26.06.2024 Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz — Anhörung — hib 454/2024

Kormoranmanagement bei Sachverständigen umstritten

Berlin: (hib/MWO) Keine Übereinstimmung über das beste Vorgehen gegen fischfressende Kormorane gab es in einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Umwelt und Naturschutz am Mittwoch, 26. Juni 2024. Die acht Sachverständigen äußerten sich zu einem Antrag der CDU/CSU-Fraktion mit dem Titel „Kormoranmanagement - Schutz von Artenvielfalt und Fischereibeständen“ (20/10619). In dem Antrag heißt es, der Anstieg der Kormoranpopulation wirke sich negativ auf die Fischbestände in deutschen Binnengewässern und an den deutschen Küsten aus. Da der Kormoran eine nach dem Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) besonders geschützte Art sei, gestalteten sich populationsbegrenzende Maßnahmen wie Vergrämungen jedoch schwierig.

Bernd Koop von der Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft Schleswig-Holstein gab einen Überblick über die Kormoranbestandsentwicklung in Deutschland. Nach seinen Worten ist der Bestand seit 20 Jahren stabil nach einem sehr starken Anstieg aufgrund der Unterschutzstellung und des Verbots von DDT. Dazu komme ein starker Anstieg der Eutrophierung der mitteleuropäischen Gewässer. Man dürfe auch den deutschen Bestand nicht isoliert betrachten, denn er sei eingebettet in den Bestand der südwestlichen Ostsee. Deutschland habe etwa 23.000 Paare. Entscheidend sei, dass sich das Wesentliche des Bestandes auf wenige Bundesländer konzentriere. Etwa die Hälfte des gesamten Bestandes siedele in Mecklenburg-Vorpommern mit etwa 11.000 Paaren. Schleswig-Holstein habe etwa 3.000 Paare. Daraus ergebe sich, dass man länderspezifische Regelungen für den Umgang mit Kormoranen treffen muss, sagte Koop.

Aus der Sicht des Offenbacher Rechtsanwalts Dirk Wüstenberg müssen sich die Teichwirte und die Berufsfischer schon heute auf die dauerhafte natürliche Obergrenze der Kormoranpopulationen in Deutschland einstellen. Teichwirte hätten ihre Fische selbst zu schützen, Berufsfischer nutzten die natürlichen Ressourcen im Rahmen der Berufs- und Gewerbeausübungsfreiheit, hätten aber keinen Rechtsanspruch auf Fisch, erklärte Wüstenberg in seiner schriftlichen Stellungnahme. Das besondere Artenschutzrecht habe die Aufgabe, besondere Tierarten für das Naturerlebnis der Menschen und Touristen zu bewahren. Durch die Jagd würden diese Tierarten gestört und vernichtet. Die Bundesregierung sollte sich stattdessen für mehr Gewässerschutz einsetzen - mehr mit Blick auf „Verbesserung“ statt auf „Abwehr“.

Prof. Dr. Alexander Brinker von der Fischereiforschungsstelle Langenargen wies darauf hin, dass sich der Kormoran als geschützte Art seit 30 Jahren in einem guten Erhaltungszustand befinde und sich sein Bestand europaweit deutlich erhöht habe. Trotz des Schutzstatus sei ein wie auch immer ausgestaltetes effektives Kormoranmanagement möglich, sagte Brinker und erwähnte das Beispiel Dänemark. Er arbeite am Bodensee, früher ein Gewässer mit einer der bedeutendsten Binnenfischereien Europas. Aktuell drohe diese Fischerei in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden, da der Kormoran im Bestand extrem zunehme und wesentlich mehr Fische als die Berufs- und Angelfischerei zusammen entnehme. Der Kormoran-Fraßdruck gefährde jedoch nicht nur fischereilich relevante Arten, sondern auch gefährdete und Rote-Liste Arten. Als Beispiel nannte Brinker die Esche. Auch die Resilienz des Bodensees werde durch den Kormoran gestört. Der Kormoranbestand sollte aus Gründen des Fischartenschutzes, des Gewässerschutzes und der regionalen Fischerei substanziell sinken, sagte Brinker. Am Bodensee erfolge dies durch Minimierung des Bruterfolgs. Eier würden durch Drohnen mit Speiseöl eingesprüht, sodass sie sich nicht erfolgreich entwickeln könnten. Diese Maßnahme funktioniere auch in Bäumen.

Dr. Carola Winkelmann von der Universität Koblenz verwies darauf, dass es vor allem Kormorane verhinderten, die Algenmassenentwicklung zu stoppen, was für die Aufrechterhaltung einer guten Wasserqualität notwendig wäre. In Mitteleuropa gebe es mit der Nase eine einzige Fischart, die ausschließlich Algen fresse. In einem großskaligen Freilandexperiment habe sich aber gezeigt, dass es trotz mehrfachen umfangreichen Besatzes bei den momentanen Kormoranbeständen und dem herrschenden Fraßdruck unmöglich ist, hohe Fischbestände in den Fließgewässern des Untersuchungsgebietes im Westerwald aufzubauen. Aufgrund der Zusammenhänge zwischen Algenmassenentwicklungen und Ökosystemzustand und aufgrund der Bedeutung großwüchsiger Fische für die Kontrolle dieser Algenmassenentwicklungen seien niedrige Fischbestände nicht nur ein Risikofaktor für den Erhalt der Biodiversität in Fließgewässern, sie könnten auch das Erreichen des guten Ökologischen Zustandes verhindern. Aus diesem Grund müsse die Bestandsdichte der Kormorane reduziert werden.

