03.07.2024 Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung — Antrag — hib 477/2024

Koalition will Geschäftsordnung des Bundestages überarbeiten

Berlin: (hib/VOM) Die Koalitionsfraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP wollen die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages umfassend ändern. Ihr Antrag (20/12088) steht am heutigen Mittwoch zusammen mit einem Antrag der Unionsfraktion (20/12087) zur ersten Beratung auf der Tagesordnung des Plenums und soll im Anschluss an den Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung überwiesen werden.

Die Fraktionen verweisen darauf, dass die letzte umfassende Reform der Geschäftsordnung aus dem Jahr 1980 stammt und die damals eingeführten Regelungen der parlamentarischen Praxis nicht mehr entsprächen. Ziel der jetzigen Reform sei es, das Parlament als „Ort der Debatte und Gesetzgebung“ zu stärken, Verfahrensregeln zu präzisieren und das parlamentarische Ordnungsrecht „maßvoll“ zu erweitern. Vor allem sollen auch Ausschussvorsitzende künftig bei einer Störung durch Ausschussmitglieder Maßnahmen ergreifen können, um die parlamentarische Ordnung und die „Würde des Deutschen Bundestages“ zu wahren.

Die Fraktionen schlagen unter anderem vor, zwischen der Wahl des Präsidenten oder der Präsidentin und der Wahl der Vizepräsidenten und Vizepräsidentinnen zu differenzieren. Das Wahlvorschlagsrecht bei der Präsidentenwahl soll ausschließlich Fraktionen zustehen, beschränkt auf jeweils einen Bewerber oder eine Bewerberin in einem Wahlgang. Eine Stichwahl zwischen Bewerbern einer Fraktion wäre damit ausgeschlossen. Sofern auch im zweiten Wahlgang Bewerber erfolglos sind, solle es im dritten Wahlgang bei mehreren Kandidaten eine Stichwahl der beiden Besten geben. Im dritten Wahlgang reiche bei nur einem Wahlvorschlag die relative Mehrheit aus. Ein vierter Wahlgang solle nur nach Vereinbarung im Ältestenrat möglich sein. Andernfalls wäre das Wahlverfahren gescheitert und ein neues Wahlverfahren mit neuen Kandidaten erforderlich.

Bei der Wahl der Vizepräsidenten wollen die Fraktionen normieren, dass das Amt von der freien und geheimen Wahl durch den Bundestag abhängt und dieser Grundsatz dem sogenannten Grundmandat, wonach jede Fraktion durch mindestens einen Vizepräsidenten im Präsidium vertreten sein soll, vorgeht. Für ein Amt solle immer nur eine Fraktion vorschlagsberechtigt sein. Kann in der konstituierenden Sitzung des Parlaments ein Amt nicht besetzt werden, solle die Aufsetzung weiterer Wahlgänge erst nach drei Wochen verlangt werden können, wenn es kein Einvernehmen über eine vorzeitige Aufsetzung gibt. Ein im ersten Wahlgang erfolgloser Kandidat könnte somit nicht mehr für einen zweiten Wahlgang vorgeschlagen werden, wenn zwischenzeitlich ein erster Wahlgang mit einem anderen Kandidaten erfolglos war. Eingeführt werden soll ein Quorum von einem Viertel der Abgeordneten für ein viertes Wahlverfahren, damit nur „Wahlverfahren mit gewissen Erfolgsaussichten“ durchgeführt werden.

Geplant ist zudem, eine eigene Norm für „Gruppen“ von Abgeordneten einzuführen, die keinen Fraktionsstatus erlangen. Es soll verdeutlicht werden, dass der Bundestag „entsprechend der bisherigen Praxis“ über die Rechte entscheiden muss, die den Gruppen im Einzelnen gewährt werden. Im Hinblick auf Ordnungsmaßnahmen des sitzungsleitenden Präsidenten soll der Zeitraum für mögliche Ordnungsrufe erweitert werden. Ordnungsmaßnahmen sollen in der Sitzung erfolgen müssen. Einzelfälle, die eine nachträgliche Maßnahme rechtfertigten, könnten etwa entstehen, wenn dem Präsidenten Verstöße entgangen sind oder ein Sachverhalt zwar bekannt wurde, zur abschließenden Bewertung oder der Festlegung der Rechtsfolge jedoch noch Beratungsbedarf besteht. Einführen wollen die Fraktionen auch einen Automatismus, wonach beim dritten Ordnungsruf innerhalb von drei Sitzungswochen ein Ordnungsgeld festgesetzt wird, sofern der Abgeordnete nicht bereits des Sitzungssaals verwiesen worden ist.

Der Antrag sieht außerdem vor, dass der Petitionsausschuss künftig empfehlen kann, die Beratung einer Petition auf die Tagesordnung des Plenums zu setzen, wenn diese mehr als 100.000 Unterzeichner hat und im Ausschuss bereits eine Anhörung stattfand.

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