Technikfolgenabschätzung

Wie Roboter künftig in der Pflege eingesetzt werden können

Angesichts des demografischen Wandels und der steigenden Zahl Pflegebedürftiger wird die Robotik in der Pflege immer wichtiger. „Kaum ein gesellschaftlicher Bereich ist von der Alterung der Bevölkerung so betroffen wie die Pflege. Aktuell gibt es in Deutschland bereits 3,5 Millionen Pflegebedürftige, und die Zahl könnte bis 2030 auf über vier Millionen ansteigen“, machte Christoph Kehl vom Büro für Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestages (TAB) deutlich. Kehl führte beim öffentlichen Fachgespräch mit dem Titel „Robotik und assistive Neurotechnologien in der Pflege – gesellschaftliche Herausforderungen“ des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung unter Vorsitz von Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) am Mittwoch, 20. Februar 2019, in die Thematik ein. 

Projekt zur Technikfolgenabschätzung

Hinter dem Titel der Veranstaltung verbirgt sich ein Projekt zur Technikfolgenabschätzung, das einen Überblick über den aktuellen Stand der Robotik in der Pflege sowie deren Anwendungsperspektiven, beleuchtet. Normative Herausforderungen, rechtliche Fragen sowie Möglichkeiten zur prospektiven Gestaltung der Technikentwicklung wurden dabei diskutiert. Der Bundestag hatte dieses auf Initiative des Bildungs- und Forschungsausschusses sowie des Ausschusses Digitale Agenda beim Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) in Auftrag gegeben. Das TAB hatte dem Bundestag seinen Abschlussbericht (19/2790) am 15. Juni 2018 vorgelegt.

„Roboter stimmen immer stärker in den Alltag ein“

Es stelle sich immer mehr die Frage, was Roboter zu guter Pflege beitragen können, betonte Kehl und fragte: „Sind wir zukünftig auf robotische Unterstützung angewiesen?“ Die Robotik habe in den letzten Jahren fraglos erstaunliche Fortschritte gemacht. Roboter würden immer stärker in den Alltag eindringen, ältere Menschen könnten teilweise länger zu Hause wohnen bleiben, wenn sie maschinelle Unterstützung bekämen und für die Altenpflege böte diese Entwicklung prinzipiell Chancen. Im Pflegeheim könnten Roboter Routinetätigkeiten übernehmen und damit dem Pflegepersonal die dringend benötigte Entlastung verschaffen.

Gleichwohl müsse man fragen, ob und wie sich Roboter sinnvoll in das zwischenmenschliche Pflegehandeln integrieren ließen. Dies werde kontrovers diskutiert, da es dabei auch um fundamentale Wertfragen gehe. Die Frage sei: „Was wollen wir in Zukunft unter menschenwürdiger Pflege verstehen und wie wollen wir zukünftig mit alten Menschen umgehen?“ 

„Pflegeroboter noch klar der Forschung zuzuordnen“

Dr. Birgit Graf vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung sprach zum Thema „Potenziale und Grenzen der Robotik für die Pflege – Stand der Technik und Anwendung, Herausforderungen für Forschung und Entwicklung“ und verdeutlichte, dass Pflegeroboter mit umfangreichen, auch physischen Interaktionsfähigkeiten und komplexem autonomen Verhalten heutzutage noch klar der Forschung zuzuordnen seien. 

Prof. Dr. Manfred Hülsken-Giesler von der Universität Osnabrück äußerte sich zum Thema „Einordnung und Bewertung aus Sicht der Pflegewissenschaft“. Hülsken-Giesler sagte: „Die alte Vision, durch Technikeinsatz Zeit für das gute Leben zu erhalten, wird aktuell auf die Pflege übertragen. Es bleibt zu prüfen, inwieweit sich diese Idee einlösen lässt.“

Positive Auswirkungen der „Robbe Paro“

Anna Grohmann von der Wolfsburg AG stellte die Robbe Paro vor, einen Roboter, der zu therapeutischen Zwecken eingesetzt wird. Sie unterstrich, dass Untersuchungen belegten, dass der Einsatz von Paro positive Auswirkungen auf ältere und kranke Menschen habe. Verbesserungen in der Kommunikation, dem Sozialverhalten und in der Medikation seien festgestellt worden.

