Petitionen

Abgeordnete befassen sich mit Agrardiesel-Alternativen in Klein Schneen

Vor einer Scheune stehen ein Traktor und zwei Hackroboter. Menschen haben sich um die Maschinen versammelt.

Auf dem Hofgut Klein Schneen informiert sich der Ausschuss über Feldroboter und Traktoren mit klimaneutralen Kraftstoffen. (© DBT)

Als Rainer Reuß mit seinem Traktor am Treffpunkt ankommt, ist seine Botschaft an die Abgeordneten nicht zu übersehen. „Ich tanke 100 Prozent Pflanzenöl“, prangt auf einem großen Schild, vorn an der Maschine angebracht. Ein zweites direkt darunter: „Umweltfreundliche Kraftstoffe sind in Deutschland voll versteuert. Warum?“ Viereinhalb Stunden war Reuß mit seinem Schlepper unterwegs. Von Werneck in Unterfranken bis ins südniedersächsische Friedland. 

Ziemlich viel Aufwand für ein Gespräch, könnte man meinen. Und würde wohl sogleich Widerspruch ernten. Schließlich soll es bei dem Austausch mit den Politikern aus Berlin auch um ein Thema gehen, das Reuß seit Jahrzehnten am Herzen liegt und das er, abgefüllt in einer Glasflasche, an diesem durchwachsenen Vormittag Mitte Juni aus Bayern mitgebracht hat: Pflanzenöl als Treibstoff für die Landwirtschaft. 

„Keine Streichung ohne Alternativen“

Reuß ist einer der drei Experten, von dem die Abgeordneten um Delegationsleiter Erik von Malottki (SPD) an diesem Montag, 17. Juni 2024, mehr erfahren wollen darüber, wie es in Deutschland um Alternativen zum Agrardiesel steht. Bislang können sich Betriebe die Energiesteuer für den Kraftstoff teilweise zurückerstatten lassen. Das soll sich jedoch ändern, die sogenannte Agrardieselrückvergütung entfallen.

Ein Fehler, meinen die beiden Landwirtinnen Marie von Schnehen und Marie Hoffmann. Zumal, wenn die Politik nicht im Gegenzug für die Rahmenbedingungen sorge, um klimafreundliche Antriebe voranzubringen. „Keine Streichung ohne Alternativen“, so sehen sie es, und haben sich deshalb mit einer Beschwerde an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages gewandt. 

Seismograf des Parlaments 

Der Ausschuss gilt als Seismograf, der die Stimmung der Bevölkerung aufzeichnet, der aktuelle Sorgen und Nöte im Land genau registriert. So etwa auch jenes Beben, das die Regierung Ende 2023 auslöst, als sie im Zuge der Haushaltskonsolidierung ihre Sparpläne für den Agrarsektor verkündet. Die Reaktionen kommen prompt: Deutschlandweit protestieren Landwirte mit Traktoren gegen die Kürzungen, legen Innenstädte lahm, sperren Straßen und Autobahnzufahrten. 

Im Parlament landet zur selben Zeit die Beschwerde von Marie von Schnehen. Darin fordert die Öko-Landwirtin, die Steuervorteile beim Agrardiesel beizubehalten – und stößt mit ihrem Anliegen auf zahlreichen Zuspruch: Schon nach wenigen Tagen überschreitet die Petition die Marke von 50.000 Mitzeichnungen, so viele wie nötig sind, damit eine Eingabe öffentlich und mit den Petenten im Ausschuss beraten wird. 

Mitte Januar dann macht sich die 31-Jährige zusammen mit Marie Hoffmann auf den Weg nach Berlin, um den Abgeordneten ihr Anliegen persönlich vorzutragen. Die Streichung stelle eine überproportionale Belastung für die Branche dar, kritisiert von Schnehen, und sie treffe besonders Biobetriebe, die Unkraut überwiegend mechanisch beseitigten. Während die Öko-Landwirtin im Parlament spricht, versammeln sich nebenan, vor dem Brandenburger Tor, Tausende Bauern zu einer Großdemo. 

„Finanzielle Belastung ohne Effekt fürs Klima“

Rund ein halbes Jahr und eine Teil-Rücknahme der Sparpläne später ist die Debatte um die Agrarpolitik der Regierung nach wie vor aktuell. Für die Petentin, und auch für den Petitionsausschuss. Zwar wurde die Streichung der Kfz-Steuer Anfang des Jahres gekippt. Die Zuschüsse für den Agrardiesel sollen aber weiterhin abgeschafft werden, wenn auch schrittweise bis 2026. Aus Sicht von Marie von Schnehen braucht es deshalb dringend Anreize für alternative Antriebstechnologien. Alles andere wäre „eine finanzielle Belastung ohne Verbesserung für das Klima“, sagt sie. 

Und so kommen die Petentin, der Ausschuss und Vertreter des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) Mitte Juni erneut zusammen. Statt in der Hauptstadt treffen sie sich dieses Mal im 600-Einwohner-Ort Klein Schneen. Dort, wo die Familie der 31-Jährigen seit Jahrhunderten vom Ackerbau lebt. Vor vier Jahren übernahm sie den Betrieb und stellte auf ökologischen Landbau um. Mittlerweile wachsen auf den Ackerflächen Nischenkulturen wie Linsen, Mohn, Kichererbsen und Quinoa.

