Mehrere Sachverständige haben in einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses unter Vorsitz von Bettina Stark-Watzinger (FDP) am Montag, 8. April 2019, davor gewarnt, den Anlegerschutz beim sogenannten Crowdinvesting zurückzufahren. So sei aufgrund des Risikos nicht nachvollziehbar, warum die Schwelle für die Prospektpflicht für kleine Projekte angehoben, die Obergrenze für die Investition eines privaten Anlegers über ein Crowdinvesting-Portal pro Emittent auf 10.000 Euro angehoben oder das Angebot auf GmbH-Anteile ausgeweitet werden sollte, erklärte Dirk Ulbricht, Direktor des Instituts für Finanzdienstleistungen (IFF), in der Anhörung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur weiteren Ausführung der EU-Prospektverordnung und zur Änderung von Finanzmarktgesetzen (19/8005, 19/8617) .
„Erhebliche Nachteile für Verbraucher“
Ulbricht erklärte, Crowdinvesting sei riskant, „konzentriert
sich auf die ohnehin überhitzte Immobilienbranche anstatt
neue Unternehmensideen zu finanzieren und beinhaltet
in der Regel erhebliche Nachteile für Verbraucher“. In der
Regel würden über Crowdinvesting die Teile von
Immobilienprojekten verkauft, die von professionellen
Anbietern aufgrund ihrer Risiken nicht übernommen
würden. Anleger sollten sich lieber an weniger riskante,
langfristige Alternativen wie breit gestreute ETFs halten,
empfahl Ulbricht in seiner Stellungnahme.
Zahlen vom Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken und vom Deutschen Sparkasse- und Giroverband bestätigten diese Angaben. Danach betrug der Anteil von Immobilienfinanzierungen am gesamten Crowdinvesting
zwischen 2011 und 2018 rund 60 Prozent (220 von 364
Millionen Euro). Man halte „nicht zuletzt mit Blick auf
den funktionierenden Markt für Immobilienfinanzierungen
in Deutschland eine fortgesetzte Sonderbehandlung von
Crowdinvesting für Immobilienprojekte nicht für angemessen“,
so die Bankenverbände.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Der Regierungsentwurf sieht Änderungen an den 2018 beschlossenen Ausnahmen bei der Prospektpflicht für die Herausgabe von Wertpapieren vor. Bisher entfiel die Prospektpflicht für öffentliche Angebote von Wertpapieren bei einem Volumen bis acht Millionen Euro, bei Banken bis fünf Millionen Euro.
Dieser Schwellenwert für die Ausnahme von der
Prospektpflicht soll auf acht Millionen Euro vereinheitlicht
werden. Diese Anhebung wurde von der Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) als sinnvoll bezeichnet,
da Kreditinstitute ohnehin intensiv beaufsichtigt würden.
An der Börse notierte Unternehmen hätten schon Prospekte
veröffentlicht und hätten überdies umfassende Informationspflichten.
Kritik an einer Anhebung des Schwellenwerts
Dagegen sah die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz die Anhebung des Schwellenwerts auf acht
Millionen Euro kritisch. In bestimmten Fällen bestehe keine
Pflicht mehr zur Veröffentlichung beziehungsweise
Bereitstellung eines Informationsblattes.
Die Schutzvereinigung
sprach sich für eine generelle Pflicht zur Erstellung von
Vermögensanlagen-Informationsblättern aus, da andernfalls
weniger oder gar keine Informationen im Zusammenhang
mit der Emission zur Verfügung stehen würden.
„Prospektpflicht nicht zu locker handhaben“
Auch Rechtsanwalt Peter Mattil warnte vor einer zu lockeren
Handhabung der Prospektpflicht bei Wertpapieren. In vielen
EU-Staaten beginne die Prospektpflicht bei fünf Millionen
Euro. In Deutschland hingegen seien sogar
Nichtdividendenwerte bis zu 75 Millionen Euro von einer
Prospektpflicht befreit. Als Nichtdividendenwerte bezeichnete
Mattil Genussscheine, Optionsscheine, Zertifikate und
ähnlich hochriskante Produkte. Diese sollten an nicht
qualifizierte Anleger besser erst gar nicht verkauft werden
dürfen, es sei denn dass ein Prospekt erstellt wird, empfahl
der Anwalt.
Der Bundesverband Crowdfunding sprach sich dafür aus,
die Möglichkeit der prospektfreien Emission auf GmbHGeschäftsanteilen auszuweiten und die Schwelle der
Prospektpflicht von Emissionen anzuheben. Dies würde
zu einer weiteren Verbesserung der Finanzierungsbedingungen
von jungen und mittelständischen Unternehmen führen.
Die Ausweitung auf GmbH-Anteile wurde jedoch von der
Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz strikt abgelehnt.
Außerdem wurde verlangt, den Begriff Genussrechte nicht
mehr zu verwenden. Fälle wie Prokon oder auch German
Pellets hätten gezeigt, dass der Begriff Genussrecht im
Vertrieb missbraucht und eine Sicherheit suggeriert werde,
„die schlichtweg nicht existiert“.
„Sprachregelung bei Finanzinvestitionen ändern“
Sowohl die Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz als
auch Mattil machten sich in ihren Stellungnahmen dafür
stark, die sogenannte Sprachregelung bei Finanzinvestitionen
zu ändern. Danach kann ein Emittent selbst entscheiden,
ob ein Prospekt in deutscher Sprache verfasst wird oder ob
dies auch in einer anderen Sprache erfolgen soll. Die
Schutzvereinigung betonte, es sei ernsthaft zu hinterfragen,
ob es nicht gerade für Privatanleger und nicht qualifizierte
Anleger schlichtweg unmöglich ist, einen Prospekt in
englischer Sprache im Streitfall extra übersetzen zu lassen.
Mattil bezeichnete es als „fast schon zynisch“, dass der
Anleger im Fall eines Rechtsstreits den Prospekt auf seine
Kosten übersetzen lassen muss. Der Anwalt nannte ein
Beispiel: Wenn ein Anleger einen Verlust aus einem Zertifikat
über 10.000 Euro erleide und vor Gericht gehen wolle,
müsse er eine Übersetzung des 220-seitigen Prospektes
vorlegen, was nach Auskunft eines großen Übersetzungsbüros
nicht unter 15.000 Euro koste. (hle/08.04.2019)
Liste der geladenen Sachverständigen
- Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin)
- Bundesverband Crowdfunding e. V.
- Die Deutsche Kreditwirtschaft
- Deutscher Industrie- und Handelskammertag e. V. (DIHK)
- Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e. V. (DSW)
- institut für finanzdienstleistungen e. V. (iff)
- Dr. Peter Mattil, Rechtsanwalt