Von grundsätzlicher Ablehnung bis zu vorsichtiger Zustimmung reichte die Bandbreite der Äußerungen der Sachverständigen in der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung (19/4724) am Mittwoch, 12. Dezember 2018. Die acht Experten machten in der vom Ausschussvorsitzenden Stephan Brandner (AfD) geleiteten Runde eine ganze Reihe von Vorschlägen, wie der Entwurf den Anforderungen des EU-Rechts besser gerecht werden kann.
„Investigative Recherchen schützen“
In der zweistündigen Anhörung bewegten sich die Fragen der Ausschussmitglieder vor allem um den Begriff Geschäftsgeheimnis und den Unterschied zwischen der in der dem Entwurf zugrunde liegenden EU-Richtlinie vorgesehenen Bereichsausnahme und dem im Entwurf vorgesehenen Rechtfertigungsgrund sowie um mögliche Auswirkungen des geplanten Gesetzes auf die Pressefreiheit. Unter Verweis auf die aktuellen Ermittlungen gegen den als Besucher auf der Tribüne anwesenden Chefredakteur der Rechercheorganisation Correctiv, Oliver Schröm, betonten Abgeordnete wie Sachverständige die Notwendigkeit des Schutzes von investigativen Recherchen, der in dem Entwurf zu kurz komme.
Mit dem Gesetz will die Bundesregierung die EU-Richtlinie 2016 / 943 zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung umsetzen. Durch ein neues Stammgesetz solle ein in sich stimmiger Schutz vor rechtswidriger Erlangung, Nutzung und Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen erreicht werden, heißt es in dem Entwurf. Er enthält aber auch Gründe, bei deren Vorliegen im Einzelfall ein Verstoß gerechtfertigt sein kann.
Der Schutz von Geschäftsgeheimnissen wird im deutschen Recht bislang über das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) sowie über das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) gewährleistet.
„Maulkorb zulasten der Beschäftigten“
Grundlegende Kritik an dem Entwurf kam vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Dr. Marta Böning, Rechtsreferatsleiterin im DGB-Bundesvorstand, bezeichnete das Gesetz in ihrer Stellungnahme als „Maulkorb zulasten der Beschäftigten und ihrer Interessenvertretungen“. Das geplante Gesetz beeinträchtige die Interessen der Beschäftigten und ihrer Interessenvertretungen in nicht zu rechtfertigender Weise. Der DGB fordere eine ausdrückliche Vorrangregelung für die geltenden arbeitsrechtlichen Regeln, sagte Böning. Mit den geplanten Regelungen drohe „eine Legalisierung der ausufernden, missbräuchlichen Geheimhaltungspraxis, die jetzt schon in vielen Unternehmen auf der Tagesordnung ist“.
Dagegen bewertete die Referatsleiterin im Bereich Recht des Deutschen Industrie- und Handelskammertag Doris Möller die Schaffung eines eigenen Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen als positiv, da so deren Besonderheiten besser Rechnung getragen werden könne. Trotz Unklarheiten bei Definitionen und erheblichem zusätzlichen Aufwand für die Unternehmen würden die neuen Regelungen, die auch für höhere Transparenz sorgten, von der Wirtschaft überwiegend befürwortet. Ziel der Richtlinie wie des Gesetzes sei die Stärkung des Innovationsschutzes und der Schutz von Know-how. Dies werde in der Diskussion oft vergessen.
„Pressefreiheit als Kollateralschaden des Gesetzes“
Der Berliner Rechtsanwalt Dr. Christoph Partsch untersuchte den Gesetzentwurf insbesondere aus dem Blickwinkel der Medien und kam in seiner Stellungnahme zu dem Schluss, dass die Medien und ihre Vertreter durch eine Rechtfertigungslösung statt einer von der Richtlinie vorgesehenen Bereichsausnahme deutlich schlechter gestellt und die Recherche und die Veröffentlichung gefährdet würden. Der Regierungsentwurf werde einen „chilling effect auf Journalisten“ haben und die Tätigkeit investigativer Journalisten erheblichen neuen strafrechtlichen Risiken unterwerfen, erklärte Partsch.
Wie auch andere Sachverständige monierte Partsch unzureichende Begriffsdefinitionen im Entwurf. So weiche der Regierungsentwurf bei der Definition des Geschäftsgeheimnisses ohne Not von der Richtlinie ab. Er bezeichnete die Pressefreiheit als „Kollateralschaden“ des geplanten Gesetzes.
„Unbefriedigende Regelung zum Whistleblowing“
Lob an dem Gesetzentwurf kam von dem Münchener Rechtsprofessor Dr. jur. Christoph Ann und dem Hamburger Rechtsanwalt Prof. Dr. Henning Harte-Bavendamm. Angesichts der unübersichtlichen Materie überzeuge die Konsolidierung des über 100 Jahre alten deutschen Geheimnisschutzrechts in einem Stammgesetz, erklärte Ann. Seiner Ansicht nach geht es bei der Stoßrichtung des Gesetzes in erster Linie um Konkurrenzspionage. Unbefriedigend sei unter anderem die Regelung zum Whistleblowing. Hier sollte nur eine Interimslösung angestrebt werden. Auch andere Sachverständige verwiesen darauf, dass derzeit auf EU-Ebene der Entwurf einer Whistleblower-Richtlinie vorliegt.
