03.07.2024 Menschenrechte — Ausschuss — hib 488/2024

Antisemitismusbeauftragter: Dramatische Zunahme des Hasses

Berlin: (hib/SAS) Der Beauftragte für der Bundesregierung für jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus, Felix Klein, hat sich im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe am Mittwoch erneut erschüttert über den Anstieg judenfeindlicher Straftaten in Deutschland gezeigt. Zwar überrasche die Zunahme nach dem Terrorangriff der islamistischen Hamas auf Israel nicht, sagte Klein im Gespräch mit den Abgeordneten. Trotzdem seien die Zahlen von 2023 dramatisch: Nie zuvor seien im Bereich Hasskriminalität der Statistik zur „Politisch Motivierten Gewalt“ mit 5.164 Fällen mehr Straftaten verzeichnet worden. Insgesamt habe es rund 17.000 Fälle von Hasskriminalität im vergangenen Jahr gegeben. Damit betreffe fast ein Drittel der Straftaten die jüdische Gemeinschaft, die nur 0,25 Prozent der deutschen Bevölkerung ausmache, betonte Klein. Jüdinnen und Juden, das zeigten die Zahlen, seien besonders gefährdet.

Bemerkenswert sei, so der Antisemitismusbeauftragte, dass die Gruppen, von denen der Hass ausgehe, nicht mehr klar abgrenzbar seien. Linksextremisten, Rechtsextremisten oder Islamisten hätten nicht viel gemeinsam - einzig im Hass gegen Israel seien sie vereint. In der zunehmenden Vermischung demokratiefeindlichen und antisemitistischen Narrativen sieht Klein nicht nur eine Bedrohung für Jüdinnen und Juden, sondern auch für die Demokratie in Deutschland.

Es gelte, entschlossen zu reagieren - auch international, forderte er. In Deutschland zahle sich inzwischen aus, dass man Strukturen im Kampf gegen den Antisemitismus geschaffen habe. Die gebe es nicht überall. Klein verwies etwa auf die 2019 eingerichtete Bund-Länder-Kommission zur Bekämpfung von Antisemitismus. Wichtig sei auch die bundesweite Einrichtung von Antisemitismusbeauftragten an allen Staatsanwaltschaften gewesen. Dies habe dazu beigetragen, dass Antisemitismus schneller erkannt und besser strafrechtlich verfolgt werde. Wichtig sei auch gewesen, dass in der vergangenen Wahlperiode der Paragraf 104 des Strafgesetzbuches angepasst worden sei. Dieser stellt die Verletzung von Flaggen und Hoheitszeichen ausländischer Staaten unter Strafe. Die Ordnungsbehörden könnten nun Demonstrationen mit Auflagen versehen oder ganz verbieten.

Doch im Kampf gegen Antisemitismus brauche es auch die Gesellschaft, mahnte Klein. Es bedrücke ihn, dass Jüdinnen und Juden immer wieder betonten, sie fühlten sich von anderen Gruppen allein gelassen. Er sei aber sehr froh, dass angesichts antisemitischer Vorfälle immer mehr Hochschulen Antisemitismusbeauftragte als Ansprechpartner für jüdische Studierende einrichteten. Insgesamt sei das Problembewusstsein gewachsen, sagte Klein auf die Frage einer FDP-Abgeordneten, ob das Problem des Antisemitismus an den Hochschulen ernst genug genommen werde.

Alle Ausschussmitglieder äußerten ihre Besorgnis über eine wachsende israelfeindliche und antisemitische Stimmung. Während nach dem Hamas-Angriff noch die Unterstützung für Israel dominiert habe, sei die Stimmung mit dem Andauern des Gaza-Krieges umgeschlagen, sagte ein Unionsabgeordneter. Alarmiert zeigten sich Abgeordnete von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und AfD darüber, wie sich der Alltag für Jüdinnen und Juden in Deutschland nach dem 7. Oktober 2023 verändert habe: Sie würden ausgeschlossen, eingeschüchtert oder bedroht. Restaurants gäben wegen Anfeindungen sogar auf.

Ausdruck von Antisemitismus sei, dass deutsche Juden für die Politik Israels verantwortlich und quasi zu Israelis gemacht würden, so ein Abgeordneter der Grünen. Es brauche mehr Prävention, mehr Begegnung und Austausch, damit jüdisches Leben sichtbarer werde.

Ein Mitglied der SPD-Fraktion verwies auf die Situation in Frankreich: Dort rieten einzelne Rabbiner bereits, das Land zu verlassen, sollte der rechtsradikale Rassemblement National die Parlamentswahlen gewinnen.

Ausgerechnet in dem Land mit der größten jüdischen Gemeinde Europas sei dies ein dramatischer Appell, so Klein. Allerdings sei die Situation in Deutschland nicht vergleichbar. Jüdinnen und Juden hier äußerten zwar ihre Sorge und Unsicherheit, gleichzeitig wachse aber die Zahl der Zuzüge von Israel nach Deutschland: In den letzten zwölf Monaten seien es 1.000 mehr Zuzüge als Fortzüge gewesen.

Immer mehr Israelis, deren Vorfahren im Nationalsozialismus verfolgt wurden, beantragten die deutsche Staatsbürgerschaft. Das Bundesverwaltungsamt hatte Ende Mai bestätigt, dass in den ersten vier Monaten des Jahres 2024 bereits rund 6.900 Anträge auf sogenannte Wiedergutmachungs-Einbürgerungen aus Israel gestellt wurden. Im Jahr 2023 waren es insgesamt 9.100. Die deutsche Staatsbürgerschaft werde als Schutz empfunden, sagte Klein. Dies sei ein großer Vertrauensbeweis.

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