26.06.2024 Sport — Ausschuss — hib 456/2024

Vertretung deutscher Interessen in den Weltsportverbänden

Berlin: (hib/HAU) Der deutschen Sportpolitik fehlt ein struktureller Ansatz, um deutsche Interessen auf der Ebene der Weltsportverbände besser durchsetzen zu können. Das machten die zu einer öffentlichen Sitzung des Sportausschusses am Mittwoch geladenen Verbandsvertreter Thomas Konietzko, Präsident des Internationalen Kanuverbandes (ICF), Jörn Verleger, Präsident des Internationalen Faustball-Verbandes (IFA), Ingo Weiss, Schatzmeister des Welt-Basketball-Verbandes (FIBA) sowie der Sportwissenschaftler Professor Jürgen Mittag von der Deutschen Sporthochschule Köln (DSHS) deutlich.

Kanu-Verbandspräsident Konietzko sagte, auch andere europäische Staaten, die mit unserem Wertesystem vergleichbar seien, betrachteten internationale Sportpolitik als hohe Priorität und täten deutlich mehr, um ihre Kandidaten dort zu platzieren. Wie wichtig es ist, Deutsche an entscheidenden Stellen sitzen zu haben, lasse sich am besten an der Zulassung russischer Sportler für Olympia nachvollziehen, befand Konietzko. Gegen eine große Mehrheit, die für eine sofortige Zulassung gewesen sei, habe er einen ausbalancierten Beschluss hinbekommen und viele russische Athleten von Wettkämpfen in Europa ferngehalten. „Das wäre anders gewesen, hätte dort ein Ungar oder erst recht ein Vertreter aus Saudi-Arabien gesessen“, sagte Konietzko.

An die Abgeordneten gewandt sagte er: „Sie müssen entscheiden, ob Sie die Vertretung Deutscher in den Gremien künftig anders priorisieren.“ Dazu brauche es entsprechende politische Weichenstellungen, „damit es künftig nicht mehr von Zufällen abhängig ist, dass Deutsche hohe Ämter im Sport übernehmen können“.

Der Sportwissenschaftler Jürgen Mittag verwies darauf, dass Deutschland mit vier aktuellen Präsidentschaften im IOC und in Fachverbänden zwar nicht an der Spitze eines Länderrankings der internationalen Sportverbände stehe, sich aber in einer führenden Position bewege. „Nur vier Länder stellen gegenwärtig mehr Präsidentschaften“, sagte er. Dennoch sei festzustellen, „dass Deutschland sein Potenzial nicht ausschöpft“.

Der Weg zur Präsidentschaft einer internationalen Sportorganisation erfordere in der Regel eine Kombination aus Erfahrung, Netzwerk, Engagement und persönlichen Eigenschaften, sagte Mittag. Maßgeblich im Zuge der Bewerbung sei neben dem Bekleiden anderer Führungspositionen das Knüpfen strategischer Allianzen und das Gewinnen von Unterstützung durch ein eigenes konsensfähiges Programm.

Die Sicht eines nicht-olympischen Verbandes stellte Jörn Verleger, Präsident des Internationalen Faustball-Verbandes (IFA) dar, der auch der vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) etablierten informellen Runde der sogenannten „German Internationals“ angehört. Bisher werde der Kreis der „German Internationals“ jedoch nicht zielgerichtet, beispielsweise über einen vom DOSB gepflegten und von den Verbänden berücksichtigten Einladungsverteilern bei Veranstaltungen in Betracht gezogen. „Dadurch werden Chancen liegen gelassen“, befand Verleger. Dies gelte insbesondere für den nicht-olympischen Sport und dessen mittelbare Einflussmöglichkeiten. Auffällig sei, dass es anderen Nationen viel besser gelinge, „nationale Vertreter auf der internationalen Ebene zu platzieren und sich bei dieser Arbeit gegenseitig zu unterstützen“.

FIBA-Schatzmeister Ingo Weiss betonte ebenfalls die große Bedeutung deutscher Vertreter in internationalen Sportverbänden. Nur dort könne effektiv Einfluss genommen werden. Man sei auch näher am Geschehen, „wenn es darum geht, internationale Veranstaltungen nach Deutschland zu holen“. Wenn man in der ersten Reihe sitze, wisse man, wer sich bewirbt und mit wem Absprachen zu treffen sind.

Weiss warnte gleichzeitig davor, als deutscher Vertreter in einem Weltgremium zu versuchen, den anderen „meine Werte, meine Ideen, meine Ethik wie einen Hut überzustülpen“. So könne man nicht erfolgreich sein. „Das hasst man auf den Tod“, sagte er. Bei Diskussionen müsse man seine Meinung vertreten, sich aber auch andere Meinungen anhören und „vielleicht auch gewisse Punkte akzeptieren“.

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