26.06.2024 Tourismus — Anhörung — hib 456/2024

Resilienz in der Tourismusbranche hat zugenommen

Berlin: (hib/HLE) Die deutsche Tourismuswirtschaft sieht sich nach der Corona-Pandemie bei künftigen Krisen besser gewappnet. „Wir haben an Resilienz zugelegt“, sagte Norbert Kunz vom Deutschen Tourismusverband am Mittwoch in einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Tourismus unter Leitung der Vorsitzenden Jana Schimke (CDU) zum Thema: „Resilienter Tourismus: Krisenprävention und Krisenmanagement“. Nach Angaben von Kunz ist die Digitalisierung besser geworden. Er forderte jedoch die Einrichtung eines „Krisenbeirats“ auf Bundesebene, der in regelmäßigen Abständen über die Auswirkungen aktueller Krisen auf den Tourismus beraten soll.

Nach dem krisenbedingten Einbruch hätten die Übernachtungszahlen im Jahr 2023 mit 487,1 Millionen nahezu schon wieder das Vor-Corona-Niveau erreicht, berichtete Kunz in seiner Stellungnahme. Er forderte als Lehre aus der Pandemie für die Zukunft, dass bei nationalen Krisenlagen auch nationale einheitliche Regelungen getroffen werden müssten. Während der Pandemie habe es in Deutschland „nicht nachvollziehbare oder unterschiedliche Regelungen“ gegeben. In einer Krisenlage dürften zudem neben der Kommunikation der Bevölkerung die Besucher nicht vergessen werden. Gerade für ausländische Touristen bedürfe es in der Krisenkommunikation besonderer Anstrengungen wegen Sprachbarrieren und fehlenden Ortskenntnissen.

Dass der Tourismus nicht ausreichend in allgemeine Krisenmanagement-Pläne eingebunden sei, machte auch Professorin Dagmar Lund-Durlacher (ZENAT - Zentrum für Nachhaltigen Tourismus) deutlich. Das Fehlen einheitlicher Kriterien für Reisebeschränkungen, Gesundheitsrichtlinien und Hygieneprotokolle habe zu Verunsicherung und zu Vertrauensverlusten bei den Touristen geführt. Angesichts der Extremwetterereignisse müsse das Gefährdungspotenzial von Tourismusregionen systematisch beobachtet werden. Es sollten Risikoanalysen durchgeführt und Frühwarnsysteme eingerichtet werden.

Auf das sehr gut funktionierende Krisenmanagement in Zeiten des Klimawandels wies Melanie Gerhardt vom Reiseveranstalter DERTOUR hin. Griechenland sei dabei der „absolute Vorreiter“. Bei den verheerenden Bränden auf der griechischen Insel Rhodos hätten Feuerwehr und Katastrophenschutz effektiv zusammengearbeitet. Das Einbeziehen des Tourismus in die regionalen Planungen sei für viele griechische Regionen selbstverständlich.

Mirko Jacubowski (A3M Global Monitoring) sagte, die Branche sei auf Krisen ganz gut vorbereitet. Eine Studie zum Krisenmanagement deutscher Reiseveranstalter habe ergeben, dass große Veranstalter dem Thema große Bedeutung beimessen und auch entsprechende Ressourcen hätten. Dagegen sei die Investitionsbereitschaft vieler kleiner und mittlerer Reiseveranstalter im Bereich Krisenprävention geringer. Jacubowski kritisierte, dass es in der Branche keine definierten und überprüfbaren Mindeststandards im Bereich Krisen- und Sicherheitsmanagement gebe.

Auch die Personalsituation in der Tourismusbranche spielte eine Rolle. Lund-Durlacher erklärte, das Ansehen des Tourismus habe bei den potenziellen Mitarbeitern gelitten. Viele Arbeitnehmer seien nach der Pandemie nicht in die Branche zurückgekehrt, und der Rückgang der Studierendenzahlen sei nicht allein mit dem demographischen Wandel zu erklären. Marcel Klinge (Denkfabrik Zukunft der Gastwelt) verwies auf eine Fraunhofer-Studie, wonach 40 Prozent der Stellen in der Gastronomie nicht besetzt werden könnten. Dies lasse darauf schließen, dass „derzeit vor allem eine mangelnde Arbeitgeberattraktivität als Hauptproblem zu sehen ist“. Der eigentliche „Demographie-Schock“ stehe jedoch noch bevor. Bis zum Ende des Jahrzehnts werde die Gastronomie je nach Szenario zwischen 200.000 und 610.000 Mitarbeiter verlieren. Die gezielte Einwanderung von Fach- und Arbeitskräften könne diese Lücke lindern, „ein Allheilmittel ist sie aber nicht“, erklärte Klinge. Gerade im ländlichen Raum könnten Strukturen wegbrechen.

Christian Lindner (Privat-Hotel Villa Aurora) berichtete über die Situation im Ahrtal, wo ein Hochwasser vor drei Jahren massive Schäden angerichtet hatte. Sein Betrieb sei fast vollständig zerstört worden. Der für das Ahrtal geschaffene Wiederaufbaufonds sei eine „großartige Geschichte“. Beim Aufbau sei allerdings die Bürokratie die allergrößte Hürde. „Sie dürfen uns nicht vergessen“, forderte Lindner die Politik auf.

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