02.07.2024 Enquete-Kommission Afghanistan-Einsatz — Anhörung — hib 472/2024

Rechtsberatung für Soldaten im Einsatz gewinnt an Bedeutung

Berlin: (hib/LL) Verbesserungen beim Zusammenwirken ziviler und militärischer Kräfte bei Auslandseinsätzen sowie an der Schnittstelle zwischen der nationalen Rechtsordnung und dem operativen Recht im Einsatz sahen die Sachverständigen in der öffentlichen Anhörung der Enquete-Kommission Afghanistan am Montagnachmittag zum Thema „Der vernetzte zivil-militärische Ansatz im internationalen Krisenmanagement: Rolle der zivilen Einsatzkräfte und Anwendung deutschen Rechts im Einsatzgebiet“.

„Gut vernetzt handeln, aber trotzdem scheitern“, das könne durchaus passieren, wenn „die eigene Strategie und die gewählten Maßnahmen zu ihrer Umsetzung nicht wirksam waren“, sagte Astrid Irrgang, Geschäftsführerin des Zentrums für internationale Friedenseinsätze (ZIF), im Hinblick auf den Afghanistaneinsatz. Es gebe „nicht den einen optimalen integrierten Ansatz“. Die 2023 beschlossene nationale Sicherheitsstrategie stelle einen „wertvollen Schritt“ dar, um „die Kohäsion von Handeln zu fördern. Deutschland ist hier insgesamt besser geworden“, so die Wissenschaftlerin.

Um friedensfördernde Einsätze zu verbessern, sei es „hilfreich, die verschiedenen Akteure, wo immer möglich, zusammenzubringen, so dass sie voneinander wissen und ihre Arbeitsgrundlagen kennen“: durch gemeinsame einsatzvorbereitende Trainings ziviler, polizeilicher und militärischer Kräfte sowie durch deren Vernetzung vor Ort im Einsatzgebiet. „Ein Schlüssel für nachhaltiges Peacebuilding“ sei zudem „Local Ownership“, also die Einbindung der Menschen und Strukturen vor Ort, sagte Irrgang. Das ZIF wolle mit seiner Arbeit, der Entsendung von Fachkräften für den zivilen Teil von Auslandseinsätzen, dazu beitragen, durch die Stimmen und Erfahrungen aus Einsätzen „Einsatzwissen“ zu sammeln und dieses für künftige Missionen nutzbar zu machen.

Wie stark unterschiedliche Rechtsgrundlagen sowie unterschiedliche Aufträge und Befugnisse der verschiedenen Mandate in Afghanistan die Koordinierung der Einsatzkräfte behindert haben, darauf wies Norbert Hausmann, Rechtsberater im Einsatzführungskommando der Bundeswehr, hin. „Ressortüberschreitende Operationen vernetzter Kräfte werden erleichtert, wenn sie auf denselben völker- und gegebenenfalls verfassungsrechtlichen Grundlagen basieren und die jeweiligen Aufträge ein entsprechendes Zusammenwirken bereits vorsehen“, sagte der Jurist.

Deutsches Recht, das im Ausland grundsätzlich nicht unmittelbar anwendbar ist, werde dort beispielsweise für die Soldaten über Dienstvorschriften, die Ausnahmeregelungen zum Abweichen von inländischen Standards enthielten, angeordnet. Da Einsatzregeln „immer auf dem rechtlichen Rahmen, dem Auftrag und den sonstigen operativen und politischen Vorgaben für die jeweiligen Kräfte basieren, dürfte der Versuch einer ressortübergreifenden Harmonisierung schnell an Grenzen stoßen“, gab Hausmann zu bedenken.

„Fehlentscheidungen im Einsatz“ führten „für die handelnden Personen grundsätzlich zu den gleichen rechtlichen Konsequenzen wie im Inland“. Um der damit einhergehenden Verunsicherung bei den Soldatinnen und Soldaten zu begegnen, versuchten im Rahmen der Ausbildung Rechtsberatungsstabsoffiziere „durch Aufklärung über die rechtsstaatlichen Erfordernisse und Abläufe Handlungssicherheit zu erzeugen“, erklärte der Bundeswehr-Jurist. Die militärischen Einsatzkräfte erhielten zudem Hilfestellung beim Rechtsschutz, eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft sei eingerichtet sowie die Funktion eines Rechtsberaters des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr als alleiniger Ansprechpartner für die zuständigen Staatsanwaltschaften.

Das „operative Recht“ bei der Operationsführung und die entsprechende Rechtsberatung hätten unter dem Eindruck des Afghanistaneinsatzes deutlich an Bedeutung gewonnen und würden im Hinblick auf die neue Schwerpunktsetzung hin zur Landes- und Bündnisverteidigung weiter zunehmen.

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