Harte-Bavendamm erklärte in seiner Stellungnahme, der Entwurf sei im Grundsatz als sehr gelungen zu bewerten. Er bewege sich – von kleineren Grauzonen abgesehen – sicher auf dem Boden der Geschäftsgeheimnis-Richtlinie. Dabei schöpfe er den verbliebenen Gestaltungsspielraum in weitgehend überzeugender Weise aus. In das Arbeitsrecht greift der Entwurf seiner Meinung nach nicht ein.
„Am Schutz rechtswidriger Geheimnisse festhalten“
Der Hamburger Fachanwalt für Strafrecht Dr. Mayeul Hiéramente befasste sich in seiner Stellungnahme mit der Fragestellung der Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen durch Unternehmensmitarbeiter und Führungskräfte in Fällen des sogenannten Whistleblowings.
Er betonte, dass sowohl die Richtlinie als auch der Entwurf den Schutz „rechtswidriger Geheimnisse“ zuließen. Daran sollte festgehalten werden. Es wäre vorschnell, dem Bestreben von Unternehmen zur internen Aufklärung und Selbstreinigung pauschal die Legitimität abzusprechen.
„Schwerwiegende Regelungslücken“
Dem widersprach Arne Semsrott von dem gemeinnützigen Verein Open Knowledge Foundation Deutschland. Zu den „schwerwiegenden Regelungslücken“ des Entwurfs zählte er die Neufassung der Definition von Geschäftsgeheimnissen. Dadurch sei zu befürchten, dass Unternehmen erweiterte Möglichkeiten erhalten, illegitim gegen die Aufdeckung von rechtswidrigen Vorgängen vorzugehen. Anders als bisher könnten auch rechtswidrige Praktiken Geschäftsgeheimnisse darstellen, kritisierte Semsrott. Es liege allerdings grundsätzlich im allgemeinen öffentlichen Interesse, diese offenzulegen.
Korrekturbedarf meldete auch die Generalsekretärin der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (ARD), Dr. Susanne Pfab, an. Es gebe die klare Vorgabe der Richtlinie, die Medienfreiheit nicht einzuschränken. Der Informationsschutz für investigative Medien sei daher zwingend notwendig. Deren Arbeit dürfe nicht erschwert, sondern müsse erleichtert werden. Wie Partsch hält sie eine Medienschutzklausel für dringend geboten. Die Absicht des Gesetzes sei nachvollziehbar, sagte Pfab, es schieße jedoch über das Ziel hinaus.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Durch ein neues Stammgesetz soll ein in sich stimmiger Schutz vor rechtswidriger Erlangung, rechtswidriger Nutzung und rechtswidriger Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen erreicht werden, heißt es in dem Entwurf. Die Richtlinie verpflichte die EU-Mitgliedstaaten zum zivilrechtlichen Schutz von Geschäftsgeheimnissen.
Der Schutz von Geschäftsgeheimnissen werde im deutschen Recht bislang über die Strafvorschriften der Paragrafen 17 bis 19 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) sowie über die Paragrafen 823 und 826 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) gegebenenfalls in Verbindung mit Paragraf 1004 BGB analog gewährleistet. Dies sei für eine Umsetzung der Vorgaben der EU-Richtlinie 2016 / 943 nicht ausreichend. Dem Entwurf beigefügt sind die Stellungnahmen des Normenkontrollrates und des Bundesrates sowie die Gegenäußerung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrates. (mwo/12.12.2018)
Liste der geladenen Sachverständigen
- Prof. Dr. jur. Christoph Ann, LL.M., Technische Universität München, Lehrstuhl für Wirtschaftsrecht und Geistiges Eigentum
- Dr. Marta Böning, Deutscher Gewerkschaftsbund – Bundesvorstand, Abteilung Recht, Referatsleiterin Individualarbeitsrecht, Berlin
- Prof. Dr. Henning Harte-Bavendamm, Rechtsanwalt, Hamburg
- Dr. Mayeul Hiéramente, Rechtsanwalt, Hamburg
- Doris Möller, Deutscher Industrie- und Handelskammertag e. V., Bereich Recht, Leiterin des Referats Recht des Geistigen Eigentums, Recht in der digitalen Gesellschaft, Berlin
- Dr. Christoph Partsch, Rechtsanwalt, Berlin
- Arne Semsrott, Open Knowledge Foundation Deutschland e. V., Berlin
- Dr. Susanne Pfab, Generalsekretärin der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (ARD)
- N. N.