Stefan Jäger von der Kormorankommission des Deutschen Fischerei-Verbands verwies in seiner Stellungnahme darauf, dass das Europäische Parlament bereits 2018 die EU-Kommission aufforderte, gemeinsam mit den Mitgliedstaaten Maßnahmen zu ergreifen, um die Kormoranbestände zu reduzieren. Leider sei die Kommission bis heute der Aufforderung nicht nachgekommen. Der Antrag der CDU/CSU-Fraktion greife diesen Mangel auf. Dass es effektive Mittel zur Bestandskontrolle gibt, zeige das Kormoranmanagement in Dänemark, wo Eingriffe in Brutkolonien durch das Einölen der Eier erfolge. Jäger zufolge muss die Forderung des EU-Parlament auch in Deutschland umgesetzt werden, um die nachhaltige Fischereiwirtschaft zu erhalten. Der Deutsche Fischereiverband habe dazu einen Entwurf vorgelegt.

Aus der Sicht von Christof Herrmann von der Beringungszentrale Hiddensee muss eine erfolgreiche Strategie zur Reduzierung von Kormorankonflikten in Teichwirtschaften, mit fischereiwirtschaftlichen Nutzungen oder dem Schutz bedrohter Fischarten auf eine Verbesserung von Abwehr- beziehungsweise Vergrämungsmaßnahmen am Ort des Konfliktes ausgerichtet sein. Man könne den Bestand nicht managen, denn der Kormoran sei ein Zugvogel. Maßnahmen, die auf eine Populationsbegrenzung zielen, seien ohne Aussicht auf Erfolg, erklärte Herrmann in seiner Stellungnahme. Dies gelte insbesondere auch für die in dem Antrag geforderten Maßnahmen zur Verringerung des Reproduktionserfolgs, aber auch für wahllose, nicht konfliktbezogene Abschüsse. Flankierend und für einige seltene Fischarten unverzichtbar seien Verbesserungen ihrer Lebensräume.

Reinhart Sosat vom Landesfischereiverband Baden-Württemberg kritisierte den „überhöhten Schutz von Prädatoren“ in Deutschland. In Baden-Württemberg seien nur noch 31 Prozent der Fischarten nicht gefährdet. Die Bestandsdichten seien auf einem katastrophalen Niveau. Dagegen breite sich der Kormoran massiv aus. Die andauernden Auseinandersetzungen zwischen Vogel- und Fischartenschutz hätten bis heute nur Verlierer hinterlassen. Vereinzelte Abschüsse seien aber nur erforderlich, weil sich die Kormoranschützer seit vielen Jahren einer Bestandsregulierung pauschal verweigerten. Der Kormoran müsse dringend in den Anhang 2 der Vogelschutzrichtlinie aufgenommen werden, um ein entsprechendes Bestandsmanagement überhaupt zu ermöglichen. Gebraucht werde ein Kormoranmanagement sowohl auf nationaler wie auch auf internationaler Ebene. Das dies möglich sei, zeige das Beispiel der Kurzschnabelgans.

Der Einzelsachverständige Dr. Sebastian Zelder, Inhaber der einer Teichwirtschaft in Sachsen, begrüßte dagegen die Initiative der CDU/CSU zur Etablierung eines bundesweiten Kormoranmanagements. Aufgrund ihrer seit Jahrhunderten traditionellen Bewirtschaftung zählten Teichwirtschaften heute zu den produktivsten Ökosystemen. Deren Existenz sei aber stark gefährdet. Mit dem Aufkommen größerer Kormoranbestände sei ein verstärkter Rückgang der Fischbestände verzeichnet worden. Ein Schutz der Fischbestände in Teichwirtschaften sei in Sachsen nur durch ganzjährige Vergrämung möglich. Zelder verwies auf die geltende sächsische Kormoranverordnung, deren deutschlandweite Übernahme zielführend wäre.

Koop und Wüstenberg waren auf Vorschlag der SPD-Fraktion zur Anhörung eingeladen worden, Brinker, Winkelmann und Jäger auf Vorschlag der CDU/CSU-Fraktion, Herrmann auf Vorschlag der Fraktion von Bündnis90/Die Grünen, Sosat auf Vorschlag der FDP-Fraktion und Zelder auf Vorschlag der AfD-Fraktion.

Das Video der Anhörung und die Stellungnahmen der Sachverständigen auf bundestag.de: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2024/kw26-pa-umwelt-kormoran-1005350

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