Weitgehende Zustimmung zu Änderungen bei der Organspende
Erstmals hat der Bundestag am Donnerstag, 17. Januar 2019, über den Regierungsentwurf für Änderungen an den Abläufen der Organspende in Kliniken beraten. Der von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vorgelegte Gesetzentwurf (19/6915) soll dazu beitragen, potenzielle Organspender besser zu identifizieren. Dazu wird die Rolle des Transplantationsbeauftragten in Krankenhäusern gestärkt. Mit den veränderten Abläufen und Vorschriften soll die Organspendenpraxis in den Entnahmekrankenhäusern effektiver gestaltet werden.
Mehr Zeit für die Transplantationsbeauftragten
Die Transplantationsbeauftragten sollen dem Entwurf zur Verbesserung der Zusammenarbeit und der Strukturen bei der Organspende (GZSO) zufolge durch verbindliche Vorgaben für die Freistellung mehr Zeit für ihre Aufgaben bekommen. Bei Entnahmekrankenhäusern mit mehr als einer Intensivstation soll für jede dieser Stationen mindestens ein Transplantationsbeauftragter bestellt werden. Die anteiligen Kosten werden vollständig refinanziert. Die Transplantationsbeauftragten müssen außerdem künftig auf Intensivstationen regelmäßig hinzugezogen werden, wenn Patienten als Organspender in Betracht kommen. Sie erhalten uneingeschränkt Einsicht in die Patientenakten, um das Spenderpotenzial auswerten zu können.
Die Entnahmekrankenhäuser sollen mehr Geld bekommen für den gesamten Prozessablauf einer Organspende und erhalten einen Zuschlag dafür, dass ihre Infrastruktur für die Organspende besonders in Anspruch genommen wird. Kleinere Entnahmekliniken erhalten Unterstützung durch qualifizierte Ärzte. Ein Rufbereitschaftsdienst soll sicherstellen, dass jederzeit qualifizierte Ärzte zur Feststellung des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls zur Verfügung stehen.
Qualitätssicherung mit Berichtssystem
Um potenzielle Organspender zu erkennen und zu melden, soll in den Kliniken eine Qualitätssicherung mit Berichtssystem geschaffen werden. Wenn ein irreversibler Hirnfunktionsausfall nicht festgestellt wird oder eine Meldung an die Koordinierungsstelle (DSO) unterbleibt, werden die Gründe dafür erfasst und bewertet. Die Daten sollen von der Koordinierungsstelle ausgewertet werden. Abläufe und Zuständigkeiten sollen dem Entwurf zufolge nachvollziehbar dokumentiert werden.
Der Gesetzentwurf sieht auch eine bessere Betreuung der Angehörigen vor. So soll der Austausch zwischen den Organempfängern und den Angehörigen der Organspender in Form von anonymisierten Schreiben verbindlich geregelt werden.
Minister: Aufmerksamkeit für das Problem erhöht
In der Aussprache ging Spahn auf die zuletzt wieder gestiegene Zahl der Organspender in Deutschland ein. Dies sei gut, aber noch nicht gut genug angesichts der rund 10.000 Patienten, die weiter auf ein rettendes Spenderorgan warteten. Allein die verstärkte Debatte über Organspenden in den vergangenen Monaten habe jedoch die Aufmerksamkeit für das Problem erhöht. Mit dem Gesetzentwurf würden nun die Strukturen in den Kliniken verändert und verbessert.
So dürfe es für Krankenhäuser kein Nachteil sein, sich professionell um Organspenden zu kümmern. Viele Transplantationsbeauftragte hätten jedoch Mühe, sich im Klinikalltag die nötige Zeit für ihre Arbeit zu nehmen. Auch müsse es möglich sein, in dieser sensiblen Situation in Ruhe mit Angehörigen der Spender zu reden. Viele Organempfänger wollten überdies ihren Dank an die Spender ausdrücken. Dafür werde nun eine Rechtsgrundlage geschaffen.
SPD: Gute Grundlage für die Problemlösung
Auch Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) erinnerte an das Schicksal der vielen schwer kranken Patienten, die auf ein rettendes Spenderorgan warten, darunter junge Menschen. Viele dieser Patienten stürben an Organversagen, weil sie nicht rechtzeitig ein Spenderorgan bekämen. Im Schnitt dauere es in Deutschland zehn Jahre bis zu einer Transplantation. Im Ausland sei die Wartezeit zum Teil deutlich kürzer.
Lauterbach wertete den Gesetzentwurf als gute Grundlage, um die Probleme zu lösen. Bislang könnten die Krankenhäuser mit einer guten Organspendenpraxis nur Verluste machen. Künftig würden die Kosten dafür erstattet, ohne einen Anreiz für Gewinnmaximierung zu setzen. Der SPD-Politiker räumte ein, dass die Zahl der Organspender nach wie vor viel zu niedrig sei. So zeigten Umfragen zwar, dass 85 Prozent der Bürger bereit wären, nach ihrem Tod Organe zu spenden, aber nur 35 Prozent hätten auch einen Organspendenausweis ausgefüllt.
FDP kann sich weitergehende Regelungen vorstellen
Die Opposition sieht das Reformgesetz insgesamt positiv, kann sich aber zum Teil auch noch weitergehende Regelungen vorstellen. Vor allem die FDP setzt sich dafür ein, mehr Möglichkeiten für Organspenden zu eröffnen. Katrin Helling-Plahr (FDP) sagte, der Gesetzentwurf beinhalte einige überfällige Initiativen, jedoch sollte die Reform mutiger angegangen werden.
