Palast der Republik
Das politische Staatsforum der DDR bildeten das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten, das Staatsratsgebäude und der Palast der Republik am Marx-Engels-Platz. Lange war darüber diskutiert worden, wie das Gebiet zwischen Schlossfreiheit, Schlossplatz und Lustgarten städtebaulich gestaltet werden sollte. Denn nach der Sprengung des Stadtschlosses war auf diesem Gelände eine große Leere entstanden, über die der Architekt Wolf Rüdiger Eisentraut sagte: „Wenn Sie damals im Winter vom Alexanderplatz zum alten Lindencorso liefen, das war wie’n Marsch durch die Arktis. Eine Brache, aber was für eine. Weit. Kalt. Unwirklich. Man war froh, wenn man drüber weg war.“
Die beginnenden 1970er Jahre waren für die DDR in zweierlei Hinsicht eine Zeit des Aufbruchs. Einerseits schien sich die ökonomische Situation zu konsolidieren. Andererseits erfuhr die DDR zunehmend eine internationale Aufwertung und wurde in ihrer staatlichen Souveränität anerkannt. Spätestens jetzt benötigte die DDR nach Meinung ihrer politischen Führung eine repräsentative Hauptstadt mit einer entsprechend repräsentativen Mitte. Überlegungen, auf dem inzwischen „Marx-Engels-Platz“ titulierten „Zentralen Platz“, der nach sowjetischem Vorbild als Aufmarschplatz für die Massen vor der auf der Ehrentribüne versammelten politischen Führung diente, ein „Zentrales Gebäude“ zu errichten, bekamen wieder Aufwind. Bei dessen Konzeption standen aber zunehmend die Ideen eines „Volkshauses“ Pate, womit man dem seit Ende der 1960er Jahre einsetzenden Rückzug der Gesellschaft in den privaten Raum und dem daraus resultierenden Wunsch nach Freizeitausgestaltung Genüge tat.
Konzeption und Funktion
Der Konzeption des „Palastes der Republik“ lag die Idee eines Kulturhauses zugrunde, das öffentlicher Volkspalast und Staatspalast als repräsentativer Ort für die Selbstdarstellung des Staates in einem sein sollte. Nach dem Motto „Form folgt Funktion“ wurde diese Zweiteilung des Gebäudes deutlich sichtbar in der Architektur umgesetzt: In dem einen Teil des Gebäudes wurde ein Ort geschaffen, in welchem das Parlament der DDR, die Volkskammer, tagte. Im anderen Teil des Gebäudes war der Palast Mehrzweckkulturstätte mit Theatern, einer Bowlingbahn und insgesamt 13 gastronomischen Einrichtungen. Aber er bot mit dem Großen Saal und den übrigen zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten auch genügend Platz für Feste und Staatsfeiern, für Kongressveranstaltungen und nicht zuletzt für die Parteitage der SED.
Der Bau des „Zentralen Gebäudes“
Die Entscheidung zur Errichtung des „Palastes der Republik“ am Marx-Engels-Platz traf das Politbüro des ZK der SED am 27. März 1973. Nachdem die Volkskammer als die künftige (Haupt-)Nutzerin in den Beschluss einbezogen worden war, stimmte am 9. Mai 1973 die Bezirksleitung der SED Berlin zu. Dem folgte am 21. Mai 1973 die Berliner Stadtverordnetenversammlung, schließlich wurde am 24. Mai 1973 die Öffentlichkeit informiert. Bauherr des Gebäudes, für dessen Errichtung keine Ausschreibung erfolgte, war die Staats- und Parteiführung der DDR. Den IX. Parteitag der SED, der im Mai 1976 stattfinden sollte, wollte man bereits in dem neuen Gebäude abhalten, weshalb die Parteiführung auf eine Fertigstellung des repräsentativen Baus bis zu diesem Zeitpunkt drängte.
Einer der profiliertesten Architekten der DDR, Heinz Graffunder, wurde zum Chefarchitekten bestimmt, die Gesamtleitung des „Sonderbauvorhabens“ wurde Erhardt Gißke übertragen. Beteiligt waren ebenfalls die Architekten Ernst Swora, Manfred Prasser - der für die flexible Saaltechnik des großen Saales verantwortlich war -, Günter Kunert, Wolf Rüdiger Eisentraut, Heinz Aust sowie Dieter Bankart.
Die Grundsteinlegung erfolgte am 2. November 1973 durch Erich Honecker, das Richtfest wurde ein Jahr später am 18. November 1974 gefeiert. Eröffnet wurde der Palast schließlich am 23. April 1976.
