Parlamentarier streiten über die Verkehrspolitik der Ampel
Der Bundestag hat sich am Mittwoch, 6. September 2023, in erster Lesung gut eineinhalb Stunden lang mit dem Etatentwurf 2024 des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr beschäftigt. Der Einzelplan 12 des Bundeshaushalts 2024 (20/7800) ist traditionell der größte Investitionshaushalt des Bundes. Bundesminister Dr. Volker Wissing (FDP) plant für nächstes Jahr mit mehr Ausgaben als in diesem Jahr. Die Ausgaben sollen 38,7 Milliarden Euro betragen gegenüber 35,58 Milliarden 2023.
Als Einnahmen sind 15,8 Milliarden Euro anvisiert gegenüber 8,65 Milliarden Euro 2023. Davon sollen 15,14 Milliarden Euro auf die Lkw-Maut entfallen (2023: 8,02 Milliarden Euro). Die Ausgaben im Zusammenhang mit der Erhebung der Lkw-Maut werden auf 1,3 Milliarden Euro beziffert (2023: 1,19 Milliarden Euro).
Minister: Schiene rückt ins Zentrum der Mobilität
Jahrzehntelang sei die Schieneninfrastruktur in Deutschland vernachlässigt worden, sagte der Bundesminister für Digitales und Verkehr, Volker Wissing (FDP), zu Beginn der Debatte. Im August seien laut Deutscher Bahn AG (DB AG) nur knapp zwei von drei Zügen pünktlich gewesen – ähnlich herausfordernd sei die Lage im Schienengüterverkehr. „So kann das für ein Land wie die Bundesrepublik Deutschland nicht bleiben“, sagte der Minister. Die Bundesregierung sei entschlossen, das mit neuen strategischen Ansätzen und einem massiven Finanzpaket, „das seines Gleichen sucht“, zu ändern.
Die Schiene rücke so ins Zentrum einer modernen, nachhaltigen und guten Mobilität. Im nächsten Jahr, so kündigte Wissing an, würden die hochbelasteten Korridore des Kernnetzes saniert. Gefördert werde aber nicht nur die Schiene, sondern auch Wasserstraßen, Radverkehr, Ladesäulen und der Umstieg auf alternative Antriebe. Investiert werde zudem in das Straßennetz „und insbesondere in unsere maroden Brücken“, sagte Wissing. Gefördert werde auch die Digitalisierung. „Beim Umsetzen unsere Digitalstrategie kommen wir in großen Schritten voran“, sagte er.
CDU/CSU: Digitalisierung an die Wand gefahren
Reinhard Brandl (CDU/CSU) sah das anders. Die „Fortschrittskoalition“ habe das Thema Digitalisierung „an die Wand gefahren“, sagte er. Der Unionsabgeordnete räumte ein, „dass wir bei der Digitalisierung in unserer Zeit auch nicht immer an der Spitze waren“. Mit der ambitionslosen Digitalpolitik der Bundesregierung falle Deutschland aber noch zurück. „Das ist ein Armutszeugnis und schadet unserem Land“, befand Brandl.
Mit Blick auf die Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur sagte seine Fraktionskollege Thomas Bareiß (CDU/CSU), Sicherheit und Verlässlichkeit seien dabei das Wichtigste. Genau dies fehle aber bei der Ampel. Kündige der Minister etwas an, sprächen die Grünen wenig später dagegen. „Der Zickzack-Kurs der Ampel ist das größte Problem für die Infrastruktur und bei den nötigen Investitionen“, sagte Bareiß.
SPD: Investitionen auf hohem Niveau
Insgesamt 18 Milliarden Euro gingen an die Schiene, sagte Metin Hakverdi (SPD). Das sei auch nötig, damit die Bahn besser werde. Gleichzeitig vergesse die Koalition aber auch die Straße nicht. Hier würden die Investitionen „auf hohem Niveau fortgeführt“. Hakverdi weiter: „Wir lassen nicht zu, dass uns unsere Brücken zusammenbrechen.“ Ihn freue besonders, dass mit der Verwendung der Lkw-Mauteinnahmen „der alte falsche Grundsatz ,Straße finanziert Straße‘ durchbrochen wird“. Auf jede Tonne CO2-Emissionen werde eine Maut in Höhe von 200 Euro erhoben. „Wir tun das, um Güter von der Straße auf die Schiene zu bekommen und gleichzeitig, um massiv Anreize zur Elektrifizierung des Frachtverkehrs zu erzielen“, sagte der SPD-Abgeordnete.
Mit den zur Verfügung gestellten Mitteln würden hochbelastete Schienenstrecken saniert und modernisiert, sagte Hakverdis Fraktionskollege Detlef Müller (SPD). So werde die Zuverlässigkeit des Bahnsystems deutlich gesteigert. Damit schaffe man spürbare Verbesserungen für den Personen- und den Güterverkehr. Sehr erfreulich sei der Haushalt auch für die „in den letzten Jahren etwas zu kurz gekommenen Wasserstraßen“, sagte Müller.
AfD kritisiert Ankündigungen als unrealistisch
Marcus Bühl (AfD) warf Minister Wissing Augenwischerei vor. Wissing gehe von Ausgabenresten in diesem Jahr in Höhe von 6,7 Milliarden Euro aus. 1,5 Milliarden Euro allein gebe es bei den Bundesschienenwegen. Dennoch solle dieser Bereich um 2,8 Milliarden Euro verstärkt werden.