So wäre es sinnvoll, mehr Lebendspenden zu erlauben, nicht nur unter Verwandten und nahestehenden Personen. Wer etwa aus altruistischen Gründen ein Organ spenden wolle, sollte dies auch tun dürfen. Auch sogenannte Überkreuzspenden sollten erlaubt werden. Diese ermöglicht zwei Paaren wechselseitige Transplantationen, wenn aus medizinischen Gründen eine Spende an den eigenen Partner ausgeschlossen ist.
Linke: Ungünstige Strukturen sind der Flaschenhals
Harald Weinberg (Die Linke) sprach von einem schwierigen Thema. Gleichwohl hege er eine gewisse Sympathie für die Vorschläge der FDP. Weinberg begrüßte den Gesetzentwurf als Schritt in die richtige Richtung.
Organentnahmen seien in vielen der formal qualifizierten Häuser eher selten, die Stellung der Transplantationsbeauftragten entsprechend dort nicht sonderlich stark. Die ungünstigen Strukturen in der Organspende seien „der eigentliche Flaschenhals“. Insofern setze die Reform an den richtigen Stellen an.
AfD gegen psychischen Druck auf Angehörige
Nach Ansicht von Prof. Dr. Axel Gehrke (AfD) leistet der Gesetzentwurf einen Beitrag zur Verbesserung der Abläufe im Krankenhaus. Allerdings sollte die Begleitung der Angehörigen durch den Transplantationsbeauftragten konkreter gefasst werden. Es dürfe auf keinen Fall psychischer Druck auf die Angehörigen ausgeübt werden. Entscheidend sei das Vertrauen in den Ablauf der Organspende.
Detlev Spangenberg (AfD) ergänzte, bei allem Respekt vor Organspendern dürften diejenigen Menschen, die nicht spenden wollten, auf keinen Fall herabgewürdigt werden. Er forderte zudem eine zentrale Datei, in der Organspender registriert sind, um im Ernstfall schnell mögliche Zweifel zu beseitigen. Ein Widerruf der Organspendenbereitschaft müsse natürlich auch jederzeit möglich sein.
Grüne: Strukturen in den Kliniken entscheidend
Kirsten Kappert-Gonther (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, die Strukturen in den Kliniken seien „die entscheidenden Stellschrauben“, um die Organspendenpraxis zu verbessern. Es sei tragisch, wenn sich jemand als Organspender zur Verfügung stelle und die Organe dann letztlich verloren gingen, weil der potenzielle Spender in der Klinik nicht als solcher identifiziert werde. Sie fügte hinzu, die Organisation und das Vertrauen in das System seien entscheidend.
Benötigt würden gute Abläufe in den Kliniken, eine angemessene Vergütung und ein sensibler Umgang mit den Angehörigen. Die Grünen-Abgeordnete betonte mit Blick auf Spahn: „Das ist wirklich ein gutes Gesetz, das Sie hier vorlegen.“ Allerdings sollte die private Krankenversicherung (PKV) an den anfallenden Kosten beteiligt werden.
Mitberaten wurden Anträge der Fraktionen von FDP (19/5673) und AfD (19/7034), die ebenfalls Vorschläge enthalten, wie die Organspendenpraxis verbessert werden könnte. Der Gesetzentwurf und die Anträge wurden zur weiteren Beratung in die Ausschüsse überwiesen.
AfD: Spendebereitschaft als Ehrenamt anerkennen
Die AfD fordert die Bundesregierung in ihrem Antrag auf, die nachgewiesene freiwillige Bereitschaft zur Organspende als Ehrenamt anzuerkennen und ein diesbezügliches altruistisches Engagement bundesweit als Zeichen des Dankes und der Anerkennung durch geeignete Maßnahmen zu fördern.
Denkbar wären öffentliche Ehrungen, Urkunden oder Ehrennadeln oder die Ausweitung der Berechtigung auf bereits jetzt schon in den verschiedenen Bundesländern ausgegebene Ehrenamtskarten, deren Inhaber zum Beispiel Preisnachlässe beim Kauf von Waren, Dienstleistungen oder Eintrittskarten erhalten, schreibt die Fraktion.
FDP fordert liberalere Organspendenpraxis
Die FDP-Fraktion spricht sich in ihrem Antrag für eine liberalere Organspendenpraxis aus. So sollten auch „altruistische Organlebendspenden“ (Organspenden unter Nichtverwandten ohne Gegenwert) ermöglicht werden, um die Zahl der verfügbaren Organe zu erhöhen. Bei Nieren- und Lebertransplantationen könnten die Spender schließlich mit nur einer Niere oder einem Teil der Leber mit lediglich geringen Einschränkungen weiterleben.
Das derzeit geltende Subsidiaritätsprinzip solle wegfallen, verlangen die Liberalen. Damit werde vorgeschrieben, dass eine mögliche postmortale Spende stets der Lebendspende vorzuziehen sei, auch wenn von einer nahestehenden Person ein Organ angeboten werde.
„Lebensspender bei Zuteilung bevorzugen“
Eine weitere zulässige Variante solle die Überkreuzspende sein, die zwei Paaren wechselseitige Transplantationen ermögliche, wenn aus medizinischen Gründen eine Spende an den eigenen Partner ausgeschlossen sei. Schließlich solle auch die rein altruistische Organspende ermöglicht werden, um Überlebenshilfe in einem konkreten Fall zu leisten sowie die nicht zielgerichtete Spende an einen Organpool.
Ehemalige Lebendspender sollten nach Ansicht der FDP bei der Zuteilung bevorzugt werden, wenn sie selbst einmal eine Transplantation benötigen. (pk/hau/17.01.2019)