Der Bau des Palastes der Republik war ein Prestigeprojekt, für dessen Durchführung die damals modernsten Verfahren und Technologien zum Einsatz kamen. Am Ufer der Spree entstand ein flacher Baukörper, der kubisch im Aufbau die Leitprinzipien moderner Architektur befolgte, nach der die Funktion und Konstruktion sich in der Gebäudestruktur widerspiegeln sollten. Drei Bautraditionen fühlten sich die Architekten bei der Ausführung des Palastes der Republik verpflichtet: erstens der der Kulturpaläste, wie sie in der Sowjetunion der Stalin-Ära entstanden waren, zweitens der sozialdemokratisch geprägten Tradition der Volkshäuser, die mit der aufkommenden Arbeiterbewegung des ausgehenden 19. Jahrhunderts begründet wurde, und drittens schließlich dem weltweit einsetzenden Trend der Kongress- und Kulturzentren. Bruno Flierl sah das Gebäude als Sinnbild für die „DDR-Moderne“, einer ostdeutschen Baustilphase, die versuchte, eine Synthese zwischen den Traditionen des Neuen Bauens der 1910er bis 1930er Jahre und den zeitgenössischen Strömungen internationaler Architektur zu realisieren.
Wie hoch die Kosten waren, die der Bau des Palastes der Republik schließlich verursachte, lässt sich nicht abschließend feststellen. Offizielle Berichte der DDR sprachen nach der Fertigstellung von einer Summe von 485 Millionen Mark der DDR, nach einer internen Aufstellung des Ministers für Bauwesen, Wolfgang Junker, betrugen die Baukosten rund 800 Millionen Mark der DDR. Andere Schätzungen sprachen sogar von einer Milliarde Mark der DDR.
Der Palast der Republik als Tagungsort der Volkskammer
Wenn die Volkskammer als die Haupt-Nutzerin des Gebäudes im Palast der Republik zusammentrat, waren der Öffentlichkeit lediglich die auf der Spreeseite gelegenen Freizeiteinrichtungen zugänglich (Bowlingbahn, der Jugendtreff sowie die Bier- und Weinstube). Die Volkskammerabgeordneten, die ehrenamtlich arbeiteten, fanden sich allerdings nur zwei- bis dreimal im Jahr zu Plenartagungen zusammen. Der Plenarsaal der Volkskammer verfügte über 787 Plätze, davon 541 Plätze im Parkett für Abgeordnete und das Präsidium, 246 Plätze standen im Rang für Gäste zur Verfügung. Jeder Abgeordnetensitz war mit einer Schreibplatte, einem Fremdsprachen- und Mikrofonanschluss sowie einem Konferenzlautsprecher ausgestattet. Das Prinzip der Doppelsitzanordnung ermöglichte es jedem Abgeordneten „außen“ zu sitzen. Arbeitszimmer waren für die Abgeordneten nicht vorgesehen, lediglich dem Präsidenten der Volkskammer stand ein solcher Raum zur Verfügung. Auf beiden Seiten des Plenarbereichs befanden sich sechs variabel teilbare Konferenzräume, so dass den Fraktionen und Ausschüssen insgesamt zwölf Räume zur Verfügung standen. Auch die Außenfoyers im 3. Geschoss konnten als Konferenzräume genutzt werden. Dass darüber hinaus keine weiteren Funktionsräumlichkeiten vorhanden waren, ist ein deutliches Zeichen dafür, dass politische Entscheidungen nicht im Parlament getroffen wurden und der Palast der Republik nicht der Ort war, an dem Staatspolitik gemacht wurde. Aber für das leibliche Wohl der Abgeordneten wurde Sorge getragen. Sie konnten sich während der Plenarsitzungen in den über die im Volkskammerteil des Gebäudes angeordneten drei größten Restaurants versorgen. Bei Bedarf waren diese unterteilbar und für die Öffentlichkeit nur beschränkt zugänglich.
Der Palast als Tagungsort der letzten und einzig frei gewählten Volkskammer der DDR
Die frei gewählte Volkskammer, die aus den Wahlen vom 18. März 1990 hervorgegangen war, beschloss im Palast der Republik den Beitritt der noch zu schaffenden Länder zum Geltungsbereich des Grundgesetzes nach Artikel 23 GG. Der Staatsvertrag zur Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion wurde von der Volkskammer am 18. Mai 1990 im Palast der Republik ratifiziert. Auf Anordnung der Bezirkshygieneinspektion Berlin und auf Beschluss des Ministerrats der DDR wurde der Palast der Republik aufgrund von Asbestkontamination am 19. September 1990 geschlossen. Nachdem er mit der Wiedervereinigung in den Besitz des Bundes übergegangen war, beschloss der Deutsche Bundestag am 19. Januar 2006, das Gebäude abzureißen. 2008 waren die Abrissarbeiten abgeschlossen.