme-Kopplungs-Technologie (KWK) erzeugt wird, beschränkt werden. Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme mehrere Änderungswünsche angemeldet, die die Bundesregierung prüfen will oder ablehnt.
Antrag der FDP
Nach dem Willen der FDP soll die Stromsteuer ab 2021 auf das europäische Mindestmaß abgesenkt werden. Finanziert werden könne die Senkung durch steigende Einnahmen aus dem Emissionshandel, insbesondere aufgrund einer Ausweitung des Handels auf die Sektoren Verkehr und Wärme.
Nach Angaben der FDP-Fraktion besteht der Strompreis in Deutschland mittlerweile zu 54 Prozent aus Steuern, Abgaben und Umlagen. Davon mache alleine die Stromsteuer sieben Prozent aus. In knapp 20 Jahren sei Strom für private Haushalte um 70 Prozent teurer geworden. Die FDP-Fraktion erwartet in den kommenden Jahren einen deutlichen Anstieg der Strompreise durch den geplanten vorzeitigen Ausstieg aus der Kohleverstromung. „Für die Verbraucherinnen und Verbraucher stellen die hohen Stromkosten eine enorme finanzielle Belastung dar. Da Strom ein existenznotwendiges Gut ist, sind hohe Strompreise für viele Menschen in Deutschland in besonderem Maße auch eine soziale Frage“, heißt es in dem Antrag. (hle/01.04.2019)
Liste der geladenen Sachverständigen
- Agora Energiewende / Smart Energy for Europe Platform (SEFEP) gGmbH
- Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e. V. (BDEW)
- Bundesverband Erneuerbare Energie e. V. (BEE)
- Dr. Bettina Hennig, von Bredow Valentin Herz Rechtsanwälte
- Verband kommunaler Unternehmen e. V. (VKU)