„Es ist völlig unrealistisch, dass sie diese Größenordnungen im nächsten Jahr realisieren können“, sagte Bühl. Gleichzeitig seien weniger Investitionen bei den Bundesfernstraßen vorgesehen und sogar 30 Prozent weniger bei der Digitalen Infrastruktur. Investitionen, die nur auf dem Papier existierten, brächten aber keinen Fortschritt.
Grüne: Deutschlandticket ein großer Erfolg
Paula Piechotta (Bündnis 90/Die Grünen) nannte das Deutschlandticket einen großen Erfolg. Selbst im Ausland werde man nun positiv auf die deutsche Verkehrspolitik angesprochen, sagte sie. Der französische Präsident Macron habe gar angekündigt, „nach dem Vorbild des Deutschlandtickets ein Ticket in den Regionen auszubringen“. Nach zwölf Jahren CSU im Verkehrsministerium brauche es aber nun auch das Auflösen des Innovationsstaus im Verkehrsinfrastrukturwesen, so die Grünenabgeordnete.
Die Ampel investiere in wirtschaftlich und haushälterisch schwierigen Zeiten mehr Geld, als die Vorgängerregierung in deutlich rosigeren Zeiten auf den Weg gebracht habe. Gleichzeitig forderte Piechotta verstärkte Wachsamkeit, damit es angesichts des vielen in die Infrastruktur fließenden Geldes nicht das nächste BER-, Stuttgart 21- oder Stammstrecke München-Desaster gibt. „Das ist extrem wichtig und liegt in unser aller Interesse.“
Linke: 49-Euro-Ticket ist für Viele zu teuer
Victor Perli (Die Linke) teilte die Begeisterung für das Deutschlandticket nicht. „Das 49-Euro-Ticket ist für Viele zu teuer“, sagte er. Auf gar keinen Fall dürfe das Ticket in der Zukunft noch teurer werden. Perli verwies auf den Investitionsstau bei der Bahn, der bei mindestens 89 Milliarden Euro liege. „Der Haushaltsentwurf wird dem Sanierungsbedarf und den Herausforderungen in keiner Weise gerecht“, befand der Linken-Abgeordnete.
Zwar sei ständig vom Ausbau der Bahn die Rede. Tatsächlich sei aber die Zahl der Gleise und der Weichen im Jahr 2022 gesunken. 2023 würden bundesweit nur 13 Kilometer Schiene elektrifiziert. „Das ist so lächerlich, wie es klingt“, sagte er. Die für 2030 anvisierten Ziele, den Personenverkehr zu verdoppeln und mehr Güterverkehr auf die Schiene zu bringen, seien mit diesem Finanzplan nicht zu schaffen.
FDP kritisierte Rolle der Länder bei ÖPNV
Frank Schäffler (FDP) kritisierte die Haltung der Länder bei der Finanzierung des Deutschlandtickets. Diese seien eigentlich für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zuständig, zögen sich aber seit Jahren aus der Finanzierung zurück.
„Faktisch finanziert schon jetzt der Bund den ÖPNV“, sagte Schäffler. Es sei ein Skandal, dass ständig nach mehr Geld gerufen werde, obwohl die eigenen Aufgaben nicht erfüllt würden, sagte der FDP-Abgeordnete.
Leichter Ausgabenanstieg bei Bundesfernstraßen
Auf die Bundesfernstraßen entfallen Ausgaben von 12,8 Milliarden Euro (2023: 12,68 Milliarden Euro), davon 11,48 Milliarden Euro für Planung, Bau, Erhaltung und Betrieb (2023: 11,47 Milliarden Euro). Die Ausgaben der Autobahn GmbH des Bundes für Investitionen belaufen sich auf 6,03 Milliarden Euro (2023: 5,54 Milliarden Euro), die Ausgaben für Betrieb, Planungsleistungen und Verwaltung wie in diesem Jahr auf 2,3 Milliarden Euro.
Für Bedarfsplanmaßnahmen an Bundesstraßen sind 523,84 Millionen Euro eingestellt (2023: 974,42 Millionen Euro), für den Erhalt der Bundesstraßen 1,31 Milliarden Euro (2023: 1,3 Milliarden Euro). Für Radwege an Bundesstraßen sollen wie bisher 120 Millionen Euro bereitgestellt werden.
Mehr Geld für Bundesschienenwege
Für die Bundesschienenwege sind 12,08 Milliarden Euro vorgesehen (2023: 9,19 Milliarden Euro). Darin enthalten sind Baukostenzuschüsse für Investitionen in Höhe von 2,29 Milliarden Euro nach zwei Milliarden Euro in diesem Jahr.
Der Infrastrukturbeitrag des Bundes für die Erhaltung der Schienenwege der Eisenbahnen des Bundes soll 6,5 Milliarden Euro betragen (2023: 4,72 Milliarden Euro). Das Eigenkapital der Deutschen Bahn AG soll wie in diesem Jahr wieder mit 1,13 Milliarden Euro aufgestockt werden.
Eine Milliarde für den Verkehr in den Gemeinden
Eine Milliarde Euro soll wie in diesem Jahr bereitgestellt werden, um die Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden zu verbessern. Die Bundeswasserstraßen sollen mit 1,77 Milliarden Euro bedacht werden im Vergleich zu 1,35 Milliarden Euro 2023.
Für den Ausbau der digitalen Infrastruktur sind 905,7 Millionen Euro vorgesehen, in diesem Jahr sind es 1,21 Milliarden Euro. Gekürzt werden soll bei den Ausgaben für Luft- und Raumfahrt, und zwar von 626,76 Millionen Euro in diesem Jahr auf 516,46 Millionen Euro. (hau/06.09.2023)