Kulturpolitische Aufarbeitung des kolonialen Erbes
Der Bundestag hat sich am Donnerstag, 21. Februar 2019, erstmalig mit einem Antrag, den Bündnis 90/Die Grünen zur „kulturpolitischen Aufarbeitung unseres kolonialen Erbes“ (19/7735) eingebracht haben, befasst. Die Vorlage wurde im Anschluss der Debatte zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Kultur und Medien überwiesen. Mitberaten wurde im Plenum zudem eine Großen Anfrage der AfD zur „Aufarbeitung der Provenienzen von Kulturgut aus kolonialem Erbe in Museen und Sammlungen“ (19/3264) sowie die Antwort der Bundesregierung (19/6539) darauf.
Antrag der Grünen
In dem Antrag setzen sich Bündnis 90/Die Grünen für die systematische Aufarbeitung der deutschen Kolonialherrschaft und der damit verbundenen Verbrechen ein und plädieren für die Schaffung eines zentralen Erinnerungs- und Lernortes in Berlin. Deutschlands koloniale Fremdherrschaft über Teile Afrikas, Ozeaniens und Chinas sei ein „verdrängtes Kapitel seiner Geschichte“, monieren die Abgeordneten.
„In der offiziellen Erinnerungskultur der Bundesrepublik wurden das Unrecht der deutschen Kolonialherrschaft, die damit verbundenen Verbrechen und der antikoloniale Widerstand bisher kaum berücksichtigt.“ Hartnäckig halte sich die Meinung, Deutschland sei eine unbedeutende und harmlose oder sogar positiv wirkende Kolonialmacht gewesen, schreiben die Abgeordneten zur Begründung.
Zentrale Stätte des Erinnerns und Lernens
Die Aufarbeitung müsse systematisch angegangen werden und bedürfe der „Einbeziehung unterschiedlicher politischer und gesellschaftlicher Ebenen, so heißt es im Antrag. “Dies bedeutet nicht nur eine Überprüfung der bisherigen Restitutionspraxis und Ausstattung der Provenienzforschung in Bund und Ländern. Dringend notwendig sind vielmehr eine grundlegende Erweiterung der deutschen Erinnerungskultur und ihrer Narrative sowie die Einbettung in den europäischen bzw. globalen Kontext der Kolonialisierung und des Imperialismus.„ Unabhängig vom Humboldt Forum bedürfe es einer zentralen Stätte des Erinnerns und Lernens in der Bundeshauptstadt.
Zudem fordern die Grünen die Bundesregierung unter anderem auf, ein Förderprogramm zur transnationalen Aufarbeitung des kolonialen Erbes aufzulegen und finanzielle Mittel für die Provenienzforschung “in dem Umfang bereitzustellen, dass die Bestände Kulturgut bewahrender Einrichtungen umgehend und intensiv von unabhängigen, transnationalen Experten-Teams erforscht und sukzessive digitalisiert werden können„.
Große Anfrage der AfD
In ihrer Großen Anfrage verlangt die AfD Auskunft über die Aufarbeitung der Provenienzen von Kulturgut aus kolonialem Erbe. So will sie anderem wissen, wie viele Mitarbeiter des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst in Berlin derzeit mit den Themen Kolonialismus und Provenienzforschung beschäftigt sind und ob eine Erhöhung der Mitarbeiterzahl geplant ist.
Zudem will sie erfahren, wie viele Artefakte der beiden Museen als mögliche Restitutionsgüter einzustufen sind und wie viele davon aus den ehemaligen deutschen Kolonien stammen.
Antwort der Bundesregierung
In ihrer Antwort unterstreicht die Bundesregierung, die Aufarbeitung der Provenienzen von Kulturgut aus kolonialem Erbe in Museen und Sammlungen mit einem eigenen Schwerpunkt fördern zu wollen. Im Weiteren solle die Zusammenarbeit mit Afrika verstärkt und ein stärkerer Kulturaustausch befördert werden, “und zwar insbesondere durch die Aufarbeitung des Kolonialismus, im Besonderen der deutschen Kolonialzeit, sowie den Aufbau von Museen und Kultureinrichtungen in Afrika„. Vor allem das Humboldt Forum im Berliner Schloss treibe die öffentliche Diskussion um einen ethischen Umgang mit völkerkundlichen Sammlungen stark voran, schreibt die Bundesregierung.
Da die Aufarbeitung der Provenienzen von Kulturgut aus kolonialem Erbe aufgrund der großen Anzahl an Objekten nur “mit einem hohen zeitlichen Aufwand„ zu bewältigen sei, sähen Fachleute keine hinreichenden finanziellen und personellen Ressourcen, um eine derartige Aufgabe zu bewältigen, heißt es in der Antwort weiter. “Momentan laufe das, so Medienberichte, hauptsächlich bei Kuratoren/Kuratorinnen neben ihrer alltäglichen Arbeit her.„
Auf die Frage nach der Anzahl von Mitarbeitern verweist die Bundesregierung auf Angaben der Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Diesen zufolge seien am Ethnologischen Museum insgesamt 16 und am Museum für Asiatische Kunst zehn wissenschaftliche Mitarbeiter beschäftigt. Bei all diesen Personen sei die Provenienzforschung integraler Teil der Arbeitsaufgaben. Auf die Frage, wie viele Artefakte der beiden Museen als mögliche Restitutionsgüter einzustufen sind, antwortet die Bundesregierung, dass darüber den Museen noch keine “belastbaren Erkenntnisse„ vorliegen. (aw/sas/21.02.2019)