Über die Forschungsförderung sprach Christine Weiß vom Dienstleistungsunternehmen und Projektträger VDI/VDE-IT. Sie führte an, dass derzeit 74 Projekte mit einer Fördersumme von 89 Millionen Euro durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) gefördert werden. Dabei wende das BMBF als wichtigste Förderinstitution zirka 90 Prozent des Volumens auf. Aktuell entfielen geschätzt etwa acht bis zehn Millionen Euro auf Forschungsprojekte zur Pflegerobotik.

„Komplexität der Veränderungen besser erfassen“

Die Perspektive der Technikfolgenabschätzung vermittelte Bettina-Johanna Krings vom Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). Sie bemängelte, dass es wenig systematisches Wissen über die Transformationsprozesse des Pflegehandelns im Gesundheitswesen auf Basis von Digitalisierungsprozessen gebe. Hier wäre die Förderung von Ex-ante-/Ex-post-Analysen (Methodendiskussion) hilfreich, um die Komplexität der Veränderungen besser zu erfassen und zu verstehen, auch und vor allem im Hinblick auf die Einführung von Robotik.

Über ethisch-normative Herausforderungen der Pflegerobotik sprach Prof. Dr. Oliver Bendel von der Hochschule für Wirtschaft der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW). Er unterstrich, dass sich aus Sicht der Ethik sowohl Chancen als auch Risiken eröffnen. Eine Option für die Pflegebedürftigen sei eine spezielle Patientenverfügung, in der der Einsatz von Operations-, Therapie- und Pflegerobotern geregelt werde. Ethische Leitlinien könnten in Pflegeheimen und Betreuungseinrichtungen ebenfalls eine Rolle spielen. Eine spezielle Funktion komme der Maschinenethik zu. In der Pflegerobotik stehe sie erst ganz am Anfang. Insbesondere müsse erforscht werden, ob und wie selbstlernende Systeme zum Einsatz kommen sollen.

„Thema Pflege zur Chefsache erklären“

Zu den Fragen, was wünschenswerte gesellschaftliche Entwicklungen und politische Gestaltungsoptionen sind und welche Rolle Automatisierungslösungen zukünftig im Kontext der Pflege zukommen sollten, gaben aus der Perspektive der Pflegeträger Alexander Huhn vom Caritas-Zentrum Garmisch-Partenkirchen und aus Sicht der Pflegekräfte Peter Tackenberg vom Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) Auskunft. 

Alexander Huhn unterstrich, dass für die Bewältigung der Aufgaben „vor Ort“ der gemeinsame politische Wille aller notwendig sei, das Thema Pflege zur Chefsache zu erklären und mehr Ressourcen, insbesondere Finanzmittel, in das System zu geben. Auch Peter Tackenberg unterstrich, zu vielen Herausforderungen seien die Lösungen erkannt. Es bedürfe nun der Umsetzung.

Dr. Sibylle Meyer von der Sibis GmbH (Institut für Sozialforschung) informierte über die achte Altenberichtskommission. Diese beschäftigt sich derzeit im Auftrag der Bundesregierung mit dem Thema „Ältere Menschen und Digitalisierung“. Sie betonte die Notwendigkeit, die Möglichkeiten digitaler Technologien für die Lebensgestaltung vor dem Eintreten einer Pflegebedürftigkeit zu nutzen und verwies darauf, dass vor allem die mit der häuslichen Pflege befassten Menschen selbst häufig ein höheres Alter erreicht hätten. (rol/21.02.2019)