Menschen stehen vor einem Traktor und blicken in die Kamera.

Delegationsleiter Erik von Malottki (Mitte) und die Abgeordneten Jörg Cezanne, Anne Monika Spallek, Ingo Bodtke und Swantje Michaelsen (v.l.) besuchen Petentin Marie von Schnehen (6.v.l.), um im Gespräch mit Experten mehr über Agrardiesel-Alternativen zu erfahren. (© DBT)

E-Antrieb für kleine Maschinen

Eine gute Viertelstunde zu Fuß entfernt liegt das Sporthaus der Gemeinde. Ein flaches Backsteingebäude mit großen Glasfronten und Solarpaneelen auf dem Dach. Draußen parkt Rainer Reuß Traktor. Drinnen wird noch schnell der Beamer aufgebaut. Den brauchen die Sachverständigen für ihre Präsentationen über E-Lader und Pflanzenöl, über Biodiesel und Wasserstoff. Und darüber, welche Antriebstechnologie sich für welche Arbeiten eignet – und für welche nicht. 

Je nach Maschine und Einsatzzweck gibt es nämlich durchaus Unterschiede, wie Dr. Edgar Remmele den Abgeordneten erklärt. Er ist Leiter der Abteilung Erneuerbare Kraftstoffe und Materialien am Kompetenzzentrum für Nachwachsende Rohstoffe in Straubing. Batterieelektrische Antriebe, so der Experte, eigneten sich vor allem für landwirtschaftliche Arbeiten mit kleinen Geräten in Hofnähe. Also zum Beispiel für Hoflader. In Puncto Leistungsfähigkeit gebe es bei diesen Maschinen auch keinen Unterschied zwischen Elektro und Diesel, ergänzt Martin Vaupel von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen

Obendrein verursachten sie deutlich weniger Energiekosten, seien leiser und abgasfrei. „In der Anschaffung aber“, so Vaupel, „ist ein E-Lader deutlich teurer.“ Würde der Kauf gefördert, könnte sich hingegen ein Kostenvorteil ergeben. 

 „Pflanzenöl muss steuerfrei sein“

Für große Traktoren, Mähdrescher und Feldhäcksler, ist Strom jedoch keine Option, wie Remmele erläutert. Zu schwer und zu groß wären die Akkus. Stattdessen biete sich in diesem Fall Biodiesel an. Der sei auch für mittelschwere Arbeiten, etwa zum Düngen, einsetzbar. Ebenso wie hydrierte Pflanzenöle (HVO) und Rapsölkraftstoff. 

Letzterer war in der Landwirtschaft schon einmal weit verbreitet, bis Energiesteuer fällig wurde. „Dann war er nicht mehr rentabel“, sagt Rainer Reuß, der seit den 1990er-Jahren mit seiner Ölfruchtmühle Oberes Wernthal Treibstoff und andere Öle aus Raps produziert. Der Vorsitzende des Bundesverbandes Dezentraler Ölmühlen und Pflanzenöltechnik (BDOEL) fordert: „Pflanzenöl für die Landwirtschaft muss steuerfrei sein.“

„Das ist maximal kontraproduktiv“ 

Auch Marie von Schnehen spricht sich dafür aus, jene Betriebe steuerlich zu begünstigen, die auf alternative Antriebe setzen. Ein weiterer Punkt auf ihrer Liste: die Wiederaufnahme des Bundesprogramms Energieeffizienz der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung. Das Förderprogramm sollte die Branche beim Senken des CO2-Ausstoßes unterstützen. Allerdings gibt es aktuell einen Antragsstopp. „Das ist maximal kontraproduktiv“, kritisiert die Petentin. Was die Agrarwirtschaft jetzt brauche, sei schließlich in erster Linie Planungssicherheit. 

Beide Anliegen haben sich die Mitglieder des Petitionsausschusses notiert. In einer späteren Sitzung wird das Gremium entscheiden, wie mit der Petition von Marie von Schnehen weiterverfahren werden soll. Doch bevor sich die Abgeordneten auf den Rückweg machen, steht noch ein Besuch auf dem Hofgut der Petentin an. 

Hackroboter und HVO-Traktoren

Unter dem Dach der großen Holzscheune sucht die Runde Schutz vor einem kräftigen Schauer. Von Fern grollt leise Donner, während Agrarwissenschaftlerin Prof. Dr. Anne-Katrin Mahlein, Leiterin des Instituts für Zuckerrübenforschung (IfZ) an der Universität Göttingen, neueste Entwicklungen in der Feldrobotik vorführt. So etwa einen solarbetriebenen Hackroboter. Landmaschinenhändler Claas informiert über seine mit HVO-Kraftstoff betankten Traktoren. Und auch Rainer Reuß ist mit seinem Pflanzenöl-Schlepper dazugekommen. 

Dann klart der Himmel über Klein Schneen doch noch einmal auf, und die Gruppe kann sich die Maschinen vor der Scheune genauer ansehen die Hackroboter und Reuß' Schlepper, bevor dieser die Heimreise antritt. Viereinhalb Stunden zurück nach Werneck, angetrieben mit Pflanzenöl. (irs/18.06